Nürnberg
Angst vor dem Verkehrsinfarkt

Marode Hafenbrücken zwingen die Stadt Nürnberg zum Handeln – Entscheidung über 150-Millionen-Euro Projekt fällt heute

28.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:59 Uhr

Die Nürnberger Hafenbrücken sind so marode, dass sie so schnell wie möglich abgerissen und an gleicher Stelle für rund 150 Millionen Euro neu gebaut werden müssen. Die Bauarbeiten sollen 2019 beginnen. Um einen drohenden Verkehrskollaps rund um den Hafen während der viereinhalbjährigen Bauphase zu vermeiden, sollen zunächst Behelfsbrücken errichtet werden. - Foto: Dierenbach/Stadt Nürnberg

Nürnberg (HK) Die drei Hafenbrücken in Nürnberg sind so marode, dass sie die Stadt schnell ersetzen will. Das wird allerdings nicht billig. Eile ist trotzdem geboten. Heute entscheidet der Stadtrat über das 150-Millionen-Euro-Projekt.

Sie sind die Schlagadern des Schwerverkehrs in Nürnberg. Doch weil die drei Hafenbrücken total marode sind, muss die Stadt jetzt schnell handeln, um einen Verkehrsinfarkt zu vermeiden. Die Notoperation wird freilich nicht ganz billig. Rund 150 Millionen Euro will der Stadtrat am Mittwoch in die Hand nehmen, um die schwebenden Verkehrsachsen im Südwesten der Stadt abzureißen und neu aufzubauen.

Die drei Spannbetonbrücken über den Main-Donau-Kanal und die Südwestwesttangente haben Risse. In einem aktuellen Gutachten kommen Fachleute zu einem verheerenden Urteil: Die Brücken stellen ein „hohes verkehrliches und wirtschaftliches Gefahrenpotenzial dar und müssen schnellstmöglich ersetzt werden“, heißt es darin.

Die Ingenieure warnen davor, dass bei einer weiteren Verschlechterung des Bauwerkszustandes sogar „Bauwerkssperrungen“ möglich seien. Selbst ein „Bauwerksversagen“ könne nicht ausgeschlossen werden. Sofortmaßnahmen seien deswegen bereits beschlossen worden. Die Höchstgeschwindigkeit wurde auf 60 Kilometer pro Stunde begrenzt und die drei Hafenbrücken für den genehmigungspflichtigen Schwerverkehr gesperrt. Außerdem werden die Brücken einer jährlichen Risskontrolle unterzogen, damit die Brücken nicht plötzlich zusammenkrachen.

Um dieses Horrorszenario möglichst bald ausschließen zu können, wird der Stadtrat am heutigen Mittwoch wohl einen kompletten Neubau der drei Hafenbrücken beschließen. In einem Gutachten sind mehrere Varianten untersucht worden. Von einer Renovierung der Brücken raten die Experten ab. Dafür seien die Bauwerke zu marode. Die Stadtverwaltung empfiehlt den Ratsmitgliedern, für Variante IV zu votieren. Die maßgeblichen Vorteile seien die „schnellste Risikominimierung aufgrund des schnellstmöglichen Rückbaus der schadhaften Brücken“. Das Primärziel der frühestmöglichen Herstellung der Verkehrssicherheit könne mit dieser Variante „mit deutlichem Vorsprung gegenüber allen anderen Varianten am besten“ erreicht werden.

Freilich ist die beste Variante für die Stadt gleichzeitig die teuerste. Schließlich werden zunächst Behelfsbrücken gebaut, um einen Verkehrskollaps rund um das wichtige Logistikzentrum am Nürnberger Hafen zu vermeiden. Zweitens sollen die Bauarbeiten in viereinhalb Jahren in kürzester Zeit und ohne Baupausen erfolgen. Damit dies gelingen kann, muss die Stadt das komplette Geld für den Neubau der drei Brücken binnen weniger Jahre auf den Tisch legen. Andere Varianten würden teilweise mit einer mehr als zehnjährigen Bauzeit deutlich länger dauern. Für die Stadt ist der Brückenbau kein Pappenstiel. Das gesamte Projekt soll insgesamt etwa 150 Millionen Euro kosten.

Der Stadtrat wird diese bittere Pille heute wohl schlucken und grünes Licht geben müssen. Schließlich werden die Querrisse in den Brücken bereits als „äußerst bedenklich“ eingestuft. Wenn sich diese Risse vergrößern, seien zumindest temporäre Brückensperrungen nicht auszuschließen, warnen die Sachverständigen. Das wäre ein Alptraum für die Stadt im Allgemeinen und die Logistikbranche rund um den Hafen im Besonderen.

Die Stadt habe bereits „Notfall-Pläne“ für dieses „Worst-Case-Szenario“ in der Schublade liegen, sagt Marco Daume, der Technische Werkleiter des städtischen Servicebetriebs Öffentlicher Raum (SÖR). Gleichzeitig hofft Daume, dass die Stadt von möglichen Brückensperrungen verschont bleibt. Schließlich sind die Hafenbrücken nur einer von vielen aktuellen Bausteinen im gigantischen Verkehrspuzzle der Stadt. Der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellweges steht ebenfalls auf der Agenda der städtischen Infrastrukturprojekte ganz oben. Die zehnjährige Megabaustelle auf der A73 im Stadtgebiet sei bereits für den geplanten Neubau der drei Hafenbrücken zwischen den Jahren 2019 und 2023 berücksichtigt worden, sagt Daume.

Zu schaffen macht den Bauplanern derzeit freilich die Ungewissheit, wann genau der Ausbau des Frankenschnellweges starten kann. Der für 2016 geplante Baubeginn für den kreuzungsfreien Ausbau der A73 verzögert sich nach einem Gerichtsurteil um wohl mindestens drei Jahre. Derzeit hofft die Stadt, dass im Jahr 2019 die Bagger auf dem Frankenschnellweg anrücken dürfen. Dann hätte Nürnberg allerdings zeitgleich zwei Megaprojekte zu stemmen: die Sanierung der Hafenbrücken und der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellweges.