Roth
125 Jahre praktizierte Solidarität

IG Metall Schwabach-Roth-Weißenburg feiert ihr Jubiläum in der Kulturfabrik

18.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:57 Uhr

7000 Mitglieder, dieses Ziel hat sich die Industriegewerkschaft Metall Schwabach-Roth-Weißenburg zur Feier ihres Jubiläums in der Rother Kulturfabrik gesetzt. - Foto: Schmitt

Roth (HK) Die IG Metall, mit 2,27 Millionen Mitgliedern größte Einzelgewerkschaft der Welt, feiert bundesweit ihr 125-jähriges Bestehen. Als eine der Ersten der 21 Geschäftsstellen in Bayern hat die IG Metall Schwabach-Roth-Weißenburg am Freitag zu einem Festakt in die Rother Kulturfabrik geladen.

Höhepunkt der multimedialen Feierstunde mit Bühnenprogramm und Videopräsentation war ein Interview mit dem 60-jährigen Bayerischen IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler und dem 57-jährigen Johann Horn, erster Bevollmächtigter der Geschäftsstelle Ingolstadt. Moderatorin Cornelia von Hardenberg gelang es, mit klugen Fragen eine spannend erzählte Zeitreise von den Anfängen der beiden Gewerkschaftsfunktionäre als Lehrlinge in Nürnberg bis hin zu einem jeweils individuellen Blick in die Zukunft der Gewerkschaftsarbeit zu gestalten. Entscheidend sei in der IG Metall schon immer die "praktizierte Solidarität aller Arbeitnehmer" gewesen, waren beide überzeugt.

Jürgen Wechsler sah das weitere Wirken der Gewerkschaft vor allem darin, "das Prinzip des Sozialstaats zu erhalten", das nur mit starken Gewerkschaften und Betriebsräten gut funktionieren könne. Johann Horn bezeichnete die Tarifbindung der Betriebe als das Topthema der Zukunft. "Lediglich 50 Prozent der Metall-Arbeitnehmer haben einen Tarifvertrag, dabei kann es nicht bleiben", sagte Horn. Er sah auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag der IG Metall, der insbesondere dem Rassismus, wie ihn die AfD propagiere, entgegentreten müsse. "Deshalb dürfen wir auch die Abgehängten nicht vergessen, damit kein Riesenspalt durch unsere Gesellschaft geht", forderte Horn. Jürgen Wechsler hob hervor, dass es für Deutschland auch in Zukunft wichtig sei, Industrie zu behalten. "Wir dürfen keine Dienstleistungsgesellschaft werden, sondern brauchen industrielle Fertigung und Produkte", sagte Wechsler.

Cornelia von Hardenberg wollte anschließend noch einen Überblick zur Treue gewinnen. Als sie nach Mitgliedern fragte, die bereits 60 Jahre und länger an der Solidarität innerhalb der Gewerkschaft mitarbeiten, erhob sich fast eine gesamte Reihe aus Schwabach. Absoluter Spitzenreiter der langjährigen Mitglieder ist der ehemalige erste Bevollmächtigte Richard Rometsch. Der 86-Jährige ist seit 66 Jahren Mitglied der Metaller-Gewerkschaft. Der 77-jährige Hermann Bräutigam zahlt seit 63 Jahren Mitgliedsbeitrag, der 79-jährige Franz Kordick ebenso lange. Alle drei sind auch Sozialdemokraten. Waldemar Gabriel bringt es immerhin fast auf 60.

Die Geschichte der IG Metall begann 1891 mit der Gründung des Deutschen Metallarbeiterverbands (DMV) in Frankfurt am Main, einer der ersten Organisationen zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen in Deutschland. Die "Industriegewerkschaft Metall" ist unter diesem Namen in Westdeutschland erst 1945 ins Leben gerufen worden, sieht sich aber als Nachfolgeorganisation des DMV, der 1933 von den Nazis verboten worden war.

Alois Spieß, seit kurzem Erster Bevollmächtigter der für Mittelfranken-Süd zuständigen Geschäftsstelle Schwabach, beschäftigte sich in seinem Ausblick mit dem wichtigsten Kapital der Gewerkschaft. "Zuerst muss man über Mitglieder reden, denn die Mitglieder sind der Kern und das Fundament unseres Handelns", stellte Spieß fest, der seine Vision mit beschrifteten Kartons zwar hoch stapelte, mit dem Anstieg um zehn Prozent auf 7000 Gewerkschaftler in Mittelfranken-Süd bis zum Ende seiner ersten Amtszeit aber ein für ihn realistisches Ziel ausgab. "Zugegeben, es ist eine Utopie, aber keine Illusion", sagte Spieß. Er nahm auch kurz Stellung zur laufenden Tarifrunde. "0,9 Prozent als Angebot der Arbeitgeber sind zu wenig", meinte er und kündigte ab 28. April erste Aktionen an. "Denn nur wer konfliktfähig ist, wird gute Kompromisse erreichen", gab Spieß als Parole aus.

Als einzigen Grußwortredner hatten die Gewerkschafter Landrat Herbert Eckstein geladen. Der SPD-Politiker betonte die Bedeutung einer Gewerkschaft für die regionale Entwicklung und den Bestand der Betriebe. "Starke Betriebsräte haben in schweren Zeiten verantwortlich mitgestaltet und häufig auch unter Verzicht entscheidend mitgeholfen, Betriebe zu erhalten", skizzierte Eckstein den konsensualen Einsatz der IG Metall jenseits von Kampf und Streik für bessere Löhne, geringere Arbeitszeiten und humane Arbeitsbedingungen. "Ihr habt hier in der Region Großes geleistet, dafür meinen Respekt", wandte sich Eckstein unmittelbar an alle IG-Metall-Mitglieder.

Bei allem Ernst kam die Unterhaltung nicht zu kurz. Dafür hatte die IG Metall die "Schwabacher Ratschkattln" mit ihrem musikalischen Begleiter Udo Schmidt engagiert. Die Schwabacher Kabaretttruppe zeigte nicht nur einen kleinen Ausschnitt aus ihrem Programm. Die drei Damen vom Marktplatz warfen auch einen Blick auf die jüngere Geschichte der IG Metall in der Region. Zuletzt stimmten sie als Schlusslied noch in die Hymne aller Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland ein. Udo Schmidt begleitete, als alle Metaller in der Kufa gemeinschaftlich "Brüder zur Sonne, zur Freiheit" anstimmten.