Hilpoltstein
Zuflucht in größter Not

Schwabacher Frauenhaus bietet Unterschlupf - Verein muss sich selbst um Spenden kümmern

13.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr
Solche schrecklichen Szenen wie auf diesem Symbolbild haben Frauen erlebt, die vor der Gewalt ihrer Männer ins Frauenhaus Schwabach flüchten. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen sind bei ihrer Hilfe auf Spenden angewiesen. −Foto: dpa

Hilpoltstein (HK) Schutz vor Gewalt ist die Aufgabe des Anna-Wolf-Frauenhauses in Schwabach. Dort finden Frauen Unterschlupf, die nicht mehr weiter wissen. Bei ihrer Arbeit sind die Verantwortlichen auf Spenden angewiesen.

Wenn Frauen die Schwabacher Telefonnummer 81919 wählen, haben sie oft schon ein jahrelanges Martyrium hinter sich - so wie eine 34-Jährige, die von ihrem Freund regelrecht gefoltert wurde. Sogar ein Kontaktverbot durch die Polizei konnte sie vor einer neuerlichen Prügelattacke nicht schützen. Ihr Freund zertrümmerte einen Laptop auf ihrem Kopf, weil er glaubte, sie ginge im Internet der Prostitution nach.

Ein Extremfall? Vielleicht. Aber Gewalt gegen Frauen, stellt Andrea Hopperdietzel (kleines Foto) klar, ziehe sich durch alle Gesellschafts- und Altersschichten und betreffe auch nach außen scheinbar "ganz normale Familien". Und es sei eine unterschätzte Gefahr: Laut Hopperdietzel ist Gewalt das größte Gesundheitsrisiko für Frauen - noch vor Unfällen und Krebserkrankungen.

Wie groß, das wird den Mitarbeiterinnen des Schwabacher Frauenhauses jeden Tag aufs Neue vor Augen geführt. "Wir sind die Stelle mit den meisten Faxen", erklärt Hopperdietzel. Hinter diesem zunächst kryptischen Satz steckt eine grausame Wahrheit. Denn fast täglich trudelt in der vor zwei Jahren neu eingerichteten Interventionsstelle im Frauenhaus ein schriftliches Fax ein, in dem die Polizei um Hilfe für eine von Gewalt bedrohte Frau bittet.

Daraufhin rufen die Mitarbeiterinnen der Interventionsstelle an - proaktiver Ansatz nennt sich das - um mit den Frauen zu besprechen, welche Möglichkeiten sie in ihrer misslichen Lage haben. Bis zu drei Beratungsgespräche dürfen in Anspruch genommen werden.

"Wenn bereits die Polizei involviert ist, geht es meist um Fälle massiver Gewalt", erklärt Hopperdietzel. "Da sind die Frauen nur noch auf Überleben getrimmt." Die Beraterinnen klopfen ab, ob Waffen im Spiel sind, sie sich beispielsweise einen Schrillalarm beschaffen oder gleich ins Frauenhaus ziehen sollten. Leer steht selten eines der zehn Zimmer.

Häufig bedeutet Gewalt gegen Frauen auch Gewalt gegen Kinder. Denn die Peiniger machen selbst vor dem eigenen Nachwuchs nicht Halt. "Ein Junge berichtete mir, dass er jeden Tag von seinem Vater geschlagen wurde", erzählt Andrea Hopperdietzel. "Und als Teenager durfte er zum ersten Mal seinen Geburtstag feiern." Trotzdem oder vielleicht gerade wegen der Kinder fällt es Frauen schwer, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen.

"Drei Viertel von ihnen haben Gewalt schon in der Kindheit erlebt", weiß Hopperdietzel. "Eine hat mir mal erzählt: Es sind sowieso alle Männer so". Also könne sie auch bleiben. Andere wiederum machen sich lange selbst etwas vor, hoffen, dass sich der Partner doch noch ändert, glauben, der andauernde berufliche Stress sei schuld an den Gewaltausbrüchen.

"Das schaukelt sich hoch", erzählt Hopperdietzel. "Und dann fällt es den Frauen immer schwerer, die Kraft aufzubringen und ihren Mann zu verlassen." Zumal die Betroffenen möglicherweise sogar ihrer Existenz beraubt werden. "Manche Frauen kommen mit rein gar nichts ins Frauenhaus." Da seien sie froh, wenn sie mit Zahnbürste, Notproviant und Kleidung versorgt werden, um die ersten Tage zu überbrücken.

Getragen werden das Anna-Wolf-Frauenhaus und die Interventionsstelle vom Verein "Hilfe für Frauen in Not Roth-Schwabach". "Wir müssen Eigenmittel aufbringen, damit wir überhaupt existieren können", erklärt Hopperdietzel. Natürlich gebe es staatliche und kommunale Zuschüsse, aber die reichten angesichts des Arbeitsvolumens hinten und vorne nicht aus.

Ein Hilferuf von Hopperdietzel an den Kreistag Roth blieb nicht ungehört: Landrat Herbert Eckstein sicherte spontan die Aufstockung des Landkreisanteils zu. Das bedeutet wenigstens ein Stück Erleichterung für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen, die von vielen Ehrenamtlichen unterstützt werden. Der Einzugsbereich des Frauenhauses umfasst die Stadt Schwabach sowie die drei Landkreise Roth, Nürnberger Land und Weißenburg-Gunzenhausen.

Darüber hinaus ist der Verein auf Spenden angewiesen. "Ohne die könnten wir das Frauenhaus gar nicht betreiben", sagt Hopperdietzel nüchtern. Ob Matratzen, Decken und Vorhänge für die Schlafzimmer, Spielgeräte im Frauenhausgarten oder die Erstversorgung für die Frauen, die nichts dabei haben: All das finanziert das Frauenhaus aus Spenden. "Wir freuen uns auch, wenn wir an Weihnachten mal kleine Geschenke für die Kinder kaufen können", erzählt Hopperdietzel.

Sie ärgert sich darüber, dass der Staat nicht mehr Geld investiert: "Ich persönlich würde das Frauenhaus vergolden, wir ersparen damit nicht nur viel Leid und Elend, sondern auch Ausgaben für Krankenkassen, Polizei, Gericht und Arbeitsamt." Und für die Frauen bedeute es ein "Sprungbrett in ein eigenes, selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben."