Hilpoltstein
"Mein Kampf" bleibt ein Phantom

Kommentierte Neuauflage der Hitler-Hetzschrift ist im Landkreis bisher nicht zu haben

08.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:21 Uhr

Hilpoltstein (HK) Viel Rauch um nichts: Die neue, kommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, die seit dem gestrigen Freitag im Buchhandel ist, hat kaum Auswirkungen auf den Schulunterricht. Die Buchhändler im Landkreis haben kein Exemplar im Regal stehen, nur einer hat es bestellt.

„Für uns ist das keine große Neuerung“, sagt Karlheinz Thoma, Schulleiter des Gymnasiums Hilpoltstein über die Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“. „Das Buch wurde bei uns schon immer feinfühlig im Unterricht eingesetzt.“ Ein Geschichtslehrer hat dazu ein Original von Zuhause mitgebracht und die Schüler eine beliebige Seite aufschlagen lassen, um zu zeigen, welcher Unsinn in der Nazi-Kampfschrift stehe. Ohne Lehrer hatten Schüler keinen Zugang zu „Mein Kampf“, den kritischen Kommentar lieferte der Geschichtslehrer dazu. Der Stoff wird vorwiegend in der 9. und 10. Klasse behandelt.

Die gestern erschienene kritische Ausgabe haben Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte (IFZ) in München mit über 3500 Anmerkungen versehen. Damit soll das wirre Machwerk eingeordnet werden und eine anziehende Wirkung auf rechte Kreise verhindert werden. „Es ist ein Vorteil, dass ein entsprechender Kommentar dabei ist“, sagt Thoma. Er könne sich jetzt eher vorstellen, das Buch auch mal aus der Hand zu geben, für eine Facharbeit eines Schülers beispielsweise.

Wahrscheinlich werde seine Schule ein Exemplar der Neuausgabe anschaffen. „Aber das entscheidet die Fachschaft“, sagt Thoma. Privat werde er sich das Werk nicht anschaffen. Er habe zwar noch ein Original von den Schwiegereltern daheim, „aber ich habe noch nicht darin gelesen“.

„Es ist der Wunsch des Kultusministeriums, dass wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigen“, sagt Peter Kroner, Fachbetreuer für Geschichte am Gymnasium Hilpoltstein. Geplant sind zum Beispiel Lehrerfortbildungen ab Februar. Aber konkret habe er noch nichts aus dem Ministerium an die Hand bekommen, so Kroner. „Die große Änderung wird sich bei uns wahrscheinlich nicht ergeben“, sagt Kroner. Die Fachschaft werde sich im Frühjahr mit dem Thema befassen und dann auch entscheiden, ob man die IFZ-Ausgabe anschaffen werde. „Wie alle Schulen bestückt werden sollen, ist mir allerdings ein Rätsel.“ Denn die Ausgabe hat nur eine Auflage von 4000 Stück.

„Das Buch wird eher in wissenschaftlichen Bibliotheken stehen. Dafür ist die Erstauflage wohl auch gedacht. Für die schulische Verwendung wird es nicht relevant sein“, vermutet Johannes Novotny, Schulleiter des Gymnasiums Wendelstein. Zu groß, zu umfangreich, zu wissenschaftlich seien 2000 Seiten. Das Thema Nationalsozialismus spiele zwar in der 9. Klasse eine „zentrale Rolle“ im Unterricht, aber „Mein Kampf“ werde da mehr unter dem Blickwinkel behandelt, ob man das Buch freigeben sollte oder nicht. „Das ist für die Schüler durchaus spannend“, sagt Novotny. Flankiert wird das Thema NS-Zeit in Wendelstein durch eine Exkursion ins Konzentrationslager Dachau.

Wer über den Kauf der Neuausgabe nachdenkt, muss sich also gedulden. Denn im Regal eines Buchhändlers steht das Werk zumindest im Landkreis Roth derzeit nicht. Das hat vor allem zwei Gründe: Viele lehnen es prinzipiell ab, „Mein Kampf“ ins Sortiment aufzunehmen, zudem ist das Buch schwer zu beschaffen. „Wir haben es nicht im Angebot und wollen es auch nicht aufnehmen. Das widerspricht unseren Prinzipien“, sagt Barbara Stülp von der Rother Buchhandlung Genniges. „Ich muss jetzt den Laden nicht damit schmücken. Ich habe auch noch keinen Prospekt und keine Werbung vom Verlag gesehen“, sagt Axel Feuerlein von der gleichnamigen Buchhandlung in Roth.

Die Hilpoltsteiner Buchhandlung Schmid hat die Neuausgabe von „Mein Kampf“ zwar bestellt, geliefert wurde sie allerdings nicht, wie Barbara Treffer erklärt. Wenn es kommt, „stellen wir es ins Regal“.

Ob die Buchhandlung Schmid überhaupt zum Zug kommt, ist bei der kleinen Auflage fraglich. Auch der Preis von 59 Euro und 2000 Seiten Stoff sind nicht gerade ein Verkaufsargument. „Es gibt ja schon kommentierte Ausgaben, die wesentlich billiger sind“, sagt Barbara Treffer. Ein Kunde aus dem eher rechten Spektrum habe zwar schon nachgefragt, „aber der wollte nur das Original haben“. Das ist in Deutschland übrigens frei erhältlich. Weder Besitz noch Kauf oder Verkauf des Originals sind strafbar. Und nicht alle der über zehn Millionen gedruckten Exemplare sind beim Einmarsch der Alliierten 1945 im Ofen gelandet.