Thalmässing
Der Wald ist das beste Spielzimmer

Seit Mai trägt der Kindergarten Regenbogen den Zusatz "Natur" im Namen Regelmäßig verbringen Gruppen Zeit draußen

30.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:08 Uhr

Foto: DK

Thalmässing (HK) Nora und Emily wirbeln durchs Laub, Dominik beobachtet Kellerasseln unter der Lupe und Jonas erkundet die "Räuberhöhle". Seit Mai nennt sich die Einrichtung "Naturkindergarten Regenbogen" und setzt das Projekt konzeptionell um. Ein Besuch im Spielzimmer ohne Wände.

Gummistiefel, Matschhosen, Mützen, warme Jacken und Handschuhe - die Kleidung, die die Kinder der Bärengruppe tragen, verrät es schon: Heute verbringen sie den Vormittag draußen. Bevor es aber in den Wald geht, treffen sie sich zur Begrüßungsrunde in der überdachten "Spielhalle". Hier haben die Kinder auch die Fundstücke von ihren Streifzügen durch die Natur gelagert. Tannenzapfen, Schneckenhäuser und Eicheln. Oft haben die Mitbringsel Auswirkung auf die Themen im Kindergarten. "Aus den Hagebutten haben wir Tee und Marmelade gemacht", erklärt Leiterin Sabine Ronge und das abgenagte Stück Holz war der Anlass, den Biber zum Thema zu machen.

In der Geschichte, die Erzieherin Andrea Hauke zu Beginn vorliest, spielen zwei andere Tiere die Hauptrolle: Eichhörnchen und Weberknecht. Letzteren findet Jonas, noch bevor die Gruppe startet, an der Wand des Kindergartens. Vorsichtig setzt er ihn in eine Becherlupe, um ihn zu beobachten.

Hand in Hand geht es in den Wald Richtung Ohlangen, oder wie die Kinder sagen "zur Räuberhöhle". Immer wieder wird kurz angehalten: Am Bach etwa sollen die Kinder die Augen schließen und die Ohren Spitzen: "Welches Geräusch macht das Wasser", will Andrea Hauke wissen. "Es planscht", überlegt Franziska, "oder flüstert" und Hauke fügt noch "plätschert und gluckert" hinzu. Ab dem "Kletterbaum" dürfen die Kinder dann frei umherlaufen und ihrem noch im Kindergarten für heute geäußerten Wunsch nachkommen: "Rennen!"

Seit Mai nennt sich die Einrichtung "Naturkindergarten Regenbogen", im Wald unterwegs sind die Erzieher mit den Mädchen und Buben aber schon viel länger. "Seit März 2015 veranstalten wir Waldtage", sagt Andrea Hauke. Bevor man sich im Mai umbenannte, gab es ein Jahr Probezeit, erklärt Sabine Ronge. "Einige Eltern waren zunächst sehr skeptisch". Die Umfrage nach zwölf Monaten zeigte dann ein anderes Bild "Unbedingt behalten", war der Tenor. "Sie sehen, dass die Kinder müde, aber glücklich nach Hause kommen", sagt Ronge. In der Achtsamkeit, Wahrnehmung und im motorischen Bereich hätten die kleinen Waldgänger große Fortschritte gemacht. Das kann auch Doris Ziegler bestätigen: "Die Kinder bekommen mehr Ausdauer und es ist auch sehr gut für die Grobmotorik", manchen Kindern fehle die Bewegung in der Freizeit. Auffallend ist auch die soziale Komponente: Die Größeren nehmen die Kleineren nicht nur auf dem Hinweg an die Hand, auch sonst mischen sich beim Spielen die Grüppchen immer wieder neu. Außerdem müssen sie sich absprechen, etwa in der Höhle, wo jeder einmal die Taschenlampe übernehmen will.

Während die größeren Jungs das Seil am Hang an einem Baum festmachen, befestigt Hauke eine Hängematte, die als Waldschaukel dient. Jan macht es sich darin bequem, Nora und Emily kugeln sich durch das Laub den Hang hinab. Mit der Hilfe von Doris Ziegler sägt sich Resi einen Ast zurecht. Alle Utensilien und Werkzeuge, die man dafür braucht, hat Andrea Hauke in ihrem großen Wanderrucksack mit in den Wald geschleppt. Darin befinden sich auch die Sitzunterlagen, die auf dem "Waldsofa" ausgebreitet werden und der mit Wasser gefüllte Sack, den die Kinder "Wasserbaby" getauft haben. Er wird so befestigt, dass man sich vor dem Essen die Hände waschen kann.

Doch an eine Brotzeit denken die meisten Kinder noch nicht: Jonas und Maria machen sich mit einer Taschenlampe auf in die "Räuberhöhle". "Wir haben schon viel dort gefunden", sagt der Junge, "einen zerrissenen Brief, ein zerbrochener Tisch und hinter der Tür eine abgelegte Schlangenhaut." Sonst stehe die Höhle leer, meint Maria, "Räuber Hotzenplotz ist ausgezogen, dafür gibt es viele fette Spinnen." Tatsächlich - einige hängen von der Decke, andere sitzen an der Wand. An dieser findet Jonas Buchstaben und versucht, sie zu entziffern. Er erkennt ein "A" und ein "E", leider will sich daraus kein Sinn ergeben.

Also geht es wieder nach draußen. Jonas lässt seinen Weberknecht frei und macht sich auf die Suche nach neuen Tieren, die er beobachten kann. Auch Nora und Emely haben sich ihre großen Lupen geschnappt und untersuchen den Waldboden. Dass dabei etwas Erde auf den Hosen - und manchmal auch im Gesicht - landet, ist kein Problem. "Manche Eltern waren zu Beginn etwas reserviert", erinnert sich Doris Ziegler, das habe sich aber schnell gegeben, "nachdem die Kinder zu Hause begeistert von den Waldtagen erzählt haben". Eine Woche vorher wird im Kindergarten ein Zettel aufgehängt, auf dem steht, welche Gruppe bald draußen rumtollen darf. "Die Eltern können auch entscheiden, ob ihr Kind dableibt, beispielsweise wenn es gerade erst erkältet war." Nicht nur bei den Felsenkellern sind die Kinder unterwegs, sondern auch bei den Trockenrasen am Waldrand auf dem Espan oder an der Leiten. Beliebt ist auch das Damwildgehege Richtung Ohlangen. Auch bei schlechtem Wetter geht es nach draußen, dann wird das Programm angepasst. "Wenn es im Winter sehr kalt ist gehen wir später los, oder früher heim, wenn wir merken, dass die Kinder durchnässt sind", sagt Doris Ziegler.

Dann erklingt die Mundharmonika - das Zeichen für die Kinder, zusammenzukommen. Auf dem Waldsofa beißen sie noch einmal in ihr Brot oder trinken einen Schluck. Dominik und Jonas haben in der Becherlupe kleine Krabbler eingefangen. Da der Blick ins Buch nicht weiterhilft, schauen sich alle die Tiere an und überlegen, was sie sein könnten. Sie leben nicht nur im Wald, "sondern auch im Keller unter den Kartoffeln", sagt Doris Ziegler, "nur sind diese hier etwas kleiner." Da fällt der Groschen: "Kellerasseln", sagen die Kinder plötzlich.

Auf dem Heimweg suchen die kleinen Waldforscher nach Moos, das sie in ihre Krippen legen wollen. Müde ist übrigens noch keiner: Mit viel Lachen und Kreischen geht es die Schlittenbahn Richtung Sportplatz hinab - jeder so schnell, wie er kann.