Ingolstadt
Fesselspiele per Videochat

48-jähriger Ingolstädter erhält wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern übers Internet Bewährungsstrafe

17.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:41 Uhr

Ingolstadt (DK) Es ist ein Gefahrenbereich, vor dem in Zeiten grenzenloser Internetkommunikation immer neu gewarnt werden muss: Erwachsene, die sich auf Plattformen im Netz als Kinder oder Jugendliche ausgeben und dort mit sexuellen Ambitionen Kontakt zu Minderjährigen suchen, können oft ohne viel Risiko psychischen Schaden anrichten. Am Amtsgericht ist am Mittwoch ein Ingolstädter wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auf dem Datenwege zu einer Bewährungsstrafe von fast zwei Jahren verurteilt worden.

Enttarnt werden Sextäter, die sich im Netz tummeln, häufig erst durch polizeiliche Recherchen in Fällen, die sich weitab zugetragen haben, bei denen sich aber Zeugenaussagen oder Datenspuren ergeben, die zu einer Ausweitung der Ermittlungen führen. So war es auch in diesem Fall: Weil sich in Ludwigshafen eine Mutter und ihr Lebensgefährte wegen sexuellen Missbrauchs an den beiden noch kindlichen Töchtern der Frau verantworten mussten, kam im Zuge der Vernehmungen auch die Sprache auf einen angeblich jugendlichen Internetbekannten eines der Mädchen, der auf einer Schülerplattform mit dem Kind in Kontakt getreten war. Es sollte sich um einen 16-Jährigen handeln, der auf dem Portal mit dem Profilname "Bondageman 14" aufgetreten war.

Das Pseudonym war offenbar nicht ohne Hintergedanken gewählt worden: Der Fremde, der von dem Mädchen als "Freund" tituliert worden war, hatte sich im Laufe von Monaten offenbar so tiefes Vertrauen erschlichen, dass er die 13-Jährige immer wieder zu auch gröberen sexuellen Handlungen wie SM- und Fesselspielchen bei Skype-Sitzungen (Live-Videoschaltungen übers Internet) überreden konnte. Während er selber offenbar nie im Bild auftauchte, tanzte das Mädchen immer wieder nach seiner Pfeife und erfüllte spät abends, wenn der "Freund" wieder auf Sendung war, dessen abseitige Wünsche.

Hinter dem "jugendlichen" Chatpartner, das haben die polizeilichen Ermittlungen wohl zweifelsfrei ergeben, verbarg sich ein mittlerweile bald 48-jähriger Ingolstädter, der zwischen 2013 und 2017 vielfach Kontakt zu jungen Mädchen im Internet gesucht hat. Die polizeilichen Erkenntnisse führten schließlich zu einer Anklage vorm Amtsgericht, wo Vorsitzender Christian Schilcher und seine Schöffen sich am Mittwoch mit dem Mann und seiner Vorgeschichte befassen mussten.

Während der Großteil der aufgedeckten Fälle strafrechtlich nicht relevant war, weil die Mädchen oder jungen Frauen bereits 14 Jahre oder älter waren, war im Ludwigshafener Ermittlungskomplex und bei einem weiteren Kontakt im Netz insgesamt 33-mal der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern erfüllt. Hinzu kam der Besitz von rund 1500 kinderpornografischen Foto- und Videodateien, die sich auf einem Computer des aus Nordrhein-Westfalen stammenden verheirateten Familienvaters befunden hatten. Einen Teil der inkriminierten Fotos hatte der Mann selber bei den bewussten Videositzungen mit den Kindern "geschossen".

Vor Gericht räumte der Angeklagte - wie auch schon bei der Polizei - seine Taten voll umfänglich ein. Er erklärte sie mit einer familiären Krise, die mit beruflicher Überlastung zusammengefallen sei. Nach einer Erkrankung seiner Frau habe er sich praktisch allein um alle Verpflichtungen und auch um die Erziehung der kleinen Tochter kümmern müssen. Dadurch - so habe es ihm sein Psychotherapeut inzwischen erklärt - seien schließlich auch nicht verarbeitete sexuelle Probleme aus der eigenen Jugendzeit wieder aufgebrochen.

Abends, wenn Frau und Tochter bereits schliefen und er alleine an seinen Rechner konnte, soll sich dann die Wandlung von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde vollzogen haben. Der Angeklagte: "Sobald ich am Computer gesessen habe, ist mein pubertäres Ego durchgebrochen - das hat dann das Kommando übernommen."

Ein dem Gericht vorliegendes psychiatrisches Gutachten bescheinigt dem Endvierziger zwar "paraphile Interessen" (also deutlich von der Norm abweichende sexuelle Vorstellungen), sieht aber keine Persönlichkeitsstörung in einem solchen Ausmaß, dass eine Zwangstherapie gerichtlich angeordnet werden müsste. Freiwillig hat der Mann inzwischen rund 50 Gruppen- und Einzelsitzungen bei einem Psychotherapeuten absolviert.

Richter Schilcher und seine Schöffen hielten angesichts der Gesamtumstände eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und elf Monaten für gerade noch vertretbar, zumal die beiden Opfer auch kurz vor Vollendung des 14. Lebensjahres gestanden hatten, also juristisch beinahe schon keine Kinder mehr gewesen waren. Die Staatsanwältin hatte zwei Jahre Haft, der Verteidiger ein Jahr und drei Monate (jeweils zur Bewährung) gefordert.

Das Gericht machte eine Fortsetzung der laufenden Psychotherapie zur Bedingung für die Bewährungsaussetzung. Schwer Treffen dürften den Mann, der das Urteil sofort annahm, allerdings vor allem die Verfahrenskosten. Allein die Auswertung seiner Computerdaten durch eine von der Kripo beauftragte IT-Firma ist mit rund 10500 Euro zu Buche geschlagen.

Bernd Heimerl