Oberstimm
Feierabend am Barthelmarkt

Oberstimm nachts um halb zwölf: Was passiert, wenn die Fahrgeschäfte und Festzelte schließen?

26.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:35 Uhr

−Foto: Eberl

Oberstimm (DK) In den vergangenen drei Tagen haben zahlreiche Besucher jeweils bis spät in die Nacht auf dem Barthelmarkt gefeiert. Doch was passiert um Mitternacht, kurz bevor und nachdem die Musik aufgehört hat zu spielen und das Bier nicht mehr fließt?

Freitagabend. Die Armbanduhr zeigt 22.15 Uhr an. Aus den Bierzelten dröhnt lautstarke Musik. Die blauen, roten und gelben Lichter der Fahrgeschäfte leuchten in der Nacht. Vor den Zelten legen zahlreiche Jugendliche eine Pause ein. In der warmen Sommernacht haben sie es sich auf dem Boden gemütlich gemacht - der Alkoholpegel ist vermutlich so hoch, dass sie den Müll um sich herum nicht bemerken. "Das ist uns're Nacht, wie für uns beide gemacht, oho oho." Eine Sängerin gibt Helene Fischers "Atemlos" im Herrnbräu zum Besten. Die Uhr zeigt mittlerweile 23.05 Uhr an. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Von der ersten bis zur letzten Reihe bis hin zum Eingang tanzen und schwanken die Besucher zur Musik. Wer hinein möchte, muss sich durch die Masse hindurchquetschen. Im Zelt wird man von einer miefigen nach Bier riechenden Luft umhüllt. Vereinzelt treffen einen Tropfen von oben - der Schweiß der Besucher hat sich am Zeltdach als Kondenswasser gesammelt.

18 Sicherheitsmänner sind im Herrnbräu im Einsatz. In Zweiergruppen patrouillieren sie durch das Festzelt. "Im Laufe des Abends nimmt natürlich der Alkoholpegel zu und es kommt zu mehreren Prügeleien", erklärt Kai Muri. Seit Jahren sorgt er im Herrnbräu für Sicherheit. Das Festzelt sei das Schlimmste, denn während sich in den anderen um diese Uhrzeit die Bänke lichten, herrscht hier noch immer Hochbetrieb. "Wir haben das Höllenzelt", betont Muri. Was sie jetzt noch nicht wissen: Einen Tag später werden sie wegen der Reizgasattacke noch mehr gefordert sein (siehe dazu Seite 19).

Die Armbanduhr zeigt mittlerweile 23.15 Uhr an. Kaum vorstellbar, dass das Zelt um Mitternacht geschlossen wird. Doch: "Die werden schnell gehen", versichert Festwirt Franz Widmann. Schließlich spielt die Band um 23.30 Uhr ihr letztes Lied. Rausschmeißer an diesem Abend ist "Ham kummst" von Seiler und Speer.

Schließlich ist es so weit: Die Lautsprecher verstummen. Einige Festgäste stehen fassungslos auf den Bänken. War es das wirklich für heute? Ja, denn die Musiker rollen bereits die Kabel auf und packen ihre Instrumente ein. Stimmengewirr ersetzt die rhythmischen Klänge der E-Gitarre. Vor den Ausgängen bildet sich eine Menschenmenge. Das Sicherheitspersonal passt mit Argusaugen auf, dass jeder sicher aus dem Festzelt kommt. Binnen Minuten ist das Zelt fast leer. Vereinzelt suchen Besucher mit dem Licht ihrer Mobiltelefone den Boden ab. "Habt ihr zufällig Schuhe gefunden", fragt eine Besucherin an der Theke nach. In dem ziemlich großen Fundus türmen sich kaputte Mobiltelefone, Taschen und Geldbörsen. "Schuhe sind nicht dabei", muss sie Widmann enttäuschen.

Bereits eine halbe Stunde vor Ausschankschluss wird begonnen aufzuräumen. Die Edelstahlflächen in der Küche werden auf Hochglanz poliert. "Wenn wir sehen, dass nicht mehr viel Essen bestellt wird, dann beginnt das Personal schon einmal zu putzen", erklärt Widmann. Denn es werden nicht nur die Küchengeräte gereinigt, sondern auch der Boden geschrubbt. "Ich bin seit 12 Uhr Mittag hier und habe sechs Tische bedient", sagt Gosia Giowacz in überraschend entspanntem Ton. Von Erschöpfung ist bei der Bedienung keine Spur. Denn: "Ich mache das gerne, weil man mit den Leuten auch Spaß hat." Gut gelaunt trägt sie die halbvollen Bierkrüge zurück zum Tresen. Dort ist Fließbandarbeit angesagt. Im Akkord wird aus den Krügen das restliche Bier weggeschüttet, anschließend werden sie auf ein Band gestellt. Danach durchlaufen sie eine Heißwasserdusche. Die dampfenden Krüge räumen drei Mitarbeiter in die Regale. Dort ruhen die 3500 Stück und warten auf ihren Einsatz am nächsten Tag.

Nachdem die Biertische abgeräumt sind, wischen die Bedienungen die Garnituren ab. Anschließend stellen sie die Bänke hoch. In gelassener Routine wird aufgeräumt und geputzt. "Gute Nacht, bis morgen", wünschen bereits einige Bedienungen ihren Kollegen. Das Sicherheitspersonal fordert freundlich die letzten verbliebenen Gäste auf, das Zelt zu verlassen. Um 23.57 Uhr ist es leer. Muri und seine Kollegen sind nun verantwortlich, keinen mehr in das Zelt zu lassen und die Zeltwände herunterzurollen und abzuschließen. Benötigen Festbesucher Hilfe, kümmert sich das Sicherheitspersonal um sie. Wenn nötig werden Sanitäter angefordert oder Freunde der Betrunkenen aufgefordert, deren Eltern anzurufen.

Im Festzelt zeigt sich eine regelrechte Verwüstung: Auf dem schmierigen und klebrigen Boden liegen Essensreste und zerbrochene Bierkrüge. Sogar einige Bierbänke konnten der tobenden Menge nicht standhalten. "Wir brauchen noch eine halbe Stunde und dann schließen wir das Zelt", erklärt Widmann. Ab 0.30 übernimmt die Nachtwache. Das Personal hat dann bis 9 Uhr Zeit den Boden zu reinigen und die zerbrochenen Bänke zu ersetzen.

Nach Mitternacht herrscht an den Bushaltestellen Hochbetrieb. Grölende Männer mobilisieren ihre letzten Energiereserven. Frauen geben ihren gequälten Füßen in den hochhackigen Schuhen endlich etwas Freiheit und laufen barfuß herum - bei den herumliegenden Glasscherben nicht ganz ungefährlich. Als die Busse eintreffen, drängt das Sicherheitspersonal die unberechenbare alkoholisierte Menge zurück. Am Eingang wird geschubst und gedrängelt, jeder will noch einen Platz in den letzten Bussen Richtung Schrobenhausen und Neuburg ergattern. Das Sicherheitspersonal muss für Ordnung sorgen. "Wir werden dort bei einem Freund weiterfeiern", sagt Max, der im Gegensatz zu seinen Freunden noch relativ nüchtern wirkt. Julia aus Neuburg fährt nach Hause und ruht sich für den nächsten Tag am Barthelmarkt aus. Sicherheitspersonal patrouilliert auf dem Festgelände und verweist die letzten Besucher vom Platz.

Das knallbunte Licht der Fahrgeschäfte ist erloschen. Nur noch ein paar Lichterketten an den Biergärten spenden etwas Helligkeit. Läuft man nachts um 1.30 Uhr über den leeren Barthelmarkt, hat es fast schon etwas Romantisches.