Ingolstadt
Abschiebehäftling gesteht Brandstiftung

Feuer an Heiligabend 2018: Am Landgericht Ingolstadt hat gestern der Prozess begonnen

21.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:14 Uhr

−Foto: Schmidt

Tina SteimleEichstätt/Ingolstadt (EK) Den Heiligen Abend 2018 haben die Einsatzkräfte in Eichstätt wohl noch in „lichterloher Erinnerung“, wie es Richter Thomas Denz formuliert. An diesem Tag wurde in der Abschiebehafteinrichtung ein Brand gelegt. Zwei ehemalige Gefangene müssen sich nun seit gestern vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten. Während der 25-jährige Aserbaidschaner die Tat einräumt, bestreitet sein Zellennachbar, ein 36-jähriger Tschetschene, eine Beteiligung daran. Es entstand ein Schaden von 50 000 Euro.

Schwere Brandstiftung, Sachbeschädigung, Gefangenenmeuterei – die Anklage, die die Staatsanwältin verliest, hat es in sich. Die ersten beiden Vorwürfe räumt der junge Mann ein:  Gegen 18 Uhr habe er Matratzen, Kleidung und Papier auf einen Haufen geworfen und mit einem Feuerzeug angezündet. Außerdem habe er ein Tischbein abgebrochen und damit mehrere Kameras auf dem Flur demoliert. Das Feuerchaos habe er nutzen wollen, um zu fliehen, „wenn sich die Möglichkeit ergibt“. Außerdem habe er auf die Haftbedingungen aufmerksam machen wollen, „dass wir noch da sind, das ist ein Käfig, ein Gefängnis“. Dass er nicht wusste, wann er abgeschoben werde, sei belastend gewesen. „Ich habe das Gefühl gehabt, nichts geht voran.“  Einen Tag vorher habe er dann seinen Entschluss gefasst, das Feuer zu legen.
 Angestiftet haben will der 25-Jährige die anderen Häftlinge aber nicht. „Ich habe allen mitgeteilt, was ich plane“, übersetzt die Dolmetscherin seine Worte.  „Nein, er hat nicht geholfen“, sagt der Aserbaidschaner über  seinen mitangeklagten damaligen Zellengenossen, einen sechsfachen Familienvater. Um dies zu überprüfen werden zahlreiche Zeugen geladen, auch die Überwachungsvideos werden minuziös angesehen. „Besonders im Hinblick auf Sie, wir haben vier Kameraeinstellungen, wie bei einem modernen Krimi“, sagt Denz zum 36-Jährigen. „Versuchen Sie es am besten mit der Wahrheit.“ 

Doch der Tschetschene will erst einmal über die Haftbedingungen reden. „Wie eine Ratte eingesperrt“ sei er gewesen, „dabei habe ich nichts gemacht“. An Heiligabend könne er sich nicht erinnern, da er Fieber gehabt habe, jedoch sei kein Arzt zu ihm gekommen. „Hören Sie auf mit Ihrem Selbstmitleid“, fällt ihm Denz ins Wort, der erste Schritt zur Problemlösung sei, nun zum Prozess beizutragen. „Wir haben ein Video, wie Sie einen Zaun übersteigen“, ruft er die Nacht dem Angeklagten ins Gedächtnis, was dieser dann auch einräumt.
Während der Aserbaidschaner laut Zeugenaussage eines Justizbeamten in Inneren des Gebäudes mit dem Stuhlbein „hantierte“, war der Tschetschene draußen unterwegs, um „Hilfe zu holen“. Er habe nicht nur geschrien, sondern will auch selbst tätig geworden sein. Auf der Suche nach Sand öffnete er einen Kasten, hob einen Kanaldeckel an, weil er dort Schläuche vermutete. Die Hände habe er sich nur zum Zweck der Selbstverteidigung verbunden, falls es während des Tumults zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre, nicht, um über den Zaun zu klettern. 

Den Schaden trugen erst einmal andere davon: Das Feuer löste unter den 82 Gefangenen Aufregung aus, ein Tunesier erlitt eine Rauchvergiftung, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Dem Mann, der auch immer wieder auf den Videos zu erkennen ist, wollen die beiden Angeklagten im Übrigen mit einem nassen Tuch geholfen haben, als sie seine Atemprobleme bemerkten. 
Während der 25-Jährige immer wieder auf ein Tor, durch das die Rettungskräfte ins Innere gelassen wurden, zugelaufen sein soll, verhielten sich die übrigen Gefangenen ruhig. Das ist auch auf den Videos zu sehen: Obwohl der Rauch im Flur schon zu erkennen ist, laufen mehrere Personen unaufgeregt hin und her. Die Angeklagten sollen nicht nur die Zellentür, sondern auch eine Brandschutztür geöffnet haben, damit sich der Rauch schneller ausbreitet. Ein unübersichtliches Bild für die Justizvollzugsbeamten, die in der Kleiderkammer mit einem Neuzugang beschäftigt waren: „Ich habe Gepolter gehört“, erklärt ein 32-Jähriger, der an diesem Abend Dienst hatte. Auf  dem Flur habe er dann den „Stangenmann“ gesehen und sich mit seinen Kollegen besprochen. „Wir wussten nicht, welche Waffen es gibt, wer involviert ist und haben uns zurückgezogen“, antwortet er auf die Frage, warum man nicht versucht habe, mit einem Feuerlöscher selbst den Brand in den Griff zu kriegen. 
Das übernahm dann die Feuerwehr, während Polizisten aus Eichstätt, Ingolstadt und Neuburg gemeinsam mit dem Personal der Abschiebeeinrichtung versuchten, Ruhe ins Geschehen zu bringen. Unaufgeregt sei es auch die Tage vorher gewesen, erklärt ein weiterer Mitarbeiter der Abschiebeeinrichtung, die Feuerpläne seien „nur Latrinengerüchte“ gewesen, „wir konnten das nicht zuordnen“. Er habe beide zuvor als unauffällig erlebt. Bei ihm entschuldigt sich der Aserbaidschaner nun: „Es tut mir leid, dass jemand zu Schaden gekommen ist.“ Am Freitag wird ein Urteil erwartet.