Reinhard
Wegbereiter der Renaissance einer alten Braukunst

02.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Reinhard Engel ist gelungen, woran viele vor ihm gescheitert sind. Der Braumeister aus Nürnberg schenkt heißes "Gewürzbier" auf dem Christkindlesmarkt aus. Das geht nur mit einem Trick. Denn eigentlich ist der Bierausschank auf dem Weihnachtsmarkt strengstens verboten.

Ein Hund ist er schon, könnte man anerkennend meinen. Reinhard Engel ist das Kunststück gelungen, Bier auf dem weltberühmten Christkindlesmarkt in Nürnberg zu verkaufen. Dabei ist das laut städtischer Marktordnung strengstens verboten. Für seinen gelungenen Schildbürgerstreich hat der bekannte Braumeister aus Nürnberg mehrmals um die Ecke denken müssen.

"Winterwärmer" hat der Chef der Altstadthofbrauerei sein "Glühbier" getauft, das mit einer Temperatur von mollig-warmen 60 Grad serviert und mit etwas Zimt und einer Orangenscheibe garniert wird. Den Namenstrick findet der 55-Jährige überhaupt nicht verwerflich. Schließlich entspreche dies haargenau den strengen Vorschriften des Bayerischen Reinheitsgebotes. Jenes besage schließlich, dass Bier nur heißen darf, was ausschließlich aus Wasser, Hopfen und Malz (Gott erhalt´s) hergestellt worden ist. Engel hat in seinen Sud zusätzlich noch neun Gewürze gepackt. "Die wichtigsten Gewürze im ,Winterwärmer` sind Gewürznelke, Kardamom, Kubebenpfeffer und Zimt", verrät der Braumeister. Nur so bekomme er den "verführerischen Duft" ins Glas.

Als "Bierpanscher" versteht sich Engel nicht. Er sieht sich als Wegbereiter für die Renaissance einer alten Braukunst. "Schon im Mittelalter wurden durch Zugabe von kostbaren Gewürzen besondere Biere mit unverwechselbarem Charakter gebraucht", erzählt der Braumeister und erinnert daran, dass die alte Reichsstadt an der Pegnitz früher Zentrum des Gewürzhandels war.

Bei der Stadt ist man freilich von der Wiederbelebung der Gewürzbier-Tradition zunächst überhaupt nicht begeistert gewesen. Mit Verweis auf die Vorschriften des Christkindlesmarktes ist Engels Antrag in Bausch und Bogen abgelehnt worden. Der engagierte Braumeister hat das nicht auf sich sitzenlassen wollen und ist bis vor das Verwaltungsgericht gezogen. Dort habe man ihm schließlich Recht gegeben und bestätigt, dass sein "Winterwärmer" nach der Definition des strengen Reinheitsgebotes im Freistaat kein Bier ist. Demzufolge greift auch nicht die Christkindlesmarktsatzung aus den 70er Jahren, die den Bierausschank untersagt. In Preußen könnte Engel sein Gebräu freilich Gewürzbier nennen. Nördlich des Freistaats existiert nur ein lascheres Biergebot. In Bayern würde er dafür wahrscheinlich in den Knast wandern. Aber das ist nur eine Randnotiz.

Trotz des Erfolgs vor Gericht hatte Engel keinen Anspruch auf eine der begehrten Bretterbuden. Dann die Überraschung: Aus dem heiterem Hopfenhimmel erhielt Engel ein freundliches Schreiben von der Stadt. Wenn er noch wolle, könne er seinen "Winterwärmer" in Gottes Namen ab sofort ausschenken auf dem Christkindlesmarkt. Eine Bude sei frei geworden. Offensichtlich hatte im Marktamt ein Umdenken stattgefunden. Der Brauer zögerte keine Sekunde. Wohl bekomm's. ‹Œ npe