Schwabach
Schlägerei mit Nachspiel vor Gericht

180-Grad-Wende während der Verhandlung: Angeklagte geben Attacke erst nach langem Zögern zu

03.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Schwabach (mmr) Drei Angeklagte, drei Unschuldige. Diesen Eindruck konnte man bei einer Gerichtsverhandlung gestern vor dem Schwabacher Amtsgericht gewinnen.

Ein 20-Jähriger aus Roth, sein gleichaltriger Freund aus Allersberg sowie dessen sieben Jahre älterer Bruder stritten ab, am zweiten Weihnachtsfeiertag 2013 einen Mann erst zusammengeschlagen und dann noch nachgetreten zu haben, als das Opfer schon am Boden lag. Im Juristenjargon heißt das „gefährliche Körperverletzung“ und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden.

Detlef Stadler, der Verteidiger des 20-jährigen Allersbergers, redete sich gleich zu Beginn der Schöffensitzung in Rage. Sein Mandant sei unschuldig. Nichts habe er mit dieser Schlägerei vor der Nürnberger Disco „Nachtschicht“ zu tun. Vielmehr seien andere die Täter, darunter ein bekannter Profifußballer, behauptete Stadler.

Die Unschuld seines Mandanten könne er mit einem heimlich aufgenommenen Gespräch beweisen. Ein unbekannter Dritter habe seinen Mandanten angesprochen und wiederum behauptet, der Fußballer hätte ihn zu einer Falschaussage anstiften wollen. Ein Gespräch, das sein Mandant mit dem Handy aufzeichnete. Geld sei geflossen, „um Zeugenaussagen zu manipulieren“, sagte Detlef Stadler. Man müsse sofort eine Hausdurchsuchung bei dem Fußballer anordnen, um Beweise zu sichern.

Den angeblichen Zeugen konnte der Anwalt hingegen nicht präsentieren, der habe „die Lunte gerochen“ und sei abgetaucht, meinte Stadler. Das mit dem Handy aufgezeichnete Gespräch sei nun das einzige Beweismittel, das seinem Mandanten zur Verfügung stehe, deshalb wolle er es dem Gericht vorspielen.

Unglücklich nur, dass ein heimlich aufgenommenes Gespräch eine Straftat darstellt und gar nicht vor Gericht verwertet werden kann: „Ich darf mir das nicht einmal anhören“, erklärte Richter Reinhard Hader, „sonst würde ich mich selbst strafbar machen“. Zudem klangen Hader die Ausführungen des Anwalts „sehr nach Verschwörungstheorie“.

Der Profifußballer selbst war zwar ebenfalls als Zeuge geladen, aber nicht erschienen. Er hatte ein ärztliches Attest vorgelegt, genauso wie vier weitere Zeugen. Auch das Opfer blieb gestern dem Gericht fern. Der Mann, der vor der Disco zusammengeschlagen worden war, lebt in den USA und hatte auf die Vorladung des Schwabacher Gerichts nicht einmal reagiert.

Der Schlägerei vor der „Nachtschicht“ war allem Anschein nach ein Besäufnis in der Disco vorausgegangen. Die jungen Männer hatten dort eine Dreiliterflasche hochprozentigen Wodka geordert. Schon in der Disco muss es Streit gegeben haben, der später auf der Straße explodierte. Mehrere Dutzend Menschen waren wohl in die Schlägerei verwickelt. Die „Nachtschicht“-Security rief schließlich die Polizei.

Der Anwalt des 20-jährigen Rothers schlug im Laufe der Verhandlung vor, doch hinter den Kulissen ein sogenanntes Rechtsgespräch zu führen. Der Richter, die beiden Schöffen, die drei Anwälte und der Staatsanwalt zogen sich fast eine Stunde in einen Nebenraum zurück. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde, in der die Anwälte wiederum vertraulich mit ihren Mandanten redeten, kam die Wende im Prozess: Die Angeklagten ließen über ihre Anwälte mitteilen, dass sie den tätlichen Angriff gestehen wollten. Dank dieses klassischen Deals kamen die Drei mit einem blauen Auge davon: der Allersberger mit neun Monaten Gefängnis auf Bewährung, genauso wie sein 27-jähriger Bruder. Eineinhalb Jahre auf Bewährung kassierte ihr 20-jähriger Freund aus Roth, da er mehrfach einschlägig vorbestraft ist und schon im Jugendarrest gesessen hat. Zudem müssen alle drei Angeklagten jeweils 1500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung bezahlen.

Der Richter machte den jungen Männern klar, dass seiner Meinung nach kein Zweifel an der Richtigkeit des Urteils besteht. Er gab ihnen mit auf den Weg: „Ich hoffe für euch, dass wir uns hier drinnen nicht mehr sehen. Tschüss dann.“