Hilpoltstein
"Ich glaube, dass es was wird"

Politiker im Landkreis erwarten Einigung in Berlin - Minderheitsregierung als Ausweg

11.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr

−Foto: Kofer, Robert, Nürnberg

Hilpoltstein (HK) Waren die Jamaika-Verhandlungen noch ein großes Politspektakel auch für die Medien, verlaufen die Verhandlungen von Union und SPD nahezu geräuschlos.

Und vieles deutet auf eine Fortsetzung der bisherigen Regierung hin. Davon sind auch Vertreter von CSU und SPD im Wahlkreis Roth überzeugt, die sich in vielen Punkten erstaunlich einig sind.

"Ich glaube, wir sind so gut wie durch", sagt Marlene Mortler (kleines Foto links), CSU-Bundestagsabgeordnete aus Lauf über die Berliner Verhandlungsgruppe der CSU zum Thema Landwirtschaft. Selbst das umstrittene Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat sei kein Streitpunkt, sagt Mortler, die per Smartphone ständig in Kontakt mit den beiden CSU-Verhandlern Helmut Brunner und Christian Schmidt stand. "Der Einsatz gehört in gelernte Hände", sagt Mortler, im privaten Bereich soll das Mittel in Zukunft ganz verboten werden.

Doch nicht nur beim Thema Landwirtschaft sei man auf einem guten Weg, findet die CSU-Abgeordnete, die mit einer Aufnahme der Koalitionsverhandlungen rechnet. "Ich glaube, dass eine Mehrheit der SPD das auch will", sagt Mortler. Gestern flog sie nach Berlin, wo die CSU-Landesgruppe heute über eine Fortsetzung der Verhandlungen abstimmt. Kommt es zu einer Einigung, sollte man sich nach ihrer Ansicht aber einen anderen Namen als "GroKo" einfallen lassen. Einen Vorschlag hat sie schon: "schwarz-rote Regierung. Punkt."

"Es wird eine immer kleinere GroKo - auch in Bayern", bestätigt SPD-Kreisvorsitzender Sven Ehrhardt (rechts). Ihm wäre eine KoKo, eine Kooperationskoalition, lieber. Das heißt, einige wenige Eckpunkte werden zwischen CDU/CSU und SPD festgelegt, der Rest wird im Bundestag ausdiskutiert und mit wechselnden Mehrheiten beschlossen. Ehrhardt ist nach wie vor pessimistisch, was eine gemeinsame Regierung angeht. "Die gemeinsamen Schnittmengen sind aufgebraucht. Das wird kein Selbstläufer. Ich glaube schon, dass die Parteispitze verstanden hat, dass die Skepsis der Mitglieder sehr groß ist. Jetzt muss geliefert werden."

CSU-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Volker Bauer (2. v. l.) bestätigt: "Ich gehe davon aus, dass es Zugeständnisse an die SPD geben muss." Welche das sein könnten, weiß Bauer nicht, weil die Verhandlungsführer mit Informationen sparsam umgehen. Der "Buschfunk", wie Bauer die internen Nachrichten nennt, melde aber, dass man sehr zuversichtlich sein könne, dass man sich heute auf Koalitionsverhandlungen einigen wird. Ebenfalls aus dem Buschfunk hat Bauer die Gewissheit, dass sich die CSU in allen ihr wichtigen Punkten habe durchsetzen können. Die Ausweitung sicherer Herkunftsländer sei ebenso dabei, wie die leichtere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und die Begrenzung des Familiennachzugs sei praktisch fix. Der Soli werde nach und nach abgeschafft "und das Baukindergeld wird kommen", sagt Bauer. Begrüßen würde der CSU-Landtagsabgeordnete auch ein Einwanderungsgesetz. "Die aktuellen Herausforderungen zwingen uns zu einer Gesetzesinitiative." Die Erwartungshaltung an alle drei Parteien ist hoch. Die Leute erwarten eine Regierung." Er könne "aus Marketinggesichtspunkten" nachvollziehen, dass die SPD noch am Wahlabend verkündete, in die Opposition zu gehen. Doch jetzt sei die Lage anders. "Ich glaube, dass es was wird."

Wer den SPD-Bundestagskandidaten Alexander Horlamus (2. v. r.) aus Lauf hört, glaubt das sofort. Vor der Wahl hatte er eine GroKo vehement abgelehnt, gestern klingt der Rechtsanwalt schon versöhnlicher. Er sei immer noch kein großer Fan der GroKo, aber nachdem "die FDP ihrer staatspolitischen Verantwortung nicht nachgekommen ist", müsse man neu nachdenken. "Aber es gibt ja noch große Hürden." Sollte der SPD-Parteitag die Koalitionsverhandlungen absegnen, steht noch der Mitgliederentscheid im März an. "Ich kann im Moment nicht sagen, ob ich da zustimme. Es kommt entscheidend auf das Ergebnis an", sagt Horlamus. Es müsse ein vernünftiges sozialdemokratisches Programm erkennbar sein. In Sachen Migration zeigt er sich aber kompromissbereit. Er rede viel mit SPD-Stammwählern, "und die haben großes Bauchgrimmen mit dem Familiennachzug. Das sollte man ernst nehmen".

Hier ist Parteifreund Sven Ehrhardt anderer Ansicht: "Ich glaube nicht, dass das die Themen sind, die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes bestimmen." Das sein aus seiner Sicht die Rente, die Gesundheitspolitik, die gerechte Besteuerung von Vermögen und ein Ende des Flickenteppichs in der Bildungspolitik. "Ich bin sehr skeptisch, dass man bei diesen Themen zusammenkommt." Er sei nach wie vor für die Rolle der SPD in der Opposition. "Es muss bei den Verhandlungen ein wesentlicher Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit in diesem Land geleistet werden, damit ich über meinen Schatten springe", sagt der SPD-Bezirkstagskandidat. Da würde er lieber eine Minderheitsregierung sehen. "Das ist einfach Politik pur." Und ein Mittel gegen Politikverdrossenheit.

Zustimmung bekommt Ehrhardt da von CSU-Mann Volker Bauer: "Ich könnte auch mit einer Minderheitsregierung klarkommen. Das wäre basisdemokratisch." Hier ist Parteikollegin Marlene Mortler völlig anderer Ansicht. "Das mag in Brüssel funktionieren mit wechselnden Mehrheiten, aber es ist keine Basis für eine stabile Regierung." Auch von Neuwahlen hält sie nichts und erhält Unterstützung von SPD-Mann Horlamus: "Man kann nicht so lange wählen, bis es einem passt." Und Mortler ergänzt: "Wir müssen jetzt Verantwortung übernehmen." Die beiden Politiker aus Lauf würden sich in einer schwarz-roten Regierung sicher einig werden. Am Ende entscheidet aber die SPD-Basis.