Thalmässing
"Die Jaguarmenschen suchen Thalmässing heim"

28.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:09 Uhr

Auf die Figur des Jaguarmenschen, dessen Körper noch Mensch ist, Krallen und Gesicht aber schon vom Jaguar stammen, lohnt sich ein extra Blick.

Thalmässing (HK) Nicht Exponate aus der näheren Heimat, sondern aus einer längst verloschenen Hochkultur, die Tausende von Kilometern entfernt ist, zeigt die neue Sonderausstellung im Vor- und Frühgeschichtlichen Museum in Thalmässing.

Die Tier- und Menschendarstellungen, die unter der Überschrift "Jaguarmenschen aus Costa Rica" gezeigt werden, sind dabei absolut sehenswert. Die ersten Besucher der Sonderausstellung zeigten sich am Eröffnungsabend auch dementsprechend begeistert von den Figuren, die auch nach 1000 Jahren ihre Faszination nicht verloren haben.


Heute weiß man das Können der Künstler aus längst vergangenen Zeiten wieder zu schätzen, vor gut 100 Jahren sah das allerdings oft noch ganz anders aus. Die ironischen Anmerkungen von Konrad Hörmann, einst Kustor der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg (NHG), legen davon ein deutliches Zeugnis ab. "Knieende nackte Dame, sehr fleischig, wohl Privatiers- oder Kaufmannsgattin" beschrieb er eine der weiblichen Figuren, die der NHG von Felix Wiss aus Nürnberg, Anfang der 20. Jahrhunderts Vizekonsul in Costa Rica, geschenkt worden war. Rund 1100 Gegenstände, zwischen 500 und 1200 Jahre alt, hatte der Vizekonsul der NHG in Kisten verpackt geschickt. Die hat ihn für dieses Geschenk zu ihrem Ehrenmitglied ernannt. Einen kleinen Teil dieser Sammlung zeigt die NHG, die über eine der größten und umfangreichsten Sammlungen zur Kultur der Indianer Costa Ricas in vorkolumbianischer Zeit verfügt, bis Oktober im Thalmässinger Museum.

Ins geschichtliche und geografische Umfeld stellten diese Figuren in einem informativen und unterhaltsamen Vortrag Hansjörg Widler und Werner Feist von der NHG, Abteilung für Völkerkunde. Während Künstler in Europa erst vor rund 150 Jahren begannen, sich von der naturgetreuen Wiedergabe zur abstrakten Darstellung weiterzuentwickeln, abstrahierten die Künstler Costa Ricas schon vor mehr als 1000 Jahren. Das Ergebnis sind sehr ausdrucksstarke, oft grobe Tier- und Menschendarstellungen oder in anderen Regionen des Landes bunt bemalte Figuren mit exakten geometrischen Verzierungen.

Die prachtvoll verzierten Gefäße erzählen Geschichten, zum Beispiel die vom Jaguar, der am Abend die Sonne frisst, durch das Tor der Unterwelt schreitet, an Ungeheuern vorbeizieht und im Osten schließlich die Sonne wieder ausspuckt. Solche Gefäße, die die Beziehung zur Unterwelt zum Thema hatten, wurden vorwiegend in Gräbern reicher Leute gefunden.

Besonders beeindruckend auch die Figur eines Jaguarmenschen, der die Verwandlung eines Schamanen in das mächtige Tier versinnbildlicht. Mit halluzinogenen Pflanzen, Koka oder Tabak versetzten sich die Schamanen in Trance. Ihre Helfer waren außergewöhnliche Menschen – Zwergwüchsige, Menschen mit Buckel oder Wasserköpfen oder Hermaphroditen, die als Medium hoch verehrt wurden. Sie halfen den Schamamen, ins Geisterreich einzudringen. Die Indianer glaubten auch daran, dass gleichzeitig mit einem Kind im Wald sein Doppelgänger, sein Nagual, geboren wird. Je nachdem welches Tier das ist, haben die Kinder verschiedene Eigenschaften wie die Schnelligkeit des Berglöwen oder die Behäbigkeit des Krokodils. "Die Jaguarmenschen suchen Thalmässing heim", scherzte Landrat Herbert Eckstein bei der Eröffnung der Ausstellung. Dass solche Sonderausstellungen und verschiedene Aktionen für das Museum wichtig sind, weiß er. Da er sich aber auch sicher ist, dass so ein Museum ab und zu neue Impulse braucht, ging er auf die geplante Erweiterung und Umgestaltung der Landkreiseinrichtung ein. "Wir werden das Museum aufpäppeln", versprach er.

Bei der kleinen Eröffnungsfeier im benachbarten Gasthaus, die von Heiner Maurer mit Musikschülern musikalisch umrahmt wurde, freute sich der Landrat über das Engagement des Museumsstammtisches und die gute Zusammenarbeit mit der NHG in den vergangenen Jahrzehnten.