Roth
Von den perfekten griechischen Russen

Wladimir Kaminer zeichnet ein differenziertes Bild von sich und seinen Landsleuten

19.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:28 Uhr

Mal humorvoll, mal mit einem ernsten Blick auf die russische Politik und die Europäische Union: Wladimir Kaminer. - Foto: Unterburger

Roth (HK) Eigentlich sollte er sein neues Buch "Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger" vorstellen. Das tat er auch, schweifte aber immer wieder ab. "Privat ein Russe, beruflich ein deutscher Schriftsteller, bin ich die meiste Zeit unterwegs", sagt der 1967 in Moskau geborene Wladimir Kaminer. Nun gastierte der Bestsellerautor, Radiomoderator und Kolumnist erstmals in der Rother Kulturfabrik. Humorvoll, zeitkritisch und mit russischem Akzent brachte er das Publikum zum Lachen.

Wladimir Kaminer las Geschichten aus anderen Büchern vor, kritisierte russische Politiker - allen voran natürlich Präsident Wladimir Putin - und machte sich auf witzige Weise Gedanken über die politische Situation in seiner ehemaligen russischen Heimat. "Die Russen sind in Ordnung", sagte er, "sie haben bloß Probleme mit der politischen Führung."

"Mein Verlag findet es super, dass ich Bücher über meine Familie schreibe", erzählte Kaminer. Jetzt schreibe er ein Buch über seine Frau, das den Titel "Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß", tragen wird. Danach will er ein Buch über Kreuzfahrten schreiben. Er war nämlich mit seiner Frau auf dem Urlauberschiff Aida. Für zwei Wochen musste er zahlreiche Lesungen auf dem Schiff halten. "Die Lesungen auf der Aida sind irgendwann vorbei, doch die Zuhörer bleiben dir erhalten", stöhnte er.

Zum Schreien komisch war die Geschichte "Die neuen Götter kommen", die aus dem geplanten Kreuzfahrtschiff-Buch stammt. Die Touristen fahren darin von Mallorca nach Griechenland. "Die Griechen sind wie die Russen, nämliche keine Arbeitstiere", lästerte Kaminer. "Sie sonnen sich, als gäbe es nichts zu tun." Ein Sirtaki tanzender Mann entpuppte sich als Russe, der Pelze an Touristen verscherbelt und die angeblichen Griechen schimpfen in perfektem Russisch auf die faulen Griechen. Witzig auch seine frei erzählte Geschichte, dass er seinem Sohn beim Lernen für das Abitur helfen wollte. Er hat für ihn eine Arbeit über Gerhard Hauptmann geschrieben, doch dafür nur die Note 4 plus bekommen. "Du kannst es besser", hat der Lehrer darunter geschrieben.

Und eigentlich will er schon die ganze Zeit ein Buch über die Flüchtlinge schreiben, "doch da laufen sie mir alle weg", sagte er. Als er ein Flüchtlingskind fragte: "Junge, wo kommst du her", antwortete es: "Aus der Turnhalle."

Erst jetzt kam Kaminer auf sein neues Buch "Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger" zu sprechen. Trotz ihrer 85 Jahre sei seine Mutter noch sehr agil. Sie erkundet munter die Welt und erlebt dank ihrer unersättlichen Neugier mehr Abenteuer als alle anderen Familienmitglieder zusammen. Seit Jahren lernt seine Mutter Englisch bei der VHS. Der Grund dafür ist ihre Verehrung von John F. Kennedy. Wie gut sie die Sprache beherrscht, ist unerheblich und ihre erste Reise nach Großbritannien fiel dank Einreiseproblemen ins Wasser.

In seinem Buch "Mein Leben im Schrebergarten" hat er sich lustig gemacht über die Vorliebe der Deutschen für Rhabarber. "Kaum war das Buch heraus, habe ich aus ganz Deutschland Rhabarberkonfitüre zugeschickt bekommen", sagte er. Die finnische Präsidentin habe haufenweise Wollsocken mit Mutmachersprüchen zugeschickt bekommen. "Da sagte ich: Tauschen wir doch Socken gegen Rhabarber!" Und so ist es geschehen.

Es geht eben nicht über ein gutes Miteinander. Und Kaminer wünscht sich schließlich nur noch eins: "Stoßen wir an auf ein solidarisches Europa mit Russland als Freund!"