Hilpoltstein
Vogelkundler und Vermittlungskünstler

Artenschutzreferent Andreas von Lindeiner vom LBV gilt als einer der angesehensten Ornithologen

05.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:16 Uhr

Mit dem Feldstecher in der Natur: Andreas von Lindeiner ist der Artenschutzreferent des Landesbundes für Vogelschutz. - Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Artenschutzreferent: Das klingt nach einem Job, bei dem man seinen Idealismus ausleben und auf Anerkennung hoffen darf. Diese wird Andreas von Lindeiner auch zuteil. Der Artenschutzreferent beim Landesbund für Vogelschutz gilt als einer der angesehensten Ornithologen in Deutschland. Aber sein Job kann auch knifflig werden.

Etwa wenn es um den Biber und den Kormoran geht – oder um die Windkraft. Bei all diesen Themen ist Andreas von Lindeiner an vorderster Front gefragt. Aus seiner langen Erfahrung weiß er, dass der Konfrontationskurs in der Regel nichts bringt, sondern dass die besten Lösungen nur im Dialog gefunden werden. Und dass das eigene gute Beispiel in Sachen Natur- und Artenschutz am stärksten überzeugt.

Das wird beim Gespräch mit dem Experten schon vor der Haustüre der LBV-Geschäftsstelle im Hilpoltsteiner Eisvogelweg deutlich. Denn der dortige kleine Garten ist eigentlich schon ein kleines Biotop. Ein Stück Wildnis in der Stadt. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass so etwas verpönt gewesen sei, sagt von Lindeiner. Aber auch dank des LBV hat sich einiges geändert. Der Verband will auch vor der eigenen Haustür zeigen, dass es gelingt, urbanes Leben und die Natur zu kombinieren.

„Wenn wir das nicht demonstrieren, wer soll es dann tun“, wirft Lindeiner die Frage auf. Und genau darum geht es ihm. Die Menschen in seinem direkten Umfeld an den Naturschutz heranführen – und den Naturschutz eben nicht nur auszulagern. „Es geht nicht nur um die Blumen auf der Alm“, sagt der Referatsleiter. Sondern um das bewusste Wahrnehmen von Flora und Fauna an Ort und Stelle. Erst kürzlich habe ihm einer erzählt, dass er das erste Mal eine blühende Kornblume gesehen habe: „Das ist ein Hoffnungsschimmer.“

Denn bereits bei so bekannten Pflanzen schwindet das Allgemeinwissen in der Bevölkerung, stellt der Artenschutzreferent fest. Wie also sollen sich die Menschen dann Sorgen machen können um das Acker-Gauchheil? Zumal es auch noch leicht giftig ist – früher aber war es als Mittel gegen Augenleiden und Gemütskrankheiten bekannt, wie von Lindeiner erzählt.

Das Verschwinden von Arten wird in der Bevölkerung gar nicht mehr realisiert, weil sie ihnen gar nicht bekannt sind, bedauert der Mann vom LBV. Umso mehr freut es den renommierten Ornithologen, wenn Spaziergänger Feldlerchen entdecken, sie auch identifizieren können – und sich freuen, dass sie noch da sind. Beim Rebhuhn geht das schon gar nicht mehr, es ist von der Bildfläche verschwunden. Aber auch „Allerweltsarten“ unter den Vögeln sind immer mehr in Gefahr. Plätze im Landkreis, in denen der Kiebitz brütet, gebe es nur noch zwei. „Er ist bald kein heimischer Vogel mehr“, stellt der Experte ernüchtert fest.

Für allzu einfache Gleichungen wie etwa von der „guten Natur“ und dem „bösen menschlichen Eingreifen“ ist Andreas von Lindeiner allerdings nicht zu haben. Gerade durch die Nutzung von Flächen wie etwa bei Beweidung könne der Naturschutz vorangetrieben werden. Auch lasse sich etwa am künstlichen Rothseedamm ein besonders großer Reichtum an Arten feststellen.

Ein echter Coup gelang dem Ornithologen kürzlich beim schwierigen Thema Windkraft. Nämlich als er einen Investor davon überzeugen konnte, mit dem Bau seiner Anlagen noch so lange zu warten, bis die Brutzeit des Schwarzstorchs beendet war. „Da muss man nicht gleich die juristische Keule schwingen – mit freundlichem Umgang miteinander lässt sich viel mehr erreichen“.

Deutlich wird dies auch im Dialog mit den Landwirten. Denn die wollen natürlich Erträge von ihren Feldern erwirtschaften. Darauf findet sich aber teilweise die Wiesenweihe, die dort brütet. Diese Grundstücke ermitteln die Betreuer des LBV und bitten dann die Landwirte, die entsprechenden Ecken bei der Ernte auszusparen. Die Resonanz darauf ist positiv, wie Andreas von Lindeiner berichtet. „Ich kann sie doch nicht zusammenfahren!“, habe etwa einer der Bauern seine Solidarität mit den Vögeln bekundet. So entsteht eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens und Respekts. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Naturschützer sich bisweilen auch „einer strammen Gegnerschaft“ gegenübersehen, wie von Lindeiner einräumt.

Da gilt es dann der Versuchung zu widerstehen, zum Kampf zu blasen. „Gladiatorenkämpfe sind nur fürs Publikum unterhaltsam“, sagt der Fachmann, der vor 53 Jahren in Hamburg das Licht der Welt erblickte. In jungen Jahren durfte er das Landleben in Schleswig-Holstein genießen und hat in dieser Zeit seine Leidenschaft für die Natur entdeckt. Schon seit 21 Jahren ist er in Hilpoltstein zu Hause. „Hier werde ich auch in Rente gehen“, lässt er durchblicken. Denn hier scheint es ihm richtig gut zu gefallen. Zur Arbeit fährt er natürlich mit dem Fahrrad. Nicht ganz so klimaneutral sind seine Aktivitäten über Hilpoltstein hinaus. Denn Andreas von Lindeiner ist auch Präsident des Deutschen Rats für Vogelschutz und damit gefragter Gesprächspartner im ganzen Land und darüber hinaus. Entsprechend groß ist sein Aktionsradius, der nicht mit dem Fahrrad abgestrampelt werden kann. „Ein Müsli-Öko bin ich also nicht“, sagt der Artenschutzreferent des LBV im Scherz.