Offenbau
Weihnachtliche Werte auch ohne Fest

17 jugendliche Flüchtlinge in Offenbau öffnen ihre Türen für zahlreiche Besucher aus dem Ort

23.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:23 Uhr

Foto: Viola Neue

Offenbau (HK) Noch sind sich beide Seiten einigermaßen fremd. Doch dieser Tag der offenen Tür hat Mut gemacht: Ein erster, vorsichtiger Kontakt zwischen den unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen in Offenbau und den Einheimischen fand jetzt in der Unterkunft in der Ortsmitte statt.

Die Jungen sind ganz aufgeregt, seit Tagen freuen sie sich auf den Besuch aus dem Dorf. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und wir sind sehr glücklich, dass Sie uns besuchen“, begrüßt der 17-Jährige Nizrab die rund 50 Gäste, die gekommen sind. Sein Deutsch ist erstaunlich gut, lernt er doch erst seit kurzer Zeit die Sprache.

Die Sozialpädagogin Manuela Ostermeier und Günter Vierlinger vom Freiwilligen Helferkreis Ebenried – von der dortigen vorübergehenden Unterkunft sind die meisten der 17 Jugendlich gekommen – erzählen den Gästen vom Alltag der Jungs und geben Tipps, wie jeder Einzelne dazu beitragen kann, ihnen bei der Eingewöhnung zu helfen. „Die Jungs lieben Hunde – es wäre das Größte für sie, einfach mal mit Gassi gehen zu dürfen“, schlägt Ostermeier vor. „Oder nehmen Sie ein paar der Jungs mit zum Einkaufen und erklären sie ihnen ganz nebenbei, wie die einzelnen Lebensmittel heißen. Sie helfen auch gerne beim Tüten tragen“, ergänzt Ostermeier grinsend.

Sie erzählt von kulturellen Unterschieden, aber auch von typischen Problemen, die Jugendliche – egal welcher Nationalität – eben haben. „Mein Ladekabel ist weg, das Handydisplay ist kaputt und so weiter“, erzählt Ostermeier. Doch das Handy hat für die Jugendlichen, die ohne Eltern oder andere Verwandte in Deutschland angekommen sind, einen viel höheren Stellenwert als für gleichaltrige Deutsche. Denn es ist die einzige Verbindung, die sie zu ihrer Heimat und zu ihrer Familie haben. „Da ist das Drama natürlich groß, wenn man seit mehreren Tagen nichts mehr von daheim gehört hat.“

Die Offenbauer stellen Fragen, sie interessieren sich dafür, wie es weitergehen soll. Eine Besucherin schlägt sogar vor, eine Liste herumzugeben, in die sich jeder eintragen kann, der weiterhin über Aktionen in der Unterkunft informiert werden möchte. Und so tragen sich mehr und mehr Menschen in die Liste ein, um mitzuhelfen.

Immer wieder betont die Sozialpädagogin die Offenheit der jungen Flüchtlinge gegenüber der deutschen Kultur: „Sie wollen den Kontakt zu uns und sie setzen sich intensiv mit unserer Kultur auseinander.“ Auch Ausdrücke wie „Servusla“ hat sie den Jugendlichen schon beigebracht. Doch eines hat Ostermeier trotz aller Bemühungen bis jetzt noch nicht erreicht: „Ich versuche ihnen immer wieder klarzumachen, dass man hier gefälligst Clubfan ist.“ Aussichtslos, die Jungen jubeln für den FC Bayern.

Vierlinger motiviert die Gäste, die jungen Flüchtlinge an der deutschen Kultur teilhaben zu lassen. „Man bekommt einfach so viel von den Jungs zurück“, sagt er. Jugendliche, die ohne Schuhe und ohne Jacke aus München angekommen sind, erleben hier, dass sie einen Wert haben. Es sei wichtig, den Kindern tagsüber einen Sinn zu geben. „Sie müssen ihr Zimmer selber sauber halten, sonst gibt es Ärger – das wissen sie auch.“

Nach dem eher offiziellen Teil der Veranstaltung kommen die jungen Flüchtlinge und die Offenbauer ins Gespräch. Zwei Mädchen unterhalten sich mit zwei gleichaltrigen Jungen aus der Unterkunft. Sie machen Fotos zusammen, lachen, als wären sie schon ewig befreundet. Wie lange sie sich schon kennen? „Seit gerade eben.“ Erstaunlich, wie einfach es mit ein bisschen Offenheit doch sein kann. Tamshid (15) zückt sein Smartphone und zeigt stolz Videos, die ihn beim Breakdance und Gitarre spielen zeigen. „Das ist in Schule“, erklärt er.

Nizrab aus Afghanistan, der zu Beginn die Besucher begrüßt hat, besucht bereits die Berufsschule in Roth. Er zeigt sein Zimmer, das aus einem Tisch, zwei Betten und einem kleinen Badezimmer besteht. Höflich hält er jede Tür auf, „Bitte“ und „Danke“ gehören für ihn zum Grundwortschatz. Er erzählt von seinem Alltag: Vier Stunden muss er täglich nach der Schule auf den Bus warten. „Das ist lang, aber geht schon“, sagt er. Er weiß, wie wichtig es ist, schnell und gut die Sprache zu lernen, denn sobald er volljährig ist, werden die Karten neu gemischt. „Wenn ich nicht gut Deutsch spreche, dann braucht mich auch niemand in Deutschland“, sagt er.

Er sagt das ganz selbstverständlich, doch es hinterlässt einen bitteren Nachhall. Seine Hausaufgaben macht er am liebsten alleine. „Dann muss ich selber . . .“ – er überlegt und zeigt mit dem Finger auf seinen Kopf „denken.“

Die jungen Männer haben noch einen steinigen Weg vor sich. Doch jetzt, zu Weihnachten ist erst einmal eine Pause angesagt. Das christliche Fest wird bei den jungen Muslimen zwar nicht gefeiert, doch die Atmosphäre in der Unterkunft an diesem Abend erinnert stark an das, was Weihnachten eigentlich bedeutet: Harmonie, Gemeinschaft und Dankbarkeit.