Nürnberg
Wo Google aufhört

Nürnbergs neue Bibliothek präsentiert sich als modernes Kommunikations- und Lernzentrum

26.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:54 Uhr

An ein überdimensionales Bücheregal erinnert das Luitpoldhaus, der Hauptbau der neuen Nürnberger Stadtbibliothek. - Foto: Messingschlager

Nürnberg (HK) Seit Mittwoch und noch bis zum heutigen Samstagabend feiert Nürnberg die Eröffnung seiner neuen Bibliothek. 30 Millionen hat das ultramoderne Kommunikationszentrum mitten in der Stadt gekostet. Auf 5200 Quadratmetern findet man dort nun 700 000 Medien.

Damit geht nun eine der ältesten öffentlichen Bibliotheken im deutschsprachigen Raum mit einer über 600-jährigen Geschichte neue Wege. „Das ist ein neuer, großer Leuchtturm“, schwärmt Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner. „Die Bibliothek versteht sich nicht als Aufbewahrungsstelle von Büchern und Medien, sondern als ein Marktplatz der Ideen und Ort für flexibles Lernen und Wissen.“ Sie sei eine Lerninsel, in der Schlüsselkompetenzen zur Bewältigung der Wissensgesellschaft vermittelt werden. Und: „Sie ist nicht nur gut gelungen, sie ist sehr gut gelungen.“

Eingebettet ist die neue Bibliothek zwischen Cinecittà, Katharinenruine, Wespennest und Gewerbemuseum. Am auffälligsten ist das umgebaute Luitpoldhaus, dessen Aufbau – eine Art riesiges Bücherregal – zwischen Kino und Wespennest Richtung Pegnitz ragt. Dort sind neben der Lernwelt die Belletristik, Literaturwissenschaften, Sprachen und Literatur in 16 Sprachen, die Musikbibliothek, die Junge Bibliothek und die Kinderbibliothek untergebracht. Bei der Kinderbücherei, die man auf der dritten Ebene findet, beeindruckt vor allem die riesige Leseecke, von der man einen fantastischen Blick auf die Burg hat.

Im Luitpoldhaus sind aber auch über 100 000 alte Drucke, historische Bücher und Handschriften untergebracht, darunter ein im Kloster Lorsch geschriebenes Evangeliar aus der Zeit um 850. In den Räumen des ehemaligen Katharinenklosters sind die Sachbücher und die Zeitschriften untergebracht. Die aktuelle Tagespresse kann man im Übrigen nach wie vor im Zeitungscafé Hermann Kesten im Kreuzgang des Klosters lesen.

Eine wahre Renaissance der Bibliotheken hat Elisabeth Sträter ausgemacht. Sie ist die Direktorin der Stadtbibliothek Zentrum, wie das Gebäude offiziell heißt. „Die Bibliothek ist als Ort wichtig, als Treffpunkt“, sagt sie. Deshalb habe man durch entsprechendes Mobiliar für eine hohe Aufenthaltsqualität gesorgt. „Wir haben uns ganz bewusst Gedanken gemacht, wie richte ich eine schöne Bibliothek ein.“ Herausgekommen ist eine gelungene Kombination aus Holz, Glas und Sichtbeton, die auf allen Ebenen den Blick nach draußen ermöglicht. Ausgenommen natürlich der historische Bereich mit seinen hochempfindlichen Schriften und Büchern.

Um den Besuchern den Weg zu den Medien und durch die Stockwerke zu erleichtern, wurde ein Leit- und Orientierungssystem entwickelt. Das sieht zwei Schrifttypen sowie für jede Etage eine andere Farbe vor. Im Erdgeschoss dominiert Hellgrün und auf der ersten Etage Magenta. Für die Musikbibliothek steht die Farbe Hellblau und für Junge Bibliothek Flieder. Auch die Etagen des Katharinenklosters sind farblich entsprechend gekennzeichnet.

Zusammen mit dem städtischen Bildungszentrum bildet die Stadtbibliothek den Bildungscampus. „Beide Einrichtungen haben die Aufgabe, Menschen bei ihrer Bildung zu unterstützen“, sagte Campusleiter Wolfgang Eckart. Sowohl Stadtbibliothek als auch Bildungszentrum seien Eckpfeiler der kommunalen Infrastruktur in der Bildung. „Wo Google aufhört, fangen wir hier an, wir helfen navigieren, sowohl in der digitalen als auch in der Lernwelt.“ Der Campus sei das derzeit innovativste Lernzentrum – mindestens in Deutschland.

Wie ernst es den Nürnbergern mit dem „Treffpunkt Bibliothek“ ist, zeigt auch die umfangreiche Sammlung an Videospielen, die nicht nur ausgeliehen werden können. „Wir wollen eine stärkere Frequenz von Jugendlichen“, sagt Eckart. Deshalb könne man hier auch spielen. „Wenn die Jugendlichen mal da sind, dann kann man sie auch für andere Sachen interessieren.“

Wer in diesen Eröffnungstagen die Bibliothek besucht, wird vermutlich erstaunt sein, wie wenig Bücher in den Regalen sind. Eine Folge der Aktion „Die Bücherei leerleihen“, an der sich vor dem Umzug erstaunlich viele Nürnberger beteiligt haben. Durchschnittlich 50 Prozent, teilweise bis zu 90 Prozent, seinen ausgeliehen worden, berichtet Elisabeth Sträter. Deshalb werde in den Tagen bis zum 5. November auch ein regelrechter Rückgabeboom erwartet. Ausleihen kann man die Medien in Nürnberg im Übrigen Montag bis Freitag von 11 bis 19 Uhr und am Samstag von 11 bis 16 Uhr, zurückgeben allerdings sieben Tage in der Woche 24 Stunden lang, ein Automat macht es möglich. Ein Service, der viel Geld sparen kann, denn zahlen muss man in Nürnberg nur, wenn man die Bücher zu spät zurückgibt.