Hundszell
Die Früchte der Arbeit

Seit Wochen sind Helfer aus Osteuropa auf den Erdbeerfeldern der Region im Einsatz - bald wird geerntet

22.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:19 Uhr
Ein paar Tage dauert es noch, dann sind alle Erdbeeren auf dem Hundszeller Bio-Hof von Rebekka Roth-Meyer reif. −Foto: Estel

Hundszell (DK) Noch sind die Erdbeeren auf den allermeisten Feldern rund um Ingolstadt nicht reif. In ein paar Tagen sollen aber auch auf dem Bio-Hof in Hundszell die Selbstpflück-Felder und Verkaufsstände wieder öffnen. Das Angebot ist das Ergebnis harter Arbeit, die mit der Unterstützung von Saisonkräften aus Polen und Rumänien erledigt wird.

Noch ist etwas Geduld gefragt. Rebekka Roth-Meyer steht in ihrem Erdbeerfeld in Hundszell und lässt den Blick schweifen. Jeden Tag kommt sie derzeit hierher, um nach den Früchten zu sehen. Die allermeisten sind noch grün, aber die ersten färben sich bereits zaghaft rot. "Am Freitag kann es mit der Ernte losgehen", prophezeit sie. Dann werden die Felder auch wieder für Selbstpflücker geöffnet werden und die heimischen Bio-Erdbeeren auf dem Wochenmarkt verkauft.

Vor gut drei Wochen bot sich Spaziergängern in den Feldern um Hundszell noch ein ganz anderes Bild: Vier Frauen lassen sich von einem Traktor über den Acker ziehen - sie scheinen bequem zu sitzen und wirken doch sehr geschäftig. Die Konstruktion erinnert ein bisschen an Fahrgeschäfte, wie sie gerade auf dem Pfingstvolksfest stehen. Aber die vier Frauen sind nicht zum Spaß hier. Während der Bulldog gemächlich über das Feld tuckert - zielgenau per GPS gesteuert -, bewegen sich die Hände der Frauen in rasantem Tempo. Vor ihnen liegen Kisten mit jungen Pflänzchen. Im Sekundentakt greifen die Frauen sich eine nach der anderen und stecken sie in eine Halterung an einem Metallrad, das von der Vorwärtsbewegung des Gefährts angetrieben wird. Die Konstruktiom dreht sich weiter und drückt die Pflanze in den Boden. Alle 30 Zentimeter in vier Reihen reckt sich jetzt ein Setzling in die Höhe.

Im Zick-Zack läuft ein Mann dem Gefährt hinterher, bückt sich immer wieder. Er kontrolliert die Pflanzungen, zupft hier etwas zurecht, wischt dort Erde von einer Erdbeerpflanze. Unzählige Male beugt er sich nach vorne, richtet sich wieder auf, geht weiter. Zweifellos eine anstrengende Arbeit. So manchem tut schon beim Zusehen der Rücken weh. "Er ist der Held vom Erdbeerfeld", kommentiert ein Zuschauer anerkennend.

Bei der Arbeit herrscht meist konzentriertes Schweigen - aber hin und wieder wird herzlich gelacht. Rebekka Roth-Meyer und ihr Mann Martin, die abwechselnd den Traktor steuern, können oft nicht mitlachen - außer Nicu Hanes ist zur Stelle. Er übersetzt ins Englische. Hanes ist 27 und arbeitet bereits die vierte Saison auf dem Biohof in Hundszell. Er hilft auch bei der Verständigung mit Maria Ciciu. "Ich mag Erdbeeren sehr gern", erzählt die 50-jährige Rumänin. Daheim in Töplitz, macht sie aus ihnen am liebsten Sirup, Kompott und Marmelade. Es freut sie, dass die Erdbeeren auf dem Bio-Hof wie bei ihr daheim ohne Pflanzenschutzmittel, Unkrautvernichter oder synthetischen Dünger angebaut werden. Auch wenn das eine Menge Aufwand bedeutet. Wo nicht neu gepflanzt wird, müssen die Pflanzen aus den Vorjahren in Handarbeit vom Unkraut befreit werden. Viel zu tun bei insgesamt rund drei Hektar Feldfläche. "Aber man kann den Unterschied schmecken", ist auch Hanes überzeugt. Rumänische Musik aus dem Smartphone begleitet hin und wieder die mühevolle Feldarbeit.

Seit acht Jahren führt Maria Ciciu das Leben einer Saisonarbeiterin. Sie habe sich daran gewöhnt, jedes Jahr für einige Monate in Deutschland zu sein, erzählt die zweifache Mutter. Heuer ist sie zum zweiten Mal in Hundszell bei den Erdbeeren. "Es ist nicht immer leicht, so weit weg von daheim zu arbeiten und zu leben", berichtet sie. Der Grund, warum sie es dennoch tut, ist klar: "The money - das Geld", sagt sie. Der deutsche Mindestlohn ist rund dreimal so hoch wie der Lohn, den sie in Rumänien für die Arbeit bekommen würde. Maria Ciciu wirkt zufrieden, es herrsche ein großer Zusammenhalt unter den sechs rumänischen Saisonarbeitern auf dem Feld, erzählt sie. Sie haben sich bei der Arbeit in Deutschland kennengelernt, wohnen jetzt gemeinsam in einem Häuschen in Hundszell.

Das verdiente Geld spart Maria Ciciu für die Hochzeiten ihrer beiden Töchter, die in den kommenden beiden Jahren in Rumänien gefeiert werden sollen, erzählt sie. Ein Teil des Lohns wird aber auch in Ingolstadt ausgegeben. Die rumänischen Freundinnen mögen alles an Ingolstadt, erzählen sie und kichern ein bisschen, am liebsten gehen sie Shoppen. "Hauptsächlich Geschenke für die Familie daheim", sagen sie. Wenn sie die Mitbringsel in einigen Wochen zu Hause verteilen, werden die Felder in Hundszell abgeerntet sein und warten, bis Maria Ciciu und ihre Kollegen im nächsten Jahr wiederkommen.

Christin Estel