Nürnberg
Ein Verein lenkt die Marktforschung

Ohne GfK hätte Nürnberg wohl nie zum "Mekka der Marktforschung" in Deutschland werden können

28.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:25 Uhr

Nürnberg (HK) Er ist genauso unbekannt wie einflussreich: der GfK-Verein. Heute versteht sich der „Club“ als wissenschaftlicher „Think Tank“ und kontrolliert mit seiner Aktienmehrheit nebenbei die Geschicke der „Gesellschaft für Konsumforschung“ in Nürnberg.

Von Aldi über Coca-Cola bis zu Volkswagen: Im GfK-Verein tummelt sich das Who’s who der deutschen Wirtschaft. Wenn der Club sich einmal im Jahr trifft, bleiben die Mitglieder freilich unter sich. Hinter verschlossenen Türen werden dann Forschungsgelder verteilt, Personalfragen geklärt und wohl auch über das Geschäft gesprochen. „Wir kümmern uns nicht um die Dinge der Gesellschaft für Konsumforschung“, sagt indes Professor Raimund Wildner, der Geschäftsführer des GfK-Vereins, nach dem Clubtreffen im Nürnberger Kongresszentrum. Obwohl der Verein mit 20,5 Millionen Wertpapieren die Aktienmehrheit an der Gesellschaft für Konsumforschung halte, konzentriere sich man sich auf die grundlegende Erforschung der Marktforschung, sagt Wildner ganz bescheiden.

Wenn es ernst wird freilich, springt der Verein seiner Gesellschaft trotzdem zur Seite. Beispielsweise wenn die Unabhängigkeit des Vereins und seiner Gesellschaft in Gefahr gerät. Dann handelt der Club gerne nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. So geschehen bei der geplatzten Fusion mit dem britischen Konkurrenten Taylor Nelson Sofres (TNS) im Jahr 2008.

Damals hatte sich die Gesellschaft eine Bieterschlacht mit einem britischen Medienkonzern geliefert. Das fränkische Marktforschungsunternehmen wollte das Übernahmeangebot mit Hilfe einer Heuschrecke toppen. Im Hintergrund witterte der Verein die Gefahr, dass der Finanzpartner aus der Private-Equity-Branche über die Hintertür heimlich, still und leise die Kontrolle über die Gesellschaft für Konsumforschung übernehmen wolle. Der GfK-Verein mit seinen rund 600 Mitgliedern aus namhaften Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen stoppte den Bieterwettbewerb von heute auf morgen.

Ganz zur Freude von Nürnbergers Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), der selbstverständlich im Gesellschafterrat des einflussreichen Vereins vertreten ist. Noch heute lobt Maly die Entschlossenheit des Vereins, den Mutterkonzern „dauerhaft vor einer Übernahme zu schützen“. Wäre die GfK-Gesellschaft in fremde Hände geraten, hätte sich das „sehr nachteilig“ auf den Standort Nürnberg ausgewirkt.

Nicht nur deshalb kommt heute keiner auf die Idee, den alten Verein aufzulösen. „Unsere Aktien stehen mit 35 Millionen Euro in der Bilanz“, sagt der Geschäftsführer des Vereins, Professor Raimund Wildner. „Würden wir unsere stillen Reserven offenlegen, dann müssten wir kräftig Steuern zahlen. Das wollen wir vermeiden“, gesteht Wildner und fügt mit einem Lächeln hinzu. „Es läuft doch auch so ganz gut.“ In der Tat. Die Geschäfte laufen gut.

Das Aktienpaket des Vereins ist derzeit rund 850 Millionen Euro wert. Heute generiere der Konzern einen Umsatz von jährlich rund 1,5 Milliarden Euro. Vor 30 Jahren seien es noch rund 100 Millionen Mark gewesen. Auch das Geschäft selbst hat sich verschoben. „Heute verdienen wir 80 Prozent im Ausland. Vor 30 Jahren haben wir 80 Prozent unseres Umsatzes im Inland erzielt“, sagt Wildner und verweist darauf, dass der Verein das viele Geld in die Grundlagenforschung investieren wolle, um auch in der digitalen Welt von morgen die „Stimme des Verbrauchers zum Klingen“ bringen zu können. „Das aktuelle Thema heißt Facial Coding. Damit können Emotionen zum Beispiel beim Anschauen eines Filmes erfasst werden. Nun wollen wir auch herausfinden, welche Emotionen in der Stimme analysiert werden können“, kündigt Professor Wildner an.

Zum 75. Geburtstag hat sich der Verein auch mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt. „Wir haben in unserer Geschichte sehr gründlich recherchiert. Natürlich hat auch die GfK in der NS-Zeit für die deutsche Reichsregierung geforscht“, sagt Wildner. Damals sei es darum gegangen, welcher Konsum in Kriegszeiten noch wichtig sei. Auch Oberbürgermeister Maly sei es wichtig gewesen, dass „der Verein sich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hat“.

Der amerikanischer Historiker Jonathan Wiesen hat erst kürzlich die GfK-Archive durchleuchtet. „Ich war beeindruckt, wie modern die GfK-Reporte schon in den Anfangsjahren klangen“, erinnert sich Wiesen an die Recherche zu seinem Buch „Creating the Nazi Marketplace“ (2011) zurück. Seiner Meinung nach hätten sich die Marktforscher damals kaum von der NS-Ideologie beeinflussen lassen. Nicht von ungefähr habe mit Ludwig Erhard der spätere Vater der Sozialen Marktwirtschaft zu den maßgeblichen Figuren in den Anfangsjahren gehört. Für die heutige Zeit taugt das Vorbild GfK-Verein allerdings nicht. „Heute würde man wohl eine Stiftung und keinen Verein gründen“, sagt Professor Wildner.