Ingolstadt
Illegales Accessoire

Stadt verhängte Bußgelder gegen Hoffenheimer Fans mit Schlauchschals – Einer davon zog vor Gericht

31.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:34 Uhr
Gastspiel in Ingolstadt: Aus Protest hängten Hoffenheimer Anhänger am 1. Oktober 2016 die Zaunfahne im Sportpark verkehrt herum auf. Ein Teil der aktiven Fanszene war in in der Ingolstädter Innenstadt von der Polizei festgesetzt worden und verpasste die Partie. Die Stadt Ingolstadt verhängte gegen einige Hoffenheimer ein Bußgeld, weil sie mit Schlauchschals gegen das Versammlungsgesetz verstießen. −Foto: dpa

Ingolstadt (DK) Das Kräftemessen zwischen Fußballanhängern und staatlichen Institutionen wird nicht nur an Spieltagen geführt, sondern auch danach auf juristischen Ebenen.

Ein Hoffenheimer Fan wehrte sich in Ingolstadt jetzt gegen ein Bußgeld wegen eines Schlauchschals, der gegen das Vermummungsverbot verstößt – oder doch nicht?

 

 

„Mit der rechtlichen Argumentationkommen Sie nicht durch.“

Richterin Gabriele Seidl

 

Fast ein ganzes Jahr ist es her, dass am 1. Oktober eine größere Gruppe von Fans aus Hoffenheim in der Ingolstädter Innenstadt von der Polizei festgesetzt wurde. 35 vor allem junge Anhänger aus der aktiven Fanszene verbrachten danach auch mehrere Stunden auf der Wache an der Esplanade in Gewahrsam der Ordnungskräfte. Dadurch verpassten sie an jenem Samstagnachmittag gewollt die Bundesliga-Partie zwischen dem FC Ingolstadt und der TSG Hoffenheim.

Die Darstellungen, was genau an jenem Tag warum passierte, gehen je nach Lager weit auseinander. Die Polizei sprach direkt im Anschluss daran von „Gewalt suchenden“ und randalierenden Fußballfans“ aus Hoffenheim, die in der Proviantstraße auf Ingolstädter Fans losgehen wollten. Gästeanhänger hätten sich dort vermummt. Die Polizei habe rechtzeitig einschreiten können. Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs (also Straftaten aus einer Menschenmenge heraus) liefen an.

Die Hoffenheimer Fanszene dagegen wies in einem ebenfalls schnell veröffentlichten Statement jede Schuld von sich: Die Maßnahmen der Polizei mit Einkesselung seien „völlig überzogen“ gewesen. Keine Faust sei geflogen, niemand sei verletzt worden, es habe nicht einmal eine Auseinandersetzung mit den Ingolstädtern gegeben. Zudem habe die Polizei – speziell das begleitende Unterstützungskommando (USK) – selbst den Konflikt heraufbeschworen und die externen Ultras „direkt vor den Treffpunkt der Ingolstädter“ geführt.

So wiederholte das gestern auch das Mitglied einer aktiven Hoffenheimer Fangruppierung, das sich am Ingolstädter Amtsgericht gegen die Folgen des 1. Oktobers wehren wollte und gegen einen von der Stadt Ingolstadt verhängten Bußgeldbescheid vorging. Man habe damals lediglich vom Mittagessen in der Dollstraße zum Herbstfest auf dem Volksfestplatz laufen wollen, berichtete der Student über die damalige Situation. Dass auf dem gewählten, oder von der Polizei angeblich vielmehr aufgedrückten, Weg durch die Proviantstraße der Versammlungsort der Ingolstädter Fanszene lag, habe keiner von ihnen gewusst. Drei bis vier aus der Gruppe seien mit Blick auf die Ingolstädter Ultras dann tatsächlich „etwas schneller gelaufen“. Aber es sei „nie und nimmer die ganze Gruppe gewesen, wie uns vorgeworfen wurde“. Tatsächlich sei der Vorwurf (Landfriedensbruch) später auch fallen gelassen worden, so der Student.

Darum ging es gestern am Amtsgericht bei Richterin Gabriele Seidl auch nicht, wie die Vorsitzende selbst betonte. An jenem Tag (mit Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad) trug der Student aber wie andere Hoffenheimer einen sogenannten Schlauchschal als „Fanartikel“ um den Hals. Den kann man sich, wenn man denn will, schnell über das Gesicht ziehen und sich unkenntlich machen, was ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot wäre. Schon alleine, dass die Männer diesen Schal dabei hatten, „der geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt war, die Feststellung der Identität zu verhindern“, verstößt gegen das vor einiger Zeit verschärfte Bayerische Versammlungsgesetz. Acht Bußgeldverfahren strengte die Stadt aufgrund des Polizeieinsatzes an und verhängte jeweils 75 Euro gegen Hoffenheimer Fans. Sieben wurden rechtskräftig, berichtete ein städtischer Vertreter gestern im Gericht. Der Student als Achter wollte das nicht auf sich sitzen lassen.

Zumal sich die bayerische Justiz selbst nicht einig ist, wie sie damit umgeht. Während das Oberlandesgericht Bamberg vor zwei Jahren in einem direkt am Fußballstadion angesiedelten Fall das Bußgeld für Fans mit Schlauchschals bestätigte, sprach das Amtsgericht Nürnberg erst vergangenes Jahr die Betroffenen in der neuerlichen Verhandlung dennoch wieder frei. Der strittige Punkt war immer, ob es sich bei einem Fußballspiel in einem Stadion um eine Veranstaltung „unter freiem Himmel“ handelt und das Versammlungsverbot anwendbar ist oder nicht.

In Ingolstadt spielte das wegen des Szenarios in der Innenstadt keine Rolle. Richterin Seidl betonte aber an den Studenten und dessen Anwältin gerichtet: „Mit der rechtlichen Argumentation kommen Sie nicht durch.“ Der vorliegende Fall sei ganz klar eine Ordnungswidrigkeit. Dennoch sah sie ihn durch die Gesamtumstände „als atypisch“ an und stellte das Verfahren ein.

Die zufriedene Anwältin übergab abschließend mit den Worten „Ein Gruß aus dem Neckartal!“ noch einen kürzlich erworbenen Schlauchschal an den städtischen Vertreter. Den offiziellen Fanartikel mit aufgedruckten Logos hatte sie online beim FC Ingolstadt bestellt. Einen Hinweis darauf, dass man sich beim Tragen quasi sofort in den Bußgeldbereich begebe, habe sie dabei vermisst.