Nürnberg
Nürnberger führen komisches Trauerspiel auf

Ausbau des Frankenschnellwegs stockt im juristischen Hickhack von Stadt und Bund Naturschutz

11.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:19 Uhr

So ungebremst wie es hier scheint, rollt die Blechlawine noch nicht über den Frankenschnellweg, dazu muss er erst kreuzungsfrei ausgebaut werden. Allerdings müsste dazu erst ein Possenspiel mit ständigen Wiederholungen sein Ende finden. - Foto: Christian Höhn

Nürnberg (HK) Stadt und Bund Naturschutz suchen seit 18 Monaten nach einem außergerichtlichen Kompromiss zum kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs in Nürnberg. Ein Happy End ist noch immer nicht in Sicht.

Dieses Märchen müsste mit diesen Worten enden: Wenn die Nürnberger nicht gestorben sind, dann streiten sie über den Frankenschnellweg noch heute. Leider handelt es sich um keine Märchengeschichte, sondern um ein bürgerliches Trauerspiel, das immer mehr Züge einer Tragikomödie zeigt. Während sich das Publikum langsam gelangweilt abwendet, wetteifern die Protagonisten auf der Bühne noch immer um den längsten Applaus.

Eine außergerichtliche Einigung zwischen Stadt und Bund Naturschutz über den kreuzungsfreien Ausbau der Stadtautobahn ist auch nach einem 18-monatigen Verhandlungsmarathon noch immer nicht in Sicht. Beide Seiten haben mittlerweile offensichtlich Gefallen an dem endlosen Possenspiel hinter verschlossenen Türen gefunden, das immer mehr einem komischen Trauerspiel mit dem "Schwarzen Peter" in der Hauptrolle gleicht. Wie viele Akte das Stück haben wird, steht selbst nach der x-ten Vorstellung nicht fest.

Fest steht, dass 500 Millionen Euro für den Ausbau und mindestens 50 000 Pendler, die täglich an den Ampeln auf dem "Frankenschleichweg" im Stau stecken, auf dem Spiel stehen. Mit jeder Verzögerung wächst die Summe, die im Jackpot liegt. Stadtkämmerer Harald Riedel rechnet mit Mehrkosten in Höhe von 15 Millionen Euro. Pro Jahr, in dem die Bagger nicht rollen, versteht sich.

Die unrühmliche Geschichte um den schnurgeraden Highway, der Bamberg mit Forchheim, Erlangen mit Fürth und Nürnberg verbindet, reicht lange zurück. Besonders bei der SPD dürfte Bürgermeister und Verhandlungsführer Christian Vogel nicht so gerne daran erinnert werden, dass es seine Genossen waren, die sich jahrzehntelang mit Händen und Füßen gegen den kreuzungsfreien Ausbau der vierspurigen Straße wehrten. Mit dem Beginn der großen Koalition im Rathaus setzte Ende der Nullerjahre ein Umdenken ein. Als der Nürnberger CSU-Bezirkschef Markus Söder vom Umwelt- zum Finanzminister aufstieg, schien das Ende der jahrzehntelangen Debatte um den Dauerstau rund um das Nadelöhr nahe. Die Ampeln in Höhe der "Rothenburger Straße" sollten endlich abgebaut, das tägliche Warten bis zur nächsten Grünphase auf der "Autobahn" beendet werden.

In einer legendären Sitzung des bayerischen Kabinetts auf der Kaiserburg sicherte der Freistaat saftige Zuschüsse zu. "Frankenschnellweg: 395 Millionen", soll Söder an Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) noch von der Burg per SMS verkündet haben. Was damals nach einem schnellen Durchbruch aussah, erinnert heute viele schmerzhaft an eine unendliche Geschichte, die niemals enden will.

Schuld daran ist in den Augen von Beobachtern nicht zuletzt die Stadt, die sich mit einer kleinen Lebenslüge die Misere selber eingebrockt hat, indem sie den "Frankenschnellweg" im Planungsverfahren als Kreis- und nicht als Schnellstraße behandelte. Mit diesem kleinen Trick sollte der Ausbau wohl beschleunigt und die zeitraubende Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen werden. Die Stadt beharrte aus heutiger Sicht wohl viel zu lange auf dem Standpunkt, dass eine Umweltprüfung de jure nicht notwendig sei. Offiziell handele es sich um eine Kreisstraße, wurde Bürgermeister Vogel nicht müde zu sagen. Freilich sagte niemand so gerne laut, dass die Stadt aus dem kurzen Teilstück erst im Jahr 2007 eine Kreisstraße gemacht hatte. Diese Lebenslüge muss die Stadt bis heute büßen.

Denn der Bund Naturschutz nutzte sie aus und bekam vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wenig überraschend Recht. Seitdem ruht das Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und die Kontrahenten suchen hinter verschlossenen Türen nach einem außergerichtlichen Vergleich. Bislang liefen die Verhandlungen etwa nach diesem Muster ab: Die Stadt zeigt sich mit Vogel an der Spitze zunächst zuversichtlich um kurze Zeit später genauso unmissverständlich über die überzogenen Forderungen der Naturschützer zu schimpfen und zu drohen, die Verhandlungen endgültig platzen zu lassen.

Otto Heimbucher vom Bund Naturschutz, der pikanterweise gleichzeitig für die CSU im Stadtrat sitzt, gibt sich demonstrativ gelassen. "Wir sind an einer sachgerechten Lösung interessiert, und nicht an der öffentlichen Meinung", sagt Heimbucher. Vogel könne die Verhandlungen gerne platzen lassen. "Wir sind auf die Stadt zugegangen, und nicht die Stadt auf uns", stellt Heimbucher klar. Zwischen Nürnberg und den Naturschützern gebe es keine "unüberbrückbaren Punkte" mehr. Man habe demnach durchgesetzt, dass die Stadt in den nächsten zehn Jahren rund fünf Millionen Euro für Radwege ausgeben müsse. Ursprünglich hatte der BN mal 100 Millionen für den Radverkehr gefordert. Außerdem sei man sich einig, dass "Tempo 60" auf der neuen Ausbaustrecke gelten müsse. Zusätzlich sei vereinbart, dass Lastwagen über 7,5 Tonnen den kreuzungsfreien Frankenschnellweg nach dem Umbau nicht als Abkürzung nutzen dürfen.

Friede, Freude, Eierkuchen herrscht deswegen nicht. Mit am Pokertisch hockt die Regierung von Mittelfranken, die wohl die übergeordneten Interessen des Landes im Blick haben muss. Die Regierung müsse bei einigen Punkten zustimmen, damit der Kompromiss in trockene Tücher gewickelt werden könne, sagt Heimbucher und verweist auf deren Zuständigkeit beispielsweise bei der Einführung von Tempo 80 auf bestimmten Streckenabschnitten. Noch heikler dürfte die Frage werden, ob man dort einer weiteren Forderung nachkommt. Heimbucher sagt, der BN bestehe darauf, dass die Überleitung von der vielbefahrenen Autobahn 6 auf den Frankenschnellweg nur zwei- und nicht vierspurig ausgebaut wird.

Als ob das noch nicht genug wäre, ist der Stadt kürzlich auch noch ein Fehler unterlaufen. Bei der Planung wurde eine Installation der Bahn übersehen, weswegen ein Tunnel der Ausbaustrecke nun um ein paar Meter tiefer gelegt werden muss. Auch hier könnte der Bund Naturschutz die Daumenschrauben am Verhandlungstisch ansetzen. Bezeichnend ist vor diesem Hintergrund, dass Bürgermeister Vogel die Rolle der Regierung von Mittelfranken am Verhandlungstisch neuerdings in schillernsten Farben ausmalt. Nach außen gibt er sich Vogel freilich weiterhin demonstrativ gelassen. "Ich bin weiterhin guter Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzt und wir noch einen außergerichtlichen Vergleich erzielen." Bleibt die Frage, wann das ist und endlich der Vorhang fällt in diesem endlosen Trauerspiel. Einen strahlenden Helden, das steht schon heute fest, wird dieses Theaterstück nicht hervorbringen.