Meckenhausen
Meckenhausen schreibt Inklusionsgeschichte

Zum ersten Mal in Bayern nehmen hörgeschädigte Kinder am normalen Unterricht der Grundschule teil

16.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:14 Uhr

Monika Stanzel stellt den Erstklässern den hörgeschädigten Lukas vor: Er ist eines von sechs Inklusionskindern aus der Regens-Wagner-Schule Zell, die künftig in Meckenhausen zur Grundschule gehen - Fotos: Burgstaller

Meckenhausen (HK) Für 32 Kinder aus Meckenhausen und Umgebung war es der große Tag. Aber auch für die Grundschule war der Schulstart heuer etwas Besonderes: Mit einem bayernweit einzigartigen Pilotprojekt wird zusammen mit der Regens-Wagner-Schule in Zell ein Stück

Inklusionsgeschichte in Meckenhausen geschrieben.

Denn zum ersten Mal nehmen dort hörgeschädigte Kinder am normalen Unterricht teilnehmen. Sechs Zweitklässler des Förderzentrums Hören und weiterer Hörbedarf in Zell ziehen in diesem Schuljahr mit ihrer Lehrerin, dem Hilpoltsteiner Stadtratsmitglied Monika Stanzel, nach Meckenhausen in ein eigenes Klassenzimmer. Vier Tage pro Woche werden die Kinder dort unterrichtet, einen Tag in der Woche findet der Unterricht in Zell statt. Stundenweise werden sie gemeinsam mit den 17 Schülern der neuen Klasse 1a von deren Klassenleiterin Inge Benz, Monika Stanzel und einer Pflegekraft unterrichtet. „Dass eine Klasse eine Partnerklasse mit hörgeschädigten, leicht lernbehinderten Kindern bekommt, ist in Bayern noch nirgends ausprobiert worden“, sagt Heiko Sauer, der Leiter der Regens-Wagner-Schulen Zell.

Dass hier gestern der Grundstein für ein derartiges Pilotprojekt gelegt worden ist, ahnen die 32 kleinen Erstklässer jedoch noch nicht, als sie mit ihren Eltern aufgeregt quasselnd und mit dem brandneuen Schulranzen auf dem Rücken von der Kirche in ihre neue Schule kommen. Mancher ist schwer damit beschäftigt, die Schultüte vor sich herzutragen, ist sie doch annähernd so groß wie die Dreikäsehochs selbst. „Meine Schultüte ist ganz schön schwer“, sagt die sechsjährige Lili und sieht zu ihrer Mutter, „da sind bestimmt tolle Sachen drin.“ Sie grinst: „In der Schule freue ich mich auf sehr Vieles. Aber heute am meisten auf das, was in meiner Schultüte drin ist.“ Samuel aus Weinsfeld denkt schon an den Unterricht: „Aufs Rechnen freue ich mich.“

Dann geht es auch schon los, die Schulleiterin Jutta Gundel greift zum Mikrofon und begrüßt die kleinen und großen Gäste sowie die Ehrengäste, unter die sich auch Hilpoltsteins Bürgermeister Markus Mahl gemischt hat. Viel Zeit für große Reden sei aber heute nicht, sagt sie bestimmt, denn heute gebe es Wichtigeres.

Damit gibt sie gleich das Wort weiter an Heiko Sauer. Auch der begrüßt die Eltern und Kinder – sowohl in Laut- als auch in Gebärdensprache. Er erklärt den Kleinen, dass es unter ihnen fortan sechs Schüler gebe, die etwas anders seien, weil sie nicht so gut hören können. Deshalb mache er auch diese Zeichen mit den Händen.

„Das ist unsere Sprache“, erklärt auch Monika Stanzel, die zuerst die neuen Schüler mit den Hörgeräten vorstellt und dann zur Gitarre greift, um mit allen Anwesenden ein Lied anzustimmen. Dazu sollen alle gleich die passenden Gebärden mitmachen, die sie vorgibt. Als sie dann den Refrain „Hallo, schön, dass ihr da seid“ singt, machen alle mit. Die Hände fliegen nach oben und winken zum „Hallo“, die Kinder haben sichtlich Spaß an dieser neuen Art der Verständigung.

Dass das so bleiben wird, daran glaubt Jutta Gundel fest: „Ich denke, dass es den Kinder gefallen wird, gebärden zu lernen. Vielleicht sehen sie es als eine Art Geheimsprache“, mutmaßt sie. In welchem Umfang die Erstklässer die Sprache der Gehörlosen tatsächlich lernen werden, stehe aber noch nicht fest. „Ich werde mit den Kindern auf jeden Fall die Wochentage lernen und alles, damit wir jeden Tag gemeinsam beginnen können“, sagt Monika Stanzel.

Neu ist das Thema Inklusion in der Grundschule in Meckenhausen übrigens nicht: „Wir haben schon im Jahr 2000 mit Gruppen aus dem Auhof zusammengearbeitet und im vergangenen Schuljahr hatten wir ein festes Inklusionskind“, erzählt Gundel. Wie Sauer und Stanzel zeigt sie sich optimistisch, dass es auch mit den gehörlosen, leicht lernbehinderten Kindern gut funktionieren werde und beide Klassen bestenfalls die gesamte Grundschule gemeinsam durchlaufen werden. „Wir werden in ständigem Kontakt zueinander stehen und alles gemeinsam absprechen“, sagt Sauer.

Bevor der Schulalltag aber richtig losgeht und die ersten Klassen in ihre Klassenzimmer ziehen, werden sie noch von den Drittklässern mit einem Lied begrüßt. Danach gibt es allerdings kein Halten mehr. Der Run auf die besten Plätze im Klassenzimmer beginnt und in sekundenschnelle ist die gesamte Aula wie leer gefegt.