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"In der ersten Amtszeit ist man halt der Azubi"

25.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Für den Landkreis Roth im Bayerischen Landtag: Stolz zeigt Volker Bauer (CSU) in der konstituierenden Sitzung im Oktober 2013 seine Stimmkarten. In der ersten Hälfte seiner Amtszeit hat der heute 45-Jährige aus Kammerstein vor allem eines gelernt: "Man muss erkennen, dass man als Abgeordneter das Rad nicht neu erfinden kann." ‹ŒArch - foto: Münch

Roth (DK) Die erste Hälfte seiner Amtszeit ist vorbei: 30 Monate nach seiner Wahl zum Abgeordneten des Stimmkreises Roth im Bayerischen Landtag zieht Volker Bauer (CSU) eine Zwischenbilanz. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Kammersteiner über seine Anfangszeit im Maximilianeum, über seine Ziele bis zur nächsten Wahl im Herbst 2018 und über die syrischen Flüchtlinge, die in einer Wohnung in seinem Elternhaus leben.

Herr Bauer, was ist Ihre größte Erkenntnis aus der ersten Hälfte Ihrer Amtszeit im Landtag?

Volker Bauer: Man muss erkennen, dass man als Abgeordneter das Rad nicht neu erfinden kann. Aber man kann einen guten Beitrag dafür leisten, dass es im Freistaat Bayern vernünftig weiterläuft.

 

Was war in den letzten zweieinhalb Jahren Ihr persönlich schönster Moment, damit es in Bayern gut weitergeht?

Bauer: Dass ich in einer Woche mal drei Anträge durchgebracht habe. Da gehöre ich zu den wenigen Abgeordneten, die das geschafft haben. Das hat beflügelt, das macht wieder neue Motivation und das tut auch gut.

 

Was waren das für drei Anträge?

Bauer: Da handelt es sich um Prüfanträge aus den Bereichen öffentlicher Dienst, Umweltpolitik und Energiepolitik. Auf meinen Antrag hin wird zurzeit geprüft, die bayerischen Polizeiinspektionen vermehrt mit Drohnen auszustatten. Der Stein des Anstoßes sind hier die unwaidmännischen Vorkommnisse im Revier Alfershausen gewesen. Außerdem konnte ich erreichen, dass geprüft wird, wie die Hochwasser- und Grundwasserschutzfunktion des Waldes verbessert werden kann. Der dritte Antrag verlangt die Prüfung, in welchem Umfang Flächen an Autobahnauffahrten für den Anbau sogenannter Kurzumtriebskulturen wie zum Beispiel Pappeln genutzt werden können.

 

Drei Anträge in einer Woche durchbringen: Braucht man so etwas, um als Neuling im Maximilianeum besser wahrgenommen zu werden?

Bauer: Naja, ich habe ja schon deutlich mehr als drei Anträge geschrieben. Da bekommt man im Vorfeld immer wieder schon gesagt, dass es aus diesem oder jenem Grund nicht funktioniert. Aber die Wahrnehmung steigt natürlich, weil diese Anträge von verschiedenen Ausschüssen gesehen werden. Da wird einem hin und wieder auf die Schulter geklopft, aber es wird einem auch gesagt, wenn man was auf den Weg bringt, das aus der Erfahrung der älteren Kollegen vielleicht nicht so sinnvoll ist.

 

Einer der besonders erfahrenen Abgeordneten im Landtag war Ihr Vorgänger Manfred Weiß. Von ihm hatten Sie sich bei der Podiumsdiskussion unserer Zeitung im Wahlkampf gewünscht, dass er Ihnen sein "goldenes Adressbuch" überlässt. Haben Sie dieses Adressbuch inzwischen bekommen oder warten Sie noch darauf?

Bauer: Manfred Weiß hat, das muss man echt sagen, in München einen sehr guten Namen, was man im Landkreis Roth wahrscheinlich gar nicht so geschätzt hat. Er war eine Institution, er hat gewusst, wie er es macht - und er hat es sehr, sehr geschickt gemacht. So hat man den Mehrwert von Manfred Weiß für den Landkreis Roth gar nicht so wahrgenommen, wie er tatsächlich war.

 

Aber zurück zur Frage: Hat es in der Zwischenzeit schon eine Übergabe des "goldenen Adressbuchs" gegeben?

Bauer: Doch, hat es, intuitiv.

 

Intuitiv? Wie geht denn so was?

Bauer: Das mit dem goldenen Adressbuch muss man etwas breiter sehen. Manfred Weiß hat mir Ratschläge für die Herangehensweise an die politische Arbeit gegeben, die viel wert waren. Und er hat mir natürlich auch Leute genannt in der Fraktion und den Ministerien, die für das eine oder andere Thema offen oder auch dankbar sind.

 

Hat Manfred Weiß Ihnen auch Ratschläge gegeben, wie man eine Anerkennung für die politische Arbeit daheim im Landkreis Roth bekommt?

Bauer: Also ein Gradmesser der Anerkennung ist für mich, dass die Einladungen zunehmen und dass die Bürger- und Verbandsanliegen größer werden. Als junger Abgeordneter muss man sich natürlich erst das Vertrauen und die Anerkennung der Menschen erarbeiten. Aber das ist eben ein Wachstumsprozess, den man pflegen muss.

 

Was entgegnen Sie denen, die behaupten, dass Sie in München noch ein politisches Leichtgewicht wären und im Landtag nicht viel zu sagen hätten?

Bauer: Da geht es mir doch nicht anders als jedem, der dort anfängt. Deshalb habe ich mit so etwas auch kein Problem. In der ersten Periode ist man im Landtag halt der Azubi und muss sich erst mit Fleiß seine Sporen verdienen. Aber im Laufe der Zeit bekommt man ein Gespür dafür, wo man etwas bewegen kann und wo die Ministerien vielleicht etwas beharrlicher sind.

 

In Ihrer Halbzeitbilanz für das CSU-Magazin "Herzflimmern" schreiben Sie, dass Sie sich aktuell nicht sicher sind, ob Sie Ihr Wahlergebnis aus dem Jahr 2013 mit 42 Prozent wiederholen könnten. Sind das Selbstzweifel oder woher kommt dieser Pessimismus?

Bauer: Das liegt am Thema Asylpolitik und dem Erstarken einer Partei, die in den Umfragenwerten von unzufriedenen Bürgern nach oben geschoben wird, aus deren Sicht es eine lasche Position der CSU gibt. Wobei wir sagen können, dass wir beim Thema Zuwanderung eine handfeste Politik mit klarer Kante machen. Aber manchen ist das immer noch zu wenig. Auch bei mir im Kreisverband gibt es Stimmen, dass die CSU beim Thema Zuwanderungsbegrenzung noch engagierter sein müsste. Da gibt es für mich eine sehr große Spannweite zwischen einem linken, kirchlichen Flügel und einem rechten, konservativen Flügel in der CSU. Hier zu moderieren, ist manchmal nicht vergnügungssteuerpflichtig.

 

Apropos Asylpolitik: Uns hat sich in den vergangenen Monaten der Eindruck aufgedrängt, dass Sie sich bei diesem Thema sehr zurückgehalten und möglichst herausgehalten hätten.

Bauer: Also es gab ein paar Veranstaltungen zu dem Thema, zu denen ich gerne hingegangen bin. Wenn man aber will, dass der Abgeordnete bei solchen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann, dann muss man diese Termine eben auf den Dienstag, Mittwoch, Donnerstag legen. Dafür war ich dann in München bei einigen innerparteilichen Diskussionen dabei.

 

Aber innerparteiliche Diskussionen sind das Eine, auf der anderen Seite gab es doch auch im Landkreis Roth genügend Anlässe, um sich zu zeigen. In der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZAE) in Roth zum Beispiel haben sich sogar die beiden Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt und Marlene Mortler umgesehen, aber von Volker Bauer war da keine Spur.

Bauer: An dem Tag mit Gerda Hasselfeldt, da gab es vorher einen Termin bei Leoni, da war ich noch dabei. Aber ich war schon drei Mal in der ZAE, ein viertes Mal wäre für mich politisches Schaulaufen gewesen. Jetzt ist bei diesem Thema zum Glück der Druck ein bisschen aus dem Kessel und es wird auch bei der Bevölkerung wieder ruhiger. Davor haben wir viele böse Mails und Anrufe bekommen von Leuten, die in ihrem Behaglichkeitsempfinden gestört waren.

 

Und wie stehen Sie persönlich zum Thema Asylpolitik? Sind Sie hier eher bei Bundeskanzlerin Angela Merkel oder bei Ihrem Parteichef Horst Seehofer?

Bauer: Da bin ich schon bei unserem Ministerpräsidenten. Und die Begründung ist die, dass wir selber drei Syrer zuhause haben.

 

Bei Ihnen in Kammerstein wohnen drei Syrer?

Bauer: Die haben wir letztes Jahr aufgenommen, als es darum ging, Flüchtlinge bei uns in der Gemeinde Kammerstein zu verteilen. Meine alte Wohnung bei meinen Eltern im ersten Stock war leer und da habe ich zu meinen Eltern gesagt: Da können wir doch aufnehmen. Und da haben wir dann eine entsprechende Zuteilung vom Landratsamt bekommen.

 

Und welche Erfahrungen haben Sie mit den Syrern in Ihrem Elternhaus gemacht?

Bauer: Also einer der drei kommt wirklich aus Aleppo, und da macht es auch absolut Sinn, dass er da ist. Die anderen beiden kommen dagegen aus Dörfern, wo ich mir jetzt nicht so sicher wäre, ob da wirklich der IS oder kriegerische Handlungen präsent sind. Wenn man sich mit ihnen unterhält, wird ungeachtet der Frage, ob sie asylberechtigt sind oder nicht, aber deutlich: die sind nicht faul. Die wollen anpacken und Geld verdienen. Wenn wir es schaffen, diejenigen Syrer zu integrieren, die durch die politischen Entscheidungen der letzten Monate hier sind und Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, wäre allen schon viel geholfen.

 

Und wie gelingt diese Integration aus Ihrer Sicht?

Bauer: Ich komme gerade von einem Unternehmensbesuch. Da habe ich gehört, die Firma hat Leute aus dem Ostblock da und die sind auch auf dem Arbeitsmarkt gut verwendbar. Aber mit den Menschen aus arabischen Ländern hat die Firma immer wieder Probleme. Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann, aber das höre ich oft. Die Herausforderung, die Araber zu integrieren, wird wohl etwas länger dauern, befürchte ich. Das sagen mir so auch die Helferkreise im Landkreis Roth. 10 oder 20 Prozent derer, die da sind, kann man vernünftig und zeitnah in den Arbeitsmarkt integrieren. Bei den anderen ist damit ein höherer Aufwand verbunden.

 

Die Flüchtlingsfrage spaltet derzeit auch die Union. Erst kürzlich hat Markus Söder gesagt, die CSU und die CDU seien weiter voneinander entfernt als vor 40 Jahren, als es den Trennungsbeschluss von Wildbad Kreuth gab. Wie sehen Sie diese Entfremdung der Schwesterparteien?

Bauer: Das sind natürlich Drohgebärden, aber der Eine braucht den Anderen. Das ist eine Symbiose, auch wenn es derzeit Diskussionen gibt. Wir als CSU wollen ja in Deutschland etwas bewegen, und die CDU braucht auch die Bayern. Deshalb denkt auch niemand an eine Trennung. Nach dem Beschluss von 1976 in Wildbad Kreuth hat man ja schnell gesehen, dass das nicht unbedingt geistreich war. Ich denke aber, dass auch eine Bundeskanzlerin irgendwann erkennen muss, dass sie beim Thema Asyl ein bisschen zurückrudern muss in ihrer Position.

 

Kommen wir von der Bundespolitik nochmals zurück zur Politik für den Landkreis Roth. Was sehen Sie zur Hälfte der Amtszeit als Ihre größte Errungenschaft bis jetzt für den Landkreis?

Bauer: Ich war ein Entscheidungsfragment beim DSL-Ausbau. Da gibt es zwölf Millionen Euro für den Landkreis Roth. Und da haben wir seit Jahren politisch darauf hingewirkt.

 

Hat der Landkreis Roth hier vergleichsweise mehr bekommen als andere?

Bauer: Nein, das war nach einem entsprechenden Verteilungsschlüssel. Der große Erfolg sind die bis zu 1,5 Milliarden Euro Förderung, die bayernweit ausgeschüttet werden.

 

Und was zählen Sie noch zu Ihren Erfolgen?

Bauer: Ich hoffe und gehe davon aus, dass wir die B 131 neu jetzt weghaben. Indem wir eine Untergliederung bekommen für die Planung von der B13 bis zur B2 und das Planungsrecht für die B 131 n rausbekommen, was uns der Innenminister auch zugesichert hat. Da habe ich mitgeschoben in vielen Gesprächen, auch bei der Stromtrasse. Da gehe ich davon aus, dass die jetzt über Erdverkabelung an der Regensburger Autobahn entlanggeht. Ob das jetzt mein konkretes Verdienst ist? Ich möchte mir das nicht allein auf die Fahnen schreiben, man ist ja immer nur Fragment.

 

Ist das eine Ihrer Lektionen aus den ersten Jahren im Landtag, dass man als einzelner Abgeordneter kaum Gestaltungsmöglichkeiten hat?

Bauer: Doch, das hat man schon, aber nur im Verband mit Abgeordnetenkollegen. Das Zauberwort heißt hier Netzwerken. Nehmen wir das Beispiel der Versetzungsgesuche von Beamten. Hier gilt nicht das Prinzip: Wer den Kultusminister am besten kennt, wird zuerst versetzt. Sondern es gelten Kriterienkataloge. Aber man kann ab und an schon etwas erreichen und Lehrer in den Landkreis heimholen, wenn die jeweiligen Faktoren eine Ermessensentscheidung zulassen. Dann weiß ich auch, an welche Türen ich zu klopfen habe.

 

Gibt es noch weitere solcher Erfolgserlebnisse für Sie?

Bauer: Ja, wenn man zum Beispiel einen Biobauernhof im Landkreis retten kann, indem man um kreative Einzellösungen kämpft.

 

Wie ist denn dieser Hof gerettet worden?

Bauer: Da haben einfach die Freilaufflächen gefehlt, weil der Hof sehr eingeengt ist im Ortskern. Aber da man dann einen Balkon an den Schweinestall gebaut und die Trennwände rausgemacht, bis es genug Freilaufflächen waren. Solche Dinge, das macht dann schon Freude, wenn man so etwas auf den Weg bringen kann.

 

Was wollen Sie in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode speziell für den Landkreis Roth noch auf den Weg bringen?

Bauer: Den hohen Standard halten, ganz klar. Ansprechpartner für die Bürgermeister sein und für die Bürger so weitermachen wie bisher, also keine Show und kein Gedöns.

 

Noch vor der nächsten Landtagswahl in Bayern wird im Landkreis Roth im nächsten Jahr der Landrat gewählt. Haben Sie schon einen Herausforderer für den schier unschlagbaren Herbert Eckstein im Blick?

Bauer: Einen Kandidaten gibt es noch nicht. Aber als CSU-Kreisvorsitzender kann ich hier ja eigentlich nur verlieren. Wenn wir einen Kandidaten aufstellen, der am Ende nur 25 Prozent bekommt, stehe ich genauso schlecht da als wenn wir gleich gar keinen Kandidaten für diese Landratswahl aufstellen. Wie man es macht, macht man es verkehrt als Kreisvorsitzender. Aber sicher ist: Ich mache den Kandidaten nicht.

 

Das Interview führte

Jochen Münch.