Altes Brauchtum wieder neu belebt

28.12.2008 | Stand 03.12.2020, 5:19 Uhr

Aus der weihnachtlichen Liturgie stammt das Weihnachtsblasen zum "Kindlwiegen" in der Moritzkirche. Mehrere Bläsergruppen beteiligten sich am Samstag bei der Wiederbelebung dieser alten Tradition. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Eine Jahrhunderte alte Ingolstädter Tradition ist am Samstag wieder belebt worden. Die Pfeifturmbläser spielten zum "Kindlwiegen" in St. Moritz. Dieses Konzert entstammt der weihnachtlichen Liturgie und soll künftig jedes Jahr gegeben werden.

Eine erwartungsvolle Stille herrschte am frühen Samstagabend in der weihnachtlich geschmückten Unteren Pfarr, als nach Jahrhunderten erstmals wieder ein Weihnachtsblasen zum "Kindlwiegen" aufgeführt wurde. Vor dem Altar der ältesten Ingolstädter Kirche hatten sich die Krautbuckelbläser, der Ingolstädter Bläserkreis und das Flötenensemble Aura dulcis versammelt. Die drei Musikgruppen wechselten sich untereinander ab und spielten Choräle, geistliche Musik und Instrumentalstücke passend zur Weihnachtszeit.

Die Besucher hörten eine ganze Reihe von bekannteren Stücken, beispielsweise "Es ist ein Ros’ entsprungen" oder "Kommet ihr Hirten", aber auch unbekanntere Kompositionen. Mit im Repertoire hatten die auf hohem musikalischem Niveau spielenden Bläser auch das "Ingolstädter Hirtenlied", das vor genau 250 Jahren erstmals gesungen wurde. Das Stück stammt aus dem Liederbuch einer Comtesse Reuß und wurde von Ernst Schusser vom Volksmusikarchiv Oberbayern wieder entdeckt. Nachdem Wastl Biswanger in den 90er Jahren schon eine Version für den Schanzer Viergsang geschrieben hatte, schuf Sepp Rubenberger jetzt einen Tonsatz für die Ingolstädter Pfeifturmbläser, der am Samstag gespielt wurde. Das Konzert soll nach Angaben von Gerd Huber vom Bläserkreis Ingolstadt künftig jedes Jahr zur Weihnachtszeit gegeben werden.

Wesentlich älter als das "Ingolstädter Hirtenlied" ist die Tradition des "Kindlwiegens". Die Figur eines Jesuskindes in der Krippe oder einer Wiege, wie sie vor allem in Frauenklöstern zur Weihnachtszeit aufgestellt und im so genannten Kindlwiegen verehrt wurde, gilt als Vorläuferin der Weihnachtskrippe. Die Forschung geht davon aus, dass dabei auch die verschiedensten Weihnachts- bzw. weihnachtlichen Wiegenlieder gesungen worden sind. Dieser Brauch war vor allem in Dominikanerinnenklöstern verbreitet und reicht zumindest ins 13. Jahrhundert zurück.

In Ingolstadt ist die Tradition des "Kindlwiegens" bis in das 16. Jahrhundert nachweisbar, geriet aber später in Vergessenheit. Der jeweilige Turmpfeifer im Pfeifturm war entsprechend einer Verordnung der Stadt verpflichtet, dabei mitzuwirken. In einer Urkunde aus dem Jahr 1586 beispielsweise ist festgehalten, dass er dafür extra entlohnt wurden.

Das "Kindlwiegen" ist in Resten noch im 19. Jahrhundert aus einigen österreichischen Pfarreien überliefert. Nach zeitgenössischen Schilderungen stellten die Gläubigen eine ganz kleine Wiege oder doch ein Wiegenkörblein her und legten ein Christkind hinein. An Weihnachten wurde dieses Christkind in seinem Bettchen unter den Kirchenbesuchern in den Bankreihen herumgegeben. Andere Quellen berichten davon, dass der Pfarrer das Jesuskind in der Wiege schaukelte.