Ingolstadt
Abgehörte Telefonate

Bestechungsprozess: Belastendes, aber auch viel Positives für Alt-OB Lehmann

19.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:18 Uhr
Telefonüberwachung als Ermittlungshilfe: Auch im Lehmann-Verfahren griffen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft auf dieses Hilfsmittel zurück. Gestern wurden einige Mitschnitte von Telefongesprächen vorgespielt. −Foto: dpa

Ingolstadt (DK) Der gestrige vierte Verhandlungstag im Bestechungsprozess gegen den Ingolstädter Altoberbürgermeister Alfred Lehmann war für den 68-Jährigen ein Wechselbad der Gefühle. Verfolgte er einige belastende Zeugenaussagen ermittelnder Kripobeamter am Vormittag noch mit versteinerter Miene, so durfte er am Ende eines langen Verhandlungstages aufatmen: Fünf im Gericht abgespielte Telefonmitschnitte gaben keine Hinweise auf getroffene Absprachen oder Gegenleistungen.

Acht Zeugen waren vor die Große Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt unter Vorsitz von Jochen Bösl geladen. Die Zuschauer kennen sich mittlerweile - es sind fast immer dieselben. Auch Lehmanns Ehefrau ist stets im Zuschauerraum.

Drei Tage lang - am 7., 8. und 9. Dezember 2016 - wurden die Telefonanschlüsse von Alfred Lehmann und einem ebenfalls angeklagten Bauträger aus dem Kreis Pfaffenhofen abgehört. Und zwar genau in der Zeit, in der auch die Privaträume Lehmanns sowie Wohn- und Firmenräume des Bauträgers und seines Sohnes durchsucht worden waren.

Hat sich der Alt-OB, der wegen Bestechlichkeit und Untreue angeklagt ist, im Vorfeld mit dem Bauträger abgesprochen? Dafür gesorgt, dass bei der Vergabe eines Baufeldes jene Firma berücksichtigt wird und diese eine fällige Nachzahlung nicht leisten musste? Und im Gegenzug dazu in dem Komplex vergünstigt eine Penthousewohnung gekauft? Zum Schein soll ein Rohbauvertrag vereinbart, in Wirklichkeit aber vom Bauträger der komplette Ausbau der Wohnung finanziert worden sein. So zumindest wirft es die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Lehmann vor.

Die gestern abgespielten Telefonate geben keine Anhaltspunkte darauf. Sie bestätigen eher das, was Lehmann beim Prozessauftakt in seiner persönlichen Stellungnahme dem Gericht gesagt hatte. In den Gesprächen zwischen dem Bauträger und seinem Sohn geht es insbesondere um eine nachträglich im Vertrag geänderte, weil angeblich von der Stadt falsch berechnete Geschossflächenzahl ("wir haben das nur richtig gestellt"). Lehmann informiert den Bauträger über den Vorwurf, er habe die Vergabe zugunsten des Bauträgers beeinflusst und spricht ihn auf eine noch ausstehende zweite Rechnung für den Ausbau seiner Wohnung an. Antwort Bauträger: "Sie haben noch nicht bezahlt, weil wir noch nicht fertig sind." "Es hat definitiv von mir keine Absprache gegeben. Das schwöre ich", sagt Lehmann in dem Telefonat auch. Sehr emotional ein weiteres längeres Gespräch, in dem Lehmann seine Schwester über die Vorwürfe, die ihm gemacht werden, informiert. Wie sehr ihm die Sache zu schaffen macht, ist herauszuhören. Dass die Vergabe (ein vorgegebener Losentscheid) "nicht sauber war", räumt er ein. "Aber ich habe das nicht gemacht, um billig eine Wohnung zu bekommen."

Bei den Zeugenvernehmungen am Vormittag sah es weit weniger rosig für Lehmann aus. Es ging um den Kauf von insgesamt 16 Appartements in einem von der IFG an die mit Lehmann befreundeten Inhaber eines Baugeschäfts aus dem Kreis Eichstätt. Den Verkauf soll der zuständige Mann bei der IFG wegen nachträglicher Vertragsänderungen und der Tatsache, dass das Gebäude entgegen eines Beschlusses des IFG-Beirates an das Ehepaar als Privatpersonen verkauft werden sollte, erst auf Druck Lehmanns hin beurkundet haben. Kripobeamte berichteten von den Durchsuchungen von Lehmanns Privaträumen und den Räumen des Bauträgers. Zwei Hauptkommissare erinnerten sich an eine Aussage des Alt-OB, man könne doch "ein so günstiges Angebot von einem Freund nicht ausschlagen". Gemeint seien der Erwerb und Umbau der Appartements gewesen. Lehmann hatte zwölf zum Preis von 172500 Euro und weitere vier für seinen mittlerweile verstorbenen Vater für 57500 Euro gekauft. Für den Ausbau aller 16 Wohnungen hatte er einen Festpreis von 420000 Euro bezahlt. Als der zuständige Sachbearbeiter bei der Kripo ihm pro Wohnung einen Vorteil von über 14000 Euro vorrechnete, saß Lehmann mit versteinerter Miene da. Der erste bekannte Schriftwechsel zwischen den Eheleuten und Lehmann zum Wohnungskauf ist vom 6. Februar 2011. Kurz darauf, am 21. März 2011, haben die Eheleute das frühere Kasernengebäude in der Hildegard-Knef-Straße erworben. Auf der Anklagebank sitzt die Ehefrau - ihr Mann ist 2012 verstorben. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.

Ruth Stückle