Nürnberg
Mit Schenkung und Luther punkten

Germanisches Nationalmuseum startet neue Sonderausstellungen im Mai und im Juli

13.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:30 Uhr

Yasmin Doosry präsentiert Zeichnungen von Georg Grosz aus der Schenkung von Hans Kinkel. - Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Das Germanische Nationalmuseum will im neuen Ausstellungsjahr mit Luther und Kolumbus punkten. Dank einer herausragenden Schenkung kann das Haus zum ersten Mal auch moderne Zeichnungen aus dem 20. Jahrhundert präsentieren.

So ein großes Geschenk bekommt das Germanische Nationalmuseum nicht alle Tage. 400 exquisite Zeichnungen der Moderne hat der kürzlich verstorbene Kunstsammler Hans Kinkel dem Nürnberger Museum vermacht. Darunter befinden sich Werke von so wohlklingenden Namen wie Georg Baselitz, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff.

"Wir sammeln nicht mit dem Eurozeichen im Auge", sagt Museumsdirektor Ulrich Großmann bei einem Gespräch, bei dem das Museum das kommende Kunstjahr mit seinen Ausstellungen in den Fokus gerückt hat. Die Schenkung der 400 Zeichnungen sei jedoch nicht nur in kunsthistorischer Perspektive bedeutsam. Die berühmte Sammlung hätte auch in materieller Hinsicht einen unschätzbaren Wert. Auf einen mehrstelligen Millionenbetrag taxiert Großmann die Schenkung vorsichtig.

"Zeichnungen von Meistern wie Lovis Corinth, George Grosz und Käthe Kollwitz - da kommt schon ein gehöriger Wert zusammen", ist sich der Museumsdirektor sicher und zeigt auf eine Porträtstudie von Georg Grosz, die Max Herrmann-Neiße zeigt.

"Das Originalgemälde hängt heute im Museum for Modern Art in New York", freute sich Yasmin Doosry, Leiterin der Graphischen Sammlung, am Dienstag in Nürnberg. "Von den meisten Künstlern aus dieser Epoche haben wir überhaupt keine Zeichnungen besessen", betonte Doosry und verwies auf die Ausstellung mit dem Titel "Von Kirchner bis Baselitz. Ein Jahrhunderterbe: Die Sammlung Hans Kinkel", die am 11. Mai eröffnet wird. Mit einer Auswahl von 100 Blättern gibt die Ausstellung einen ersten Überblick über das Vermächtnis des 2015 verstorbenen Kunstschriftstellers und Fotografen Hans Kinkel, der ein aufmerksamer Beobachter und Sammler der deutschen Kunstszene des 20. Jahrhunderts gewesen ist. Wohl weil Kinkel selbst Fotograf gewesen sei, bestehe seine Sammlung hauptsächlich aus Porträtzeichnungen, erklärte Doosry.

Mit nicht geringerer Spannung fiebert das Museum auf die Eröffnung der großen Luther-Schau im Sommer hin. Unter der Überschrift "Luther, Kolumbus und die Folgen" will die große Ausstellung zum Reformationsjahr neue Bezüge zwischen alter und neuer Welt herstellen. "Wir stellen uns die Frage, was Luther, die Reformation und die Entdeckung der neuen Welt miteinander zu tun haben", erklärte Kurator Thomas Eser, Leiter der Abteilungen Wissenschaftliche Instrumente und Medizingeschichte, Waffen und Jagdkultur im Nationalmuseum. Die Bevölkerung sei seinerzeit mit einem kompletten Wandel des theologischen Weltbildes und einer sich ändernden Weltgeografie konfrontiert gewesen. Die Entdeckung eines neuen Erdteils durch Kolumbus, die Reformation Luthers und das Weltbild des Copernicus - diese folgenreichen Neuerungen seien in dieselbe Zeit gefallen.

Die Ausstellung will der Frage nachgehen, wie die Zeitgenossen die extremen Umbrüche in der Reformationszeit auf allen Ebenen erlebt haben. Zumal die Augenzeugen im 16. Jahrhundert die Epoche keineswegs als Zeit des reinen Fortschritts wahrgenommen hätten, erklärte Eser. "Vielmehr fürchteten und beklagten die Zeitgenossen die permanenten Veränderungen", betonte der Kurator. Etablierte Glaubens- und Weltdeutungsmuster hätten nicht mehr ausgereicht, um die neuen Fragen der Zeit zu beantworten. In der Kunst habe sich in dieser Zeit eine Art "Endzeitstimmung" breit gemacht. Besonders die Maler seien von den Höllenqualen fasziniert gewesen und hätten sich auf das Thema des "Jüngsten Gerichts" mit Feuereifer gestürzt. "Es knacket die Welt an allen Enden", habe Luther damals vielsagend gesagt.

"Der Umgang mit den Neuerungen schwankte zwischen Aufbruchstimmung und Angst und setzte sowohl produktive wie destruktive Kräfte frei", erklärte der Macher der Ausstellung. Darin sei die Zeit der Entdeckungen und Glaubensreformation durchaus mit der Jetztzeit vergleichbar.

Mit diesen Ausstellungshighlights im laufenden Museumsjahr will das Haus wieder zahlreiche Besucher nach Nürnberg locken. Im letzten Jahr hätten laut Museumsdirektor Großmann rund 350 000 Besucher das Nationalmuseum besucht. Davon hätten allein über 160 000 die neu konzipierte Schau auf der Kaiserburg sehen wollen. Das sei laut Großmann ein neuer Rekord. Der Museumsleiter rechnet fest damit, dass die Besucherzahlen nach den aktuellen Baumaßnahmen auf der Kaiserburg - für insgesamt rund 20 Millionen Euro soll unter anderem ein Café auf der Burg entstehen - weiter nach oben steigen werden.

Ärger macht dem Museum derzeit nur die Bauverzögerung des geplantes Tiefdepots. Aufgrund der schwierigen Bodenbeschaffenheit müssten weitere Untersuchungen erfolgen, bevor für rund drei Millionen Euro das unterirdische Depot mit seinen fünf Stockwerken gebaut werden könne.