Roth
Packerl-Bruno als freilaufendes Gänsefüßchen

Der Kabarettist Bruno Jonas war am Freitagsabend mit seinem Programm "Nur mal angenommen" in Roth zu Gast

22.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr
Bruno Jonas philosophierte zwischen Paketen in der Rother Kulturfabrik über die Frage, ob etwas Richtiges falsch wird, wenn es der Falsche sagt. Sokrates hätte daran sicher seine Freude gehabt. −Foto: Tschapka

Roth (HK) "Nur mal angenommen" hat Bruno Jonas die Pakete seiner Nachbarn.

Sie stapeln sich auf der Bühne der Rother Kulturfabrik und im gleichen Maße, wie sie sich in Größe und Form unterscheiden, sinniert der Kabarettist am Freitagabend über die kleinen und großen Fragen - mit Humor, sprachlicher Spitzfindigkeit und im "Niederbayern-Modus".

 

 

Wenn die anderen bei der Arbeit sind, ist der Freiberufler zu Hause und nimmt Pakete an, die ihm der "Zustelltürke" Murat in schöner Regelmäßigkeit nach oben schleppt. "Packerl-Bruno" werde er deshalb mittlerweile genannt. Von dieser Nebentätigkeit als unbekannter Mitarbeiter von DHL bekommt Bruno Jonas' Alter Ego mitunter Alpträume: Um fünf in der Früh wird er aus dem Bett geklingelt, um eine Ladung Frischfisch für Edeka anzunehmen. "Der Laden hat noch nicht offen und I hab g'sagt, mei, brings halt rauf."

Von seiner Wohnung im dritten Stock springt der Kabarettist anschließend wild von Thema zu Thema - ohne sich dabei zu verzetteln. Von der Gedichtinterpretationskompetenz des türkischen Präsidenten bis hin zur digitalen Revolution reicht die Palette. So erzählt er mit böser Ironie, dass Samsung versucht habe, in sein Smartphone Galaxy 7 ein Feuerzeug zu integrieren und berichtet von seiner iWatch, die als Dauer-EKG die Herztöne misst. "Und wennst an Herzinfarkt kriagst, dann teilt dir's die iWatch vorher mit. Und bei der Nulllinie heißts dann: It's all over now. Dann weiß der Notarzt, er kann den Defibrillator gleich drin lassen. . ." Doch nicht nur das Herz werde überwacht, auch die Blase: Sei die zu zwei Dritteln voll, melde die App, dass man die nächste Toilette aufsuchen solle. "Dazu gibt's einen Link von Google Earth, der zeigt die einzelnen Bäume in der Umgebung an." Jonas ist sich darum sicher, "dass der Bereich meiner Entmündigung täglich wächst", früher sei man noch Herr über die Geräte gewesen. Das sorgt für einen einzelnen lauten Lacher im Publikum. "Der hat bei Grundig gearbeitet", kommentiert Jonas trocken. Woher er seine Feng-Shui-App hat, weiß er dagegen nicht. Deshalb lautet das vernichtende Fazit seiner Frau: "Du bist die Benutzeroberfläche." Das treibt den Niederbayern zur Frage, was Wirklichkeit ist und ob etwa Präsident Trump tatsächlich existiert.

Nachdenken dürfen die Zuhörer auch über die Frage, ob das Richtige falsch wird, wenn es der Falsche sagt. Dazu führt er das nicht mehr ganz aktuelle Beispiel des Fußballspielers Boateng an, über den der AfD-Politiker Gauland gesagt hat, ihn wollten die Deutschen nicht als Nachbarn haben. Wäre dieser Satz von den Linken gekommen, hätte es nur geheißen, sie machen auf Rassismus aufmerksam. Überhaupt, Sprache: Was darf man noch sagen, worüber noch Witze machen? "Heute darf nicht jeder sagen, was er kann, sondern auch verstehen, was er will." Probleme bereiten auch einzelne Begriffe: Die Endung - ling wie in Flüchtling oder Lehrling sei abwertend und müsse daher weg, besser sei also "Flüchtl" oder "Individualreisender". "Beim Mittleren Ring in München wird das schwierig." Mit Gänsefüßchen versehen sein müssen auch "Hausfrau und Mutter" - "ganz schlimm, da sind Sie gleich beim Dritten Reich". Statt Mann und Frau schlagen Feministinnen vor, nur noch von "Körpern" zu sprechen. Jonas grantelt und poltert im "Niederbayern-Modus", wird wieder ruhig und beschließt, nun nur noch als "freilaufendes Gänsefüßchen" unterwegs zu sein.

Rechtsruck in Europa, Nullzinspolitik, die "sichere Rente" - im weiteren Verlauf sinniert Jonas über die Politikverdrossenheit nach. Vor allem letzteres Thema nimmt sich der Kabarettist noch einmal gesondert zu Brust. Gedanken zu einer Lösung habe er sich aber auch schon gemacht: Mit 65 Jahren sollten die Männer "noch einmal in den Zeugungsakt einsteigen". Während sich die Frauen "verwirklichen und in das Sozialsystem einzahlen" passt der Vater "auf den Fratzn" auf "und wenn er schreit, ist es kein Problem, denn der Alte hört nix mehr." Versöhnlicher wurde es am Ende: Gemeinsam sangen alle "Ade nun zur guten Nacht".