Bauhaus-Architektur an Lärmschutzwand

07.10.2009 | Stand 03.12.2020, 4:36 Uhr

Eine Partie Boccia im ruhigen Innenhof: Die zwei Wohnhäuser hinter den großen Bäumen ziehen die Blicke vieler Autofahrer an der Westlichen Ringstraße auf sich. - Foto: Rössle

Ingolstadt (rh) Autofahrer, die auf der Westlichen Ringstraße in einen Stau geraten und etwas für Architektur übrig haben, können seit einiger Zeit ein Stück Bauhaus besichtigen. Jenseits der Lärmschutzwand stehen zwei weiße Wohnwürfel, deren klare und einfache Formensprache sich völlig von den Wohnhäusern der Umgebung unterscheidet und gestalterisch an den Stil der berühmten Dessauer Design- und Architekturschule erinnert.

Ihr Schöpfer Tobias Brand hat auf alle Schnörkel und Verzierungen verzichtet, aber auch die verwendeten Materialien so weit wie möglich reduziert. In die zwei weißen Hauptkuben schieben sich zwei kleinere Baukörper, verkleidet mit schwarzen Platten. Großzügige Lichtbänder und Flachdächer aus Edelstahl betonen die Horizontale. "Ich habe versucht", sagt der Architekt, "den Blick über die Lärmschutzwand in den Park zu ermöglichen." Gezwungenermaßen musste der Planer wegen des Verkehrslärms die Treppenerschließung auf die Straßenseite verlegen, während sich das Wohnen ganz nach Südwesten orientiert. Deswegen wirken die zwei Würfel auf der Glacisseite tagsüber auch fast so, als währen sie unbewohnt. Dabei sind inzwischen alle 18 Wohnungen belegt. "Mir war die Trennung in zwei Einzelbaukörper wichtig", erinnert Brand an den Wettbewerb, bei dem er sich als Sieger durchsetzte. "Ich wollte an dieser Stelle nicht den Maßstab sprengen." Der Heimcharakter sollte bei den Wohnungen dennoch unbedingt vermieden werden.

Dies lag auch dem Bauherrn sehr am Herzen. "Wir hoffen, dass hier ein hoher Selbstverwaltungsgrad entsteht", so der Wunsch von Markus Pflüger, dem Leiter des Caritaszentrums St. Vinzenz. Der Caritas gehören die zwei innovativen Wohnbauten an der Westlichen Ringstraße. Und sie vermietet die rollstuhlgerechten Wohnungen an Menschen mit ganz unterschiedlicher Behinderung. Pflüger spricht von einem "Paradigmenwechsel" – weg von der klassischen Rundumversorgung in Behindertenheimen, hin zu mehr Selbstbestimmung der Bewohner.

Die Mieter arbeiten teils in Behindertenwerkstätten, teils auf dem freien Arbeitsmarkt, einige sind auch erwerbsunfähig. "Durch die Sparsamkeit der architektonischen Mittel entsteht Ruhe", lobt Pflüger seinen Planer. Die Bauvorschriften seien allerdings manchmal zum Verzweifeln. Zum Beispiel der vorgegebene Parkplatzschlüssel. "Wir hätten hier nur die Hälfte gebraucht."