Aberzhausen
Was die Freiheitsstatue mit Aberzhausen verbindet

Die Familiengeschichte des Künstlers Frédéric-Auguste Bartholdi ist auch eine Geschichte der Gegenreformation in der Region

16.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr
Die berühmte Freiheitsstatue in New York hat ein Mann geschaffen, dessen Wurzeln in Aberzhausen liegen. −Foto: Foley/dpa

Aberzhausen (HK) New York und Aberzhausen – die Unterschiede könnten kaum größer sein zwischen der Millonenmetropole in den USA und dem kleinen Heidecker Ortsteil. Doch es gibt eine enge Verbindung: Die weltberühmte Freiheitsstatue hat ein Mann geschaffen, dessen Wurzeln in Aberzhausen liegen.

Frédéric-Auguste Bartholdi heißt der französische Bildhauer, der die Freiheitsstatue vor mehr als 130 Jahren schuf. Das fast 93 Meter hohe Werk steht auf Liberty Island im New Yorker Hafen und gilt als Geschenk des französischen Volkes an die Vereinigten Staaten. Die Idee für das Projekt der Freiheitsstatue geht auf eine Bemerkung zurück, die der französische Politiker Édouard René de Laboulaye im Jahr 1865 nach einem festlichen Abendessen machte. Diese Bemerkung war zwar nicht als konkreter Vorschlag gedacht, doch sie inspirierte den Bildhauer Bartholdi, der Gast des Festessens war.

Bartholdi gehörte einer adeligen und wohlhabenden französischen Familie an. Die Wurzeln dieser Familie reichen auch nach Aberzhausen. Anfang des 17. Jahrhunderts gab es hier eine evangelische Pfarrerfamilie Bartholdi, die in verschiedenen Urkunden und Schriftstücken auch Bardol, Bartel, Bartheln, Barthels, Barthol, Barthold, oder Bartholi geschrieben wurde – wohl nach der Lautsprache. Verfolgt man die Geschichte dieser Familie, unternimmt man eine Reise über 450 Jahre durch Norditalien, die Schweiz und Süddeutschland bis ins Elass und schließlich Paris.

Die erste beschwerliche Reise zu Fuß soll diese Familie im 16. Jahrhundert von Oberitalien über die Schweiz nach Monheim im Donauries gemacht haben. Es war eine Exulantenreise des evangelischen Glaubens wegen. In der Zwischenstation im schwäbischen Monheim soll Veit Barthol um das Jahr 1579 geboren sein. Er studierte Theologie und wurde Hilfspfarrer in Heideck, das dem damals evangelischen Fürstentum Pfalz-Neuburg angehörte. Veit Barthol verheiratete sich 1600 in Weißenburg in Bayern mit Walpurg, der jungen Witwe des evangelischen Bürgers, Lateinlehrers und Rates Christoph Nuding. Walpurg stammte aus der Weißenburger Gelehrtenfamilie Döderlein, die auch dem bekannten Turm in Hilpoltstein ihren Namen gab.

Veit Barthol studierte Theologie in Jena und Wittenberg und übernahm nach der Eheschließung die evangelische Pfarrstelle in Aberzhausen. Nach dem Tod seines Fürsten wurde wegen der Wittelsbacher Familienverträge ein katholischer Wittelsbacher zum Landesherren von Pfalz-Neuburg. Der seit 1542 evangelische Ort Aberzhausen wurde so im Jahr 1627 wieder katholisch nach dem damals geltenden Recht „wessen Land dessen Religion“. Pfarrer Veit Bartholdi wurde, wie es im „Ambergischen Pfarrerbuch“ niedergeschrieben ist, „infolge Gegenreformation abgesetzt“. Die evangelische Pfarrersfamilie Bartholdi, in der inzwischen vier Kinder in Aberzhausen geboren und aufgewachsen waren, musste den zur Heimat gewordenen Ort verlassen und um des evangelischen Glaubens willen einen anderen Zufluchtsort beziehungsweise Brotherren suchen.

Einen der Söhne von Veit Bartholdi, Veit der Jüngere, verschlug es in die seit 1533 evangelische Reichsstadt Frankfurt am Main, wo er er 1635 heiratete. Einer seiner Enkel war Egidius Franciscus Bartholdi (1723-1787), der als Apotheker und Ratsmitglied in Colmar im Elsass lebte. Anfang des 19. Jahrhundert heirateten einige Familienangehörige des Bartholdi-Clans in den evangelischen deutschen und französischen Adel ein sowie auch in den sogenannten Geldadel. Gelehrtenfamilien waren zu dieser Zeit willkommene Heiratspartner der höheren Gesellschaftsschichten. Und als ein Kind solcher Eheschließungen wurde Frédéric-Auguste Bartholdi am 2. August 1834 geboren.

Der Vater starb aber schon zwei Jahre nach der Geburt von Frédéric-Auguste. Die Witwe zog mit ihren Kindern danach aus Colmar in die Hauptstadt Paris. Dort wurde Frédéric-Auguste Bartholdi erst ein Schüler bekannter Künstler und Gelehrter und später selbst ein bekannter Bildhauer, Künstler sowie Weltreisender.

Sein Pseudonym „Haasenfratz“, mit dem Bertholdi teilweise seine Entwürfe unterzeichnete, ist den Forschern bis heute ein Geheimnis, allerdings lässt es sich wohl durch den alemannisch-fränkischen Dialekt im Elsass erklären. Der Deutsche heißt hier „Schwowe“ und „Haase“ ist das Wort für die Franzosen. Eine „Fratz“ ist eine Grimasse oder ein Grimassenschneider. Mit diesem Pseudonym brachte Bertholdi wohl seine Neigung zum Französischen in Ausdruck und seinen hintersinnigen Humor.

Am 25. März 1872 entschied er sich dann für die französische Staatsangehörigkeit. Seine Familie war über die Generationen hinweg wohlhabend geworden und Frédéric-Auguste Bartholdi konnte es sich anscheinend leisten, für seine Entwürfe meist auf ein Honorar zu verzichten. Sein Werkverzeichnis ist beträchtlich. Als einer der berühmtesten Bildhauer des 19. Jahrhunderts entwarf er auch den Brunnen vor dem Kapitol in Washington.

Sein berühmtestes Werk allerdings ist die New Yorker Freiheitsstatue, die von ihm eigentlich „Freiheit, welche die Welt erhellt“ genannt wurde. Die eiserne Dame hält in der rechten Hand eine Fackel und sollte im Prinzip auch die Funktion eines Leuchtturmes erfüllen, ähnlich wie die des Kolosses von Rhodos. Den Entwurf der Freiheitsstatue hatte Bartholdi eigentlich für den Suezkanal gemacht, doch die Ägypter hatten seinen Entwurf abgelehnt. Bartholdi gab seine Idee allerdings nicht auf und kam darauf, dass in Amerika der richtige Platz für diese Statue wäre. Das Gesicht der Statue soll das von Charlotte Bartholdi, der Mutter des Künstlers, sein.

Das Metallskelett für die Statue entwickelte dazu der französische Ingenieur Alexandre Gustave Eiffel, Erbauer des berühmten Eiffelturms zur Weltausstellung 1889 in Paris, der ebenfalls deutsche Wurzeln hat. Die Reise der Einzelteile von Frankreich nach New York dauerte fast einem Monat.

Frédéric-Auguste Bartholdi kam ebenfalls in die USA, heiratete dort und starb am 4. Oktober 1904 in Paris mit 70 Jahren an Tuberkulose. Das Ehepaar hatte keine Kinder. Allerdings gibt noch weitere Familienlinien der Bartholdi-Döderlein, in denen man bis heute immer wieder evangelische Pfarrer und Gelehrte finden kann, die in Deutschland und Frankreich leben und wirken.