Roth
Impulsgeber für mehr Barierefreiheit

Tabea die behindertengerechte Musterwohnung in der Rother Gartenstraße öffnet ihre Pforten

10.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr
TABEA-Eröffnung −Foto: Messingschlager, Rainer, Reichenschwand (Landratsamt Roth)

Roth (HK) Trotz Handicaps ein selbst bestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden führen. Dafür müssen diese aber unter Umständen angepasst werden. Hilfe und Ideenlieferant ist die Musterwohnung Tabea, die gestern im Seniorenhaus der Diakonie in der Rother Gartenstraße eröffnet worden ist.

Warum Tabea? Tabea ist die latinisierte Form des Namens Tabitha. Diese wird in der Bibel als „tüchtige Frau“ gelobt: „Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hand dem Bedürftigen“, heißt es in Sprüche 31,20. Womit man der Musterwohnung schon relativ nahe kommt, denn auch sie unterstützt dort, wo es notwendig ist, reicht – symbolische gesehen – die Hand. Tabea ist aber auch eine Abkürzung und steht für T echnik, A lltag, Barrierefreiheit , E rleben, für a lle.

Seinen Ursprung hatte das Projekt in einem Zeitungsartikel über die Musterwohnung Beate in Villingen-Schwenningen, den die SPD-Kreisrätin Christine Rodarius gelesen hatte. Voller Euphorie sei sie sofort gewesen, berichtete Landrat Herbert Eckstein, was beim Rest erst einmal fränkische Skepsis hervorgerufen habe. „Aber wir haben dann gesehen, das passt eigentlich.“ Zumal der Landkreis auch einer der Ersten bei den Pflegestützpunkten gewesen sei. Nachdem das Musterwohnungsprojekt im Kreistag vorgestellt wurde, fuhr im Juli 2015 eine Landratsamtsdelegation mit einer Handvoll Handwerkern in den Schwarzwald, um sich die Wohnung anzusehen. Was dann bei allen das Feuer entfachte. Was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet war, dass man in Villingen-Schwenningen mit Katja Porsch und Maren Kaffler auf hochmotivierte Ansprechpartner traf, die im dortigen Landratsamt das Projekte „Alter und Pflege“ betreuen. „Ohne euch wären wir heute nicht hier“, sagte Eckstein.

Als langwierig gestaltet sich anschließend die Suche nach dem geeigneten Ort. „Er sollte barrierefrei, zentral gelegen, nicht im Obergeschoss und vom Landratsamt aus leicht zu betreuen sein“, sagte Eckstein. „Wir wollten aber auch etwas, wo es passt, wo es lebensnah ist.“ Nach fast einem Jahr wurde man schließlich im Seniorenhaus der Diakonie fündig und mietete dort im Parterre eine Wohnung mit eigenem Zugang. Im Mai vergangenen Jahres wurde der Mietvertrag schließlich besiegelt.

Mit Hilfe von 26 Handwerkern, die weitgehend auf Honorare verzichteten, wurde die Wohnung gestaltet und eingerichtet. Wobei es keine Musterwohnung in dem Sinne ist, dass man sie eins zu eins nachbauen müsste, es sollen vielmehr Impulse gegeben werden. „Sie wird auch nie fertig werden“, sagte Eckstein. Denn sie werde ständig fortentwickelt. Auch könne man nicht alle Entwicklungen abbilden, ebenso wenig allen gerecht werden. „Wir werden nicht für jeden die maßgeschneiderte Lösung haben.“

Ein interessanter Ansatz ist, dass man laut der Rother Sozialamtschefin Ottilie Tubel-Wesemeyer darauf geschaut hat, neben aufwendigen auch einfache Lösungen zu bieten. Beispielsweise gibt es auf der einen Seite ein hochmodernes Bad mit einem fernbedienbaren und höhenverstellbaren Waschbecken, Toiletten, die nach der Notdurft den Nutzer waschen und trocknen, ebenerdige Duschen mit Handläufen und Spezialbrausen sowie farblich hochkontrastreichen Schalter. Auf der anderen Seite wird gezeigt, wie man auch ein altes Bad aus den 70ern halbwegs barrierefrei hinbekommt. Andere Beispiele sind Rampe statt Aufzug, ein Schranklift, mal manuell, mal automatisch oder eine sich selbst aufblasende Aufstehhilfe statt einer im Sessel integrierten. Neben Einrichtungs- und Sanitärgegenständen sind auch kleine Dinge des Alltags ausgestellt, wie spezielle Parkinsonlöffel, Messer mit besonders dicken Griffen, eine Kartenmischmaschine oder Lesehilfen.

Zielgruppe der Musterwohnung sind nicht nur die Senioren und Menschen mit Handicaps sowie deren Angehörige, sondern „wir wollen auch Jüngere motivieren, sich das anzuschauen und beispielsweise schon in der Bauphase Voraussetzungen zu schaffen“, sagte Innungsmeister Hanno Dietrich. Das Pilotprojekt habe zudem gezeigt, wie viel Kompetenz im Handwerk der Region da sei. Aber auch, dass es in der Kommunalpolitik Menschen gebe, die den Kontakt zum Handwerk suchten, um mit diesem gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Geöffnet hat die Musterwohnung Tabea jeden Donnerstag von 8.30 Uhr bis 13 Uhr. Zudem kann man beim Pflegestützpunkt bei Gerhard Kunz unter der Rufnummer (09171) 81 45 01 Termine vereinbaren. Weitere Ansprechpartner sind Judith Rechsteiner, Telefon (09171) 81 13 68 und Ottilie Tubel-Wesemeyer, Telefon (09171) 81 12 49.