Mutige Mitarbeiter retten Firma

15.06.2007 | Stand 03.12.2020, 6:41 Uhr

Juniorchefin Cordula Schulz und ihr Vater Jürgen führen das ehemalige Alcan-Werk in Roth in eine neue Zukunft. Hier steht auch die hochmoderne WetFlex-Maschine (Foto), mit der Folien mit einem neuartigen Verfahren bedruckt werden können. - Foto:

Hilpoltstein/Roth (HK) Lauter strahlende Gesichter waren am gestrigen Freitag beim Tag der offenen Tür der neuen Firma Schulz Constantin Druck in Roth zu sehen. Vor allem der Tatkraft der Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass die Firma am Standort Norisstraße 18 überhaupt noch existiert.

Seit Januar werden dort mit hochmodernen Maschinen Folien für die Lebensmittelbranche bedruckt. Der große Stolz des neuen Inhabers Jürgen Schulz aus Baden-Baden ist die Weltneuheit "WetFlex", eine riesige Maschine, die in einem speziellen Verfahren flexible Verpackungen wie zum Beispiel Tiefkühlbeutel oder Gummibärchentüten bedruckt.

Noch im vergangenen Jahr hatte es für die hoch spezialisierten Flexo-Drucker, die damals noch beim Konzern Alcan angestellt waren, schlecht ausgesehen. Alcan machte das Werk im November dicht, verlagerte die Maschinen nach Polen und wollte das 32 000 Quadratmeter Grundstück samt Gebäude verkaufen. Damals waren dort noch 66 Mitarbeiter beschäftigt.

18 von ihnen wollten sich das nicht gefallen lassen, sie nahmen selbst das Ruder in die Hand. Sie entschieden sich, mit ihrer Abfindung, die sie zwischenzeitlich auf ein Sperrkonto eingezahlt hatten, einen Teil des Gebäudes und des Geländes zu kaufen. Gleichzeitig streckte der damalige Betriebsrat Gerhard Jilg die Fühler aus. Er klapperte fünf bis sechs potenzielle Investoren ab, bis er bei Jürgen Schulz, einem Mittelständler aus Baden-Württemberg fündig wurde. Der ging das Risiko ein und investierte drei Millionen Euro in die Rother Niederlassung.

"Das qualifizierte Personal war der Hauptgrund", sagte der 60-jährige Firmenchef gestern. "Es gibt nicht so viele Flexodrucker auf der Welt." Zudem habe die Pharmaindustrie, für die die Schulz-Gruppe zum Beispiel Blisterverpackungen für Tabletten bedruckt, einen Back up-Standort gefordert, damit Schulz Druck eine höhere Liefersicherheit gewähren kann. "Wir haben damit unser Unternehmen auf mehrere Beine gestellt", sagte Jürgen Schulz, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner 32-jährigen Tochter Cordula leitet. Der erst zehn Monate alte Enkelsohn Constantin war übrigens der Namensgeber für die neue Niederlassung in Roth.

Die Schulz-Gruppe mit insgesamt rund 120 Mitarbeitern gehört in der Flexodruckbranche zu den führenden Betrieben und beliefert Unternehmen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark und den USA. Anlass für den Tag der offenen Tür verbunden mit einem Fest für 200 geladene Gäste war außerdem das 30-jährige Bestehen der Schulz-Gruppe.

"Sehr froh" über die Entwicklung in der Kreisstadt ist auch Roths Bürgermeister Richard Erdmann. "Es hat ja düster ausgesehen für den Betrieb". Von einstmals 410 Mitarbeitern am Standort Willi-Supf-Platz in der Innenstadt waren am Ende nur noch 66 in der Norisstraße übrig geblieben. "Es hieß ja, die machen dicht", erinnerte sich Erdmann. Er ist angetan davon, dass einige der Mitarbeiter aus dem gesamten Landkreis ihr Schicksal selbst in die Hand genommen haben. "Das Risiko ist belohnt worden." Darüber freut sich auch Landrat Herbert Eckstein. "Da wurde ein Stück Industriekultur erhalten."

Und auch für Zukunft "schaut es sehr gut aus", ist Gerhard Jilg überzeugt. Immerhin ist die Zahl der Mitarbeiter schon wieder auf 20 aufgestockt worden. "Wir sind stolz, dass wir es geschafft haben."

Die drei Maschinen der Firma Alcan, die nach Polen geschafft worden waren, sind laut Jilg nicht einmal zu einem Drittel ausgelastet. "Es gibt für Alcan keine Aufträge mehr, es fehlt einfach die Kundennähe", so Jilg. "Aber wir hatten ja immer davor gewarnt."