Ingolstadt
Ruhe bewahren

Stadträte reagieren auf die Anklage gegen Alt-OB Alfred Lehmann besonnen - "Jetzt ist das Gericht am Zuge"

12.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr
Was ist dran an den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft gegen Altoberbürgermeister Alfred Lehmann? Diese Frage treibt derzeit die Stadträte in Ingolstadt um. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Es ist ein politischer Paukenschlag: Zum ersten Mal in Ingolstadt hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen früher hochrangigen Politiker erhoben. Man müsse abwarten, was von den Vorwürfen gegen Alt-OB Alfred Lehmann vor Gericht übrig bleibt, so der Tenor der Parteien im Stadtrat.

Wie berichtet, klagt die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Lehmann vor der großen Strafkammer am Landgericht wegen Bestechlichkeit und Untreue an. Das Gericht muss die Anklage noch zulassen.

"Wir warten ab, was in der Anklage steht", meinte gestern der amtierende CSU-Fraktionsvorsitzender Konrad Ettl. Er erinnerte an die Vorwürfe gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und, was am Ende davon übrig geblieben sei, und verwies auf das aktuelle Beispiel Regensburg, wo der Vorwurf der Bestechlichkeit in der Anklage gegen den dortigen OB Joachim Wolbergs nicht zugelassen wurde.

Über den Sachverhalt sei noch zu wenig bekannt, findet FW-Fraktionschef Peter Springl. Man habe ja in Regensburg gesehen, dass sich die Staatsanwaltschaft bei Gericht nicht mit allen Punkten durchsetzen konnte. Den Fall Lehmann jetzt zu bewerten, mache deshalb keinen Sinn. "Ich wünsche ihm, dass er sich gut verteidigen wird und, dass sich das alles nicht auf seine Gesundheit niederschlagen wird."

Auch die Opposition reagiert besonnen. "Wir müssen abwarten, wie das Landgericht auf die Anklageschrift reagiert und dann sehen, was beim Prozess herauskommt", meinte BGI-Fraktionsvorsitzender Christian Lange. Die Strafverfolgungsbehörde mache ihre Arbeit gut, "wie es weitergeht, entscheiden die Gerichte". Er werde die Entwicklung aber "aufmerksam verfolgen" und "die notwendigen Schlüsse ziehen". Jetzt sei aber die Justiz am Zuge.

Von einer "politisch belastenden Situation" sprach Grünen-Fraktionschefin Petra Kleine. Zumal sich das Verfahren einige Zeit hinziehen werde. Momentan gelte es, Ruhe zu bewahren. "Es ist gut, wenn die Vorwürfe geklärt werden."

"Das war zu erwarten", meinte SPD-Fraktionschef Achim Werner zu der Anklage. Für die juristische Aufarbeitung sei das Gericht zuständig, eine "politische Bewertung" gab er dennoch ab. Für ihn stellt sich die Frage: "Hat der OB private Geschäfte gemacht mit Leuten, die mit der Stadt oder einer ihrer Gesellschaften Geschäfte machen? Das geht nicht." Auch gehe es nicht, für einen Personaldienstleister tätig zu sein und der Stadt Arbeitskräfte dieses Dienstleisters anzubieten, "ohne zu sagen, dass man auf der Paywall steht". Auch der Fall Einbogenlohe muss laut Werner hinsichtlich der aktuellen Entwicklung noch einmal betrachtet werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Lehmann vor, zwischen 2010 und 2013 beim Verkauf des alten städtischen Krankenhauses und beim Verkauf eines Gebäudes auf dem Areal der früheren Pionierkaserne gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben. Im Gegenzug soll er Vergünstigungen beim Kauf von Wohnungen erhalten haben. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, drohen Lehmann auch disziplinarrechtliche Konsequenzen bis hin zur möglichen Aberkennung seines Ruhegehalts. Das Disziplinarverfahren, das die Landesanwaltschaft Bayern vor einem Jahr eingeleitet hat, bleibt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Sollten sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" mit der Aberkennung des Ruhegehalts zu rechnen wäre, würde die Landesanwaltschaft die Anordnung des teilweisen Einbehalts des Ruhegehalts auch im ausgesetzten Verfahrensstadium als vorläufige Maßnahme prüfen, meinte Oberlandesanwalt Jörg Spennemann gestern auf Anfrage.