Hilpoltstein
Wenn der Wecker spricht

Ausstellung mit Hilfsmitteln erleichtert Blinden und Sehbehinderten das Leben Aktion im Gesundheitszentrum

18.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:10 Uhr

Ein spezielles Lesegerät ermöglicht Benedikt Regensburger das Lesen kleiner Schrift. - Foto: Meyer

Hilpoltstein (HK) Wenn die Augen schwächer werden, sind die Betroffenen auf Hilfe angewiesen. Viele praktische Tipps hat gestern die gleichnamige Ausstellung im Rother Gesundheitsamt gegeben. Initiatorin Elfriede Meyer freute sich über die Resonanz.

Wenn Benedikt Regensburger aus dem Hilpoltsteiner Ortsteil Hagenbuch seine Zeitung in das Lesegerät steckt, tauchen auf dem dazugehörigen Bildschirm riesige Buchstaben auf. Der 88-jährige ist froh, dass er sich jeden Tag an das Gerät setzen kann, denn ohne sei er gar nicht mehr in der Lage, seine Heimatzeitung - den Hilpoltsteiner Kurier - zu lesen. Dabei sei das doch seine Leidenschaft - seit 61 Jahren. Regensburger will informiert sein, über das, was vor seiner Haustüre passiert und in der ganzen Welt. Deshalb ist er glücklich über dieses Lesegerät für Sehbehinderte, das bei der Ausstellung genauso gezeigt wird wie ein sprechender Wecker, extreme Vergrößerungsspiegel, ein Fühlmemory und Dutzende anderer nützlicher Dinge für Menschen, die nicht mehr so gut sehen oder sogar blind sind.

Benedikt Regensburger hat nur noch ein Sehvermögen von zehn Prozent, vor seinen Augen erscheint alles undeutlich und verschwommen. Lupe und Vergrößerungsgerät nützen ihm deshalb wenig. Nach Roth hat ihn seine Tochter Gabi Loose gebracht, damit er sich in Ruhe informieren kann. "Die Ausstellung ist gut", lobt der 88-Jährige.

Hinter der Ausstellung steht Elfriede Meyer vom Landratsamt in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und dem Blinden- und Sehbehindertenbund. Die Blinden- und Sehbehindertenberaterin des Landkreises freut sich, den Besuchern unterschiedlichste Hilfsmittel in insgesamt 15 Rubriken präsentieren zu können: vom Essen über Gesundheit bis zum Schreiben. "Hier kann man alles auf kleinstem Raum befühlen, ausprobieren und sich eine Vorstellung davon machen", erklärt Meyer. Sie hat zum Beispiel Kalender in vier verschiedenen Schriftgrößen dabei. "Das muss man sich anschauen und die passende Schriftgröße aussuchen", erklärt die Expertin. "Das kann ich nicht am Telefon erklären."

Für den 90-jährigen Karlheinz Krämer aus Roth sind die kleinen und großen Helferlein für den Alltag immens wichtig. "Ich lebe alleine und es hat nicht immer jemand Zeit für mich", sagt der sehbehinderte Mann. Er geht gerne alleine einkaufen, aber es fällt ihm schwer, die Schrift auf den Verpackungen zu entziffern. Angetan hat es ihm deshalb ein sprechender Barcodescanner, der einem verrät, ob man gerade Pfirsiche oder Ananas in der Dose vor sich stehen hat.

Ein schwieriges Kapitel für Sehbehinderte und Blinde ist das tägliche Essen und die Zubereitung von Speisen. Auch hier können kleine Hilfsmittel Wunder vollbringen. Eine sprechende Küchenwaage unterstützt genauso wie ein Messer mit doppelter Klinge, das Blinde und Sehbehinderte in die Lage versetzt, gleichmäßige Scheiben zu schneiden. Und ein Füllstandsanzeiger hilft dabei, dass ein Glas beim Einschenken nicht überläuft.

Um den Besuchern ganz praktische Tipps an die Hand zu geben, haben Elfriede Meyer und ihre Helfer sogar einen gedeckten Tisch aufgebaut. "Eine einfache und doch effektive Methode ist das Nutzen von Kontrasten", erklärt Meyer. So falle es jemandem mit eingeschränktem Sehvermögen oft leichter, ein Getränk in eine Tasse oder ein Glas einzugießen, wenn sich das Geschirr deutlich andersfarbig vom Untergrund abhebt. Eine simple Möglichkeit ist das Verwenden von farbigen Tischsets und von gefärbtem Glas und farbigem Geschirr, wie Meyer erklärt.

Über die Ausstellung hinaus bietet sie ein "Esstraining" an. "Oft kommt die Erkrankung schleichend, da braucht man gute Tipps, um nicht zu verzweifeln", erklärt Elfriede Meyer. Sie selbst ist vom Nutzen ihrer Hilfsmittel überzeugt: "Mir ermöglichen sie ein selbstständiges Leben."

Aber auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen: nämlich beim Spielen. Das "Mensch ärgere dich nicht" für Blinde und Sehbehinderte zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass man die Farben der Figuren dank unterschiedlicher Kopfformen ertasten kann. Und beim Fühlmemory kann man ebenfalls den Tastsinn einsetzen, um problemlos mitspielen zu können.

Zum ersten Mal in seiner fast zehnjährige Geschichte ging der Aktionstag nicht im Landratsamt, sondern im Gesundheitszentrum über die Bühne. So musste sich auch Elfriede Meyer neu orientieren und zurechtfinden, wie sie zugab. Deshalb holte sie sich Unterstützung bei den Auszubildenden im Landratsamt, die nicht nur ihr zur Seite standen, sondern auch den vielen Besuchern halfen und sie beispielsweise von der Bushaltestelle vor der Haustüre bis zur Ausstellung begleiteten. Die Auszubildende Kristin Meixner freute sich, auch persönlich von der Aktion zu profitieren: "Ich mache mir jetzt einfach viel mehr Gedanken, man wird schon sensibilisiert."