Nürnberg
"Wir wollen Integration besser machen"

Arif Tasdelen, SPD-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der neuen Enquete-Kommission, zum Thema Integration

25.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Arif Tasdelen glaubt nicht, dass sich ernsthaft jemand über eine Militärregierung gefreut hätte. - Foto: SPD

Nürnberg (HK) Über die Folgen des Putschversuches für die Integrationspolitik haben wir mit dem 42-jährigen SPD-Landtagsabgeordneten Arif Tasdelen aus Nürnberg gesprochen. Tasdelen haben wir auch gefragt, wie er die Stimmung derzeit in Nürnberg einschätzt und welche Folgen die Ereignisse in der Türkei für ihn ganz persönlich haben.

Der Politiker mit den türkischen Wurzeln wurde erst kürzlich zum Vorsitzenden der prominent besetzten Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages zum Thema Integration ernannt.

 

Herr Tasdelen, wie gespalten ist die türkische Gemeinschaft nach dem Putschversuch in Nürnberg?

Arif Tasdelen: Ich nehme nicht wahr, dass die Community hier gespalten ist. Ich glaube nicht, dass sich ernsthaft jemand über eine Militärregierung gefreut hätte.

 

Wie groß ist die Verunsicherung bei den türkischen Mitbürgern in Franken in diesen Tagen? Haben die Menschen Angst, dass Erdogans langer Arm nach Deutschland reicht?

Tasdelen: Nein. Eher überwiegt noch die Freude darüber, dass nicht das Militär an die Macht gekommen ist. Das ist verbunden mit der Hoffnung, dass die Türkei den Demokratisierungsprozess fortsetzt. Ich hoffe, dass dieser Putschversuch ein Weckruf für die Demokratie in der Türkei ist.

 

Wie betroffen sind Sie persönlich von den Ereignissen?

Tasdelen: Mein Bruder lebt in der Türkei. Ich bin in der Türkei geboren und aufgewachsen. Ich habe viele Freunde und Verwandte in meiner ersten Heimat. Deshalb bewegt mich das natürlich sehr, was in der Türkei momentan passiert.

 

Wie hat Ihr Bruder auf den Putschversuch reagiert?

Tasdelen: Er ist nicht für Erdogan. Er ist Mitglied der Sozialdemokraten und gehört also zur Opposition. Aber er ist auch am Freitagnacht in Istanbul auf die Straße gegangen, weil er nicht wollte, dass seine Kinder unter einer Militärdiktatur aufwachsen müssen. Die türkische Regierung wäre also gut beraten, jetzt die Opposition einzubinden.

 

Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass Erdogan das Gegenteil tut und auf Autokratie setzt?

Tasdelen: Ich hoffe, dass die türkische Regierung die Kritik wahrgenommen hat. Ich gehe fest davon aus, dass Erdogan diese Signale sehr wohl wahrgenommen hat. Mittlerweile glaube ich, dass in der Türkei ein Umdenken stattfindet und wieder mehr Sachlichkeit einkehrt. Erdogan scheint erkannt zu haben, dass die Menschen nicht nur für Erdogan, sondern für das Land und die Demokratie auf die Straße gegangen sind. Die gemeinsame Pressekonferenz am Mittwoch mit dem Oppositionsführer ist ein Zeichen, was mich hoffen lässt. In meinem Optimismus herrscht zugegeben auch viel Hoffnung.

 

Was bedeutet das alles für die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund in Franken?

Tasdelen: Auf unsere Integrationspolitik in Bayern hat der Putschversuch keine direkten Auswirkungen. Die Diskussionen zeigen aber, dass wir es schaffen sollten, dass sich die hier lebenden türkischstämmigen Menschen mehr für die deutsche Politik interessieren und sich politisch und ehrenamtlich mehr engagieren. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen jetzt noch mehr aufeinander zugehen. Viele wollen von ihren türkischstämmigen Bekannten jetzt wissen, was in der Türkei gerade passiert.

 

Sie sind Vorsitzender der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages: Was muss sich bei der Integration grundsätzlich ändern in Bayern?

Tasdelen: Wir müssen schauen, wie wir effizienter werden können. Unsere Ziele sind die Bestandsanalyse und Entwicklung einer Zukunftsperspektive. Wir wollen Integration in Bayern künftig besser machen.

 

Das Gespräch führte

Nikolas Pelke.