Cheerleading mit behinderten Jugendlichen

03.06.2009 | Stand 03.12.2020, 4:54 Uhr

Preisverleihung an der KU: In Anwesenheit von Paul Kirchhoff und Prof. Ulrich Bartosch (von links) erhielt Nicole Jahn für ihre Diplomarbeit einen der beiden Förderpreise. - Foto: Fahn

Ingolstadt (DK) Es ist kein alltägliches Thema, über das Nicole Jahn ihre Diplomarbeit geschrieben hat. Auf 234 Seiten befasste sie sich mit der Sozialkompetenzförderung bei geistig beeinträchtigten Jugendlichen am Beispiel von Cheerleading – und wurde dafür mit einem Förderpreis belohnt.

Mit Verwunderung hat Prof. Ulrich Bartosch von der Fakultät für Soziale Arbeit an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) den Themenvorschlag seiner Studentin für ihre Diplomarbeit aufgenommen. Mit Begeisterung las er dann die umfassende Darstellung von Nicole Jahn und bewertete ihre Arbeit mit der Note "sehr gut". Zusätzlich erhielt sie den mit 500 Euro dotierten Preis des Förderkreises der Fakultät.

Es ist ein ungewöhnliches Thema, das sie für ihr Diplom angepackt hat, und auch eine ungewöhnliche Laufbahn, die die zielstrebige Ingolstädterin nach ihrem Abitur eingeschlagen hat. Nach vier Semestern brach sie ihr Pädagogik-Studium an der KU ab, weil ihr der Praxisbezug fehlte. Sie begann eine vierjährige Ausbildung zur Erzieherin mit Praktika unter anderem im Caritas-Zentrum St. Vinzenz in Ingolstadt. "Im Nachhinein habe ich mich schon gefragt, ob das richtig war. Vier Semester einfach so hinzuschmeißen – so eine Zeitverschwendung", meint Nicole Jahn.

2004 war sie mit der Ausbildung fertig, wollte im sozialen Bereich bleiben und begann in Eichstätt Sozialpädagogik zu studieren. Nur nicht zu weit weg von zu Hause – alles sollte im Pendelbereich bleiben. Das ist der zierlichen jungen Frau auch jetzt noch wichtig.

Ihr großes Hobby, das Cheerleading – zuerst bei der Basketballabteilung des MTV Ingolstadt und dann vor größerer Kulisse beim ERC – wollte sie auch mit den behinderten Jugendlichen von St. Vinzenz probieren. Sie baute eine Gruppe von zehn bis 15 Jugendlichen auf – sogar eine Rollstuhlfahrerin war darunter –, übte mit ihnen und trat mit den Vinzenz-Cheerleadern bei Sommerfesten oder bei Veranstaltungen in der City von Ingolstadt auf. "Man darf natürlich keine zu großen Erwartungen haben", meint sie. Aber es klappte. So gut, dass sie ihre Erfahrungen in ihre Diplomarbeit einbringen wollte. "Ich habe erst einmal gar nicht damit gerechnet, dass ich überhaupt darüber schreiben darf." Die Befragungen gestalteten sich schwierig, weil einige der Jugendlichen nicht lesen können. Also mussten Frage und Antwort mit Symbolen vermittelt werden. Das Ergebnis der langwierigen Untersuchung: Vor allem die Teamfähigkeit wurde bei den beeinträchtigten Jugendlichen durch den gemeinsamen Sport gefördert.

Seit einem knappen Jahr arbeitet Nicole Jahn als Personaldisponentin bei einer Zeitarbeitsfirma in Nürnberg. Was hat das mit Sozialpädagogik zu tun? "Mehr als man denkt. Wie kann man Menschen besser helfen als mit einem Arbeitsplatz", erklärt sie. Außerdem macht die 31-Jährige keinen Hehl daraus, dass sie bei diesem Job rund 400 Euro im Monat mehr verdient als im sozialen Bereich.

Im Personalwesen möchte sie gerne bleiben. Ihr Traumjob wäre im Bildungswesen bei Audi, wo sie schon als Studentin ein Praktikum gemacht hat. Die 500 Euro von ihrem Förderpreis spart sie eisern für das Master-Studium "Human Ressources" an der KU. 27 500 Euro würde sie diese Weiterbildung kosten. Nicole Jahn: "Ich will das Geld für etwas Bleibendes investieren und nicht in irgendwelche Klamotten." Lebenslanges Lernen hat sich die junge Frau zum Lebensmotto gemacht. Das dürfte ihr Prof. Ulrich Bartosch mit auf den Weg gegeben haben. Denn genau das will der Bologna-Experte seinen Studenten an der KU vermitteln.