Hilpoltstein
Wenn die Ratsherren mit dem Henker speisen

Das Elend eines Zwingergefängnisses und der Glanz eines Fürstenhofs liegen in Hilpoltstein dicht beieinander

30.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr

Im Gewölbekeller Zwinger (links) geht es heute recht gastfreundschaftlich zu. Wohlweislich fest verankerte Waffen an der Wand erinnern an andere Zeiten. Dass die Stadtwache sich hier Gefechte geliefert hat, weil der eine Teil wachte und der andere becherte (wie diese Szene nachstellt), scheint möglich. Was haben Nachtwächter Gottfried Gruber und Burgvogt Stefan Ehrenfried (rechtes Bild, von links) wohl Schlimmes verbrochen, dass sie in den „Bäckertraufen“ Platz nehmen müssen - Fotos: Leykamm

Hilpoltstein (lkm) Darauf hat die Stadtwache nur gewartet: Am diesjährigen Festzug des Burgfestes marschieren die Bettler und Gaukler direkt vor ihnen. „Auf sie mit Gebrüll!“ heißt es dann, wenn die getriebenen Späße zu bunt werden.

Wenn die armen Damen und Herren vom Rande der damaligen Gesellschaft nicht aufpassen, könnten sie auch im Gefängnis der Zwingeranlage landen und gar schauerlichen Torturen ausgeliefert werden. Doch die vergitterte Strafanstalt ist hier ebenso Geschichte wie die wenig liberalen Methoden des Strafvollzugs. Von ihnen künden heute allerdings noch verschiedene Gerätschaften, die der Gast erblickt, wenn er den Gewölbekeller namens Zwinger betritt, wo ein Gasthaus eher Schmackhaftes denn Schreckliches verheißt. Zu den Hockern am Tresen gesellen sich hier ein paar sogenannte „Bäckertraufen“, in denen auch zu Dorothea Marias Zeiten jene Lebensmittelhandwerker gesperrt wurden, die es mit ihrer Kunst nicht so genau nahmen – und dies zum großen Nachteil des Kunden. Heute aber macht es weder Nachtwächter Gottfried Gruber noch Burgvogt Stefan Ehrenfried etwas aus, in diesen eigenwilligen Sitzmöbeln zu Fotozwecken Platz zu nehmen – bedroht von einem grimmigen Bürgerwehrler. Das Erleben jenes Gebäudes selbst ist Teil der von Ehrenfried geleiteten Gastrotour, die sich in Hilpoltstein immenser Beliebtheit erfreut. Während er und Gruber in den Traufen über ihr Leben sinnieren können, fällt der Blick auf mittelalterliche Waffen, die hier an den Wänden und oberhalb des Tresens zu sehen sind. Sie seien „vorsichtshalber fest verankert“, so Ehrenfried. Die Hellebarden sind hier ebenso zu Hause wie der Morgenstern (auch Kriegsflegel genannt). Sogar eine „Wohnung des Bürgermeisters“ ist hier für den Stadtchef reserviert – allerdings recht eng und wenig komfortabel.

In der Zwingeranlage von einst war übrigens nicht nur ein Gefängnis, sondern im vorderen Bereich auch ein Badehaus untergebracht. Während in dem Verlies der Begriff „Henkersmahlzeit“ eindeutig und zwar extrem negativ belegt war, hatte er wenige Meter oberhalb im Fürstenhof einen sehr viel besseren Klang. Nach jeder Hinrichtung nämlich trafen sich dort die Ratsherren samt Bürgerwehr, um es sich gut gehen zu lassen – der Henker feierte natürlich mit.

Je nachdem, wie böse der Bösewicht war, der gerade sein Leben lassen musste, konnte die Festivität da schon einmal größere Züge annehmen. Nachtwächter Gottfried Gruber nennt folgende Faustregel: ein zünftiges Henkersmahl entsprach zwei Hochzeiten. Eigentlich aber hatte der Fürstenhof eher mit Glaubensüberzeugungen denn mit Henkersmahlzeiten zu tun.

Denn als in Hilpoltstein die Gegenreformation um sich griff, beharrte Pfalzgraf Johann Friedrich (der Neffe von Dorothea Maria), der vor 400 Jahren hier Wohnstatt nahm, auf seinen evangelischen Glauben. Dem durften auch die Hofbediensteten treu bleiben – samt des Wirts des Fürstenhofes. Im vergangenen Jahrhundert mutierte der zum Theater- und Vereinssaal der Kolpingfamilie sowie zur Gastwirtschaft und zum Kino.

Zwei Brände musste das Gebäude auf seine alten Tage noch über sich ergehen lassen, bevor es der Abrissbirne zum Opfer fiel. Heute finden sich im Nachfolgebau an gleicher Stelle Ärztepraxen, eine Apotheke und eine Pizzeria wieder.