Thalmässing
Generalabrechnung mit der Moderne

Nadja Bennewitz erinnert bei Lesung zum Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 an Autorinnen

12.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:49 Uhr

Aus den Werken von Autorinnen, deren Bücher im Dritten Reich verbrannt worden sind, liest Nadja Bennewitz. - Foto: Unterburger

Thalmässing (ub) Zum fünften Mal hat in Thalmässing zum Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 eine Lesung stattgefunden, die von der Volkshochschule im Landkreis Roth in Zusammenarbeit mit der Gemeindebücherei St. Marien veranstaltet wurde. Im Mittelpunkt der Lesung standen deutsche Schriftstellerinnen, Lyrikerinnen, Essayistinnen, deren Bücher im Dritten Reich verbrannt wurden. Nationalsozialisten diffamierten diese Werke als "Asphaltliteratur".

Die Nürnberger Historikerin Nadja Bennewitz stellte eine Reihe von Schriftstellerinnen vor, die von den Machthabern des Nationalsozialismus verfolgt und zum Teil in Konzentrationslagern ermordet wurden. Nadja Bennewitz hat ein Magisterstudium der Neueren und Mittleren Geschichte und der italoromanischen Philologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg absolviert und arbeitet seit 2007 an der Uni Erlangen-Nürnberg.

VHS-Geschäftsleiter Arne Zielinski dankte der Gemeindebücherei für die Organisation der Lesungsreihe. Sein besonderer Dank galt der stellvertretenden Bürgermeisterin Ursula Klobe, die den Kontakt zu Nadja Bennewitz hergestellt hatte. Leider waren nur zwölf Zuhörer anwesend.

"Die Auswahl der verfolgten Autorinnen fiel mir nicht leicht", bekannte die Referentin einleitend, "diese Frauen hatten noch keine etablierten Vorbilder, in dem frauenfeindlichen Weltbild der Nazis kamen sie nicht vor." Ihre politischen Schriften und belletristischen Werke, die vom Typus der "Neuen Frau" handelten, sind als "Asphaltliteratur" diffamiert und verbrannt worden.

"Ich möchte den Blick auch auf die Täter richten", sagte Nadja Bennewitz, "das waren Studenten, Universitätsprofessoren, promovierte Germanisten, eine Elite aus der bürgerlichen Gesellschaft." Die Akteure der Bücherverbrennung hätten Anfang 1933 Sammellisten mit den Namen von rund 40 Autorinnen erstellt. Ihre Namen seien bei der Bücherverbrennung - im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen - nicht einmal genannt worden. In den Jahren 1935, 1936, 1938 und 1939 hätten die Nationalsozialisten weitere "schwarze Listen" erstellt, in denen "schädliches und unerwünschtes Volkstum" gebranntmarkt wurde. Bei der Aktion "Wider den undeutschen Geist" seien regimekritische Autorinnen verfolgt worden.

"Viele Schriftstellerinnen gingen ins Exil", berichtete Bennewitz, "das konnte nicht über den Verlust der Muttersprache hinwegtrösten". Heimweih, Zweifel am eigenen Selbst und materielle Not seien die Folgen gewesen. Nur wenigen sei es nach 1945 gelungen, an ihre frühere berufliche Karriere anzuknüpfen.

"Die Nazis vernichteten 1933 nur das, was ihnen schon lange vorher verhasst war", erklärte Nadja Bennewitz weiter. "Die Bücherverbrennung war eine Generalabrechnung mit der Moderne, mit der großstädtischen Intelligenz." Schon 1926 sei ein Gesetz "zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzliteratur" erlassen worden. Während Gertrud Bäumer (1873-1954) vehement für dieses Gesetz gestimmt habe, habe Kurt Tucholsky die Befürwortung von Zensur in der "Weltbühne" scharf kritisiert. Die Lage kritischer Autorinnen und Autoren sei schon vor 1933 sehr fragil gewesen.

Im Folgenden stellte Nadja Bennewitz eine Reihe verfemter Schriftstellerinnen vor. Sie nannte Adrienne Thomas (1887-1980), die sich 1938 für einen Krieg gegen Hitler ausgesprochen hatte und sich nur durch die Flucht in die USA retten konnte.

Ausführlich ging die Referentin auf Leben und Werk von sieben im Dritten Reich verfolgten deutschen Autorinnen ein: Mascha Kaleko (1907-1975), Irmgard Keun (1905-1982), Else Lasker-Schüler (1869-1945), Gertrud Kolmar (1894-1943), Anna Blos (1866-1933), Maria Leitner (1892-1941) und Anna Seghers (1900-1983). Sie zitierte kurze Textpassagen und Gedichte aus den Werken dieser Schriftstellerinnen und spielte bei einigen Autorinnen auch originale Audiostücke vor, so dass die Zuhörer auch einen Eindruck von der Stimme dieser Autorinnen bekamen.

"Durch die Verfolgung der regimekritischen Schriftstellerinnen ist viel gedanklicher Reichtum verloren gegangen", unterstrich Nadja Bennewitz in ihrem Resümee. "Im Exil konnten diese Autorinnen nicht auf ein Netz zurückgreifen, denn so ein Netz war nicht vorhanden." Die Schriftstellerinnen seien zu unbekannt gewesen und hätten keine starke Lobby gehabt. Die linke politische Einstellung dieser Schriftstellerinnen sei in den bürgerlichen Kreisen abgelehnt worden, und nach 1945 habe in der alten Bundesrepublik ein starker Antikommunismus vorgeherrscht. Viele Werke der im Dritten Reich verfemten Autorinnen seien aber in der DDR erschienen. Mit dem Fall der Mauer 1989 und der deutschen Wiedervereinigung sei es zu einer Wiederentdeckung dieser Schriftstellerinnen gekommen.

Am Ende der informativen Lesung lobte VHS-Geschäftsleiter Arne Zielinski den Vortrag von Nadja Bennewitz als "collagenartigen Parforce-Ritt durch die deutsche Literaturgeschichte". Das Publikum bestätigte durch herzlichen Beifall, dass es der Referentin gelungen war, einen fundierten Einblick in das Leben und Werk von kritischen deutschen Schriftstellerinnen in der Zeit des Nationalsozialismus zu geben. Die Werke der von den Nazis diffamierten Autorinnen besäßen noch heute eine faszinierende sprachliche Ausdruckskraft sowie einen hohen Aussagewert für die Geschichte von Frauen zwischen Widerstand und Verfolgung.