Hilpoltstein
In der Gegenrichtung durch die Einbahnstraße

Bürger und Planer wagen sich gemeinsam an neues Radwegekonzept Viele Problemstellen und sehr verschiedene Bedürfnisse

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Mit dem Stift über die Straßenkarte: Vor allem in der Hilpoltsteiner Innenstadt markieren Radwegeplaner Günter Bendias und die Teilnehmer der Bürgerwerkstatt viele Schwachstellen. - Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Wer mit dem Fahrrad in Hilpoltstein unterwegs ist, kann auf den ersten Blick nicht über die Radwege klagen. Doch bei näherer Betrachtung zeigen sich etliche neuralgische Stellen. Deshalb soll ein neues Radwegekonzept her. Daran haben jetzt auch die Bürger mitgearbeitet.

In großer Runde trafen sich Planer und Bürger am Wochenende in der Mittelschule, um das Radwegekonzept gemeinsam auf den Weg zu bringen. Beauftragt hat die Stadtverwaltung nach dem Stadtratsbeschluss das deutschlandweit agierende Ingenieurbüro "brenner Bernard". Den Anstoß zum Konzept hatte der ehemalige Bürgermeister und jetzige Radwegebeauftragte der Stadt, Helmut Neuweg, gegeben.

Vor einigen Wochen ist die Stadt zudem der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen" (AgfK) beigetreten - und als eine solche will sich Hilpoltstein letztlich auch zertifzieren lassen. Am Ende der Bemühungen sollen alle, die in der Stadt mit dem Drahtesel unterwegs sind, auf ihre Kosten kommen und vor allem sich sicher fortbewegen können.

Diplomgeograph Günter Bendias und Projektingenieurin Vanessa Platz vom besagten Büro hatten vor der Bürgerwerkstatt schon Vorarbeit geleistet, sich selbst auf die Räder geschwungen und die Situation in der Stadt erkundet. Die Lage in Hilpoltstein sei an sich positiv, sagten sie. Davon künde auch der überdurchschnittlich hohe Anteil an Radlern im Straßenverkehr und die Tatsache, dass auch zahlreiche Schüler hier diese Art der Fortbewegung nutzten. Viele Tempolimits und Abstellplätze für Räder sorgten dafür, dass dies auch gut möglich sei. Ausleihmöglichkeiten und die E-Bike-Ladestation am Marktplatz wurden ebenfalls gelobt.

"Es ist bereits eine gute Infrastruktur vorhanden", so Bendias. Als Tourist aber "würde mir die Länge der Radstrecken nicht reichen." Und schon war er bei den Punkten angelangt, die der Verbesserung bedürften. Zum Beispiel die beidseitigen Radwege innerorts. Die seien "kritisch zu sehen, denn da wird der Radfahrer öfter mal übersehen." Das Tückische daran: Der Radfahrer fühle sich auf seinem Weg zwar sicher, sei aber "an jeder Einmündung und Ausfahrt gefährdet".

Auch die Radwege auf dem Bordstein hätten ausgedient. Als diese vor Jahrzehnten gebaut wurden, "sind die Planer sehr autoorientiert vorgegangen", sagte Bendias. Doch so habe man den Radlern etwa an Kreuzungen die Fahrt im rechten Winkel aufgezwungen - unliebsame Umwege, die das Radfahren unattraktiv machen. Heutzutage sei es dagegen das Ziel, so attraktiv zu planen, dass die Radwege auch akzeptiert würden. Um dies zu verbessern, fehlten in Hilpoltstein etwa Querungshilfen. Oft erwiesen sich auch Barrieren, die eigentlich der Sicherheit dienen sollten, als böse Sturzfallen. Darüber hinaus ist es für Bendias wenig sinnvoll, Fußgänger und Radfahrer an Ampeln lange warten zu lassen. Denn das verführe "zum wilden Queren", was die knapp 40 Teilnehmer der Bürgerwerkstatt nur bestätigen konnten.

Bei allen Maßnahmen wie etwa der von Bendias vorgeschlagenen Installation von Schutz- und Radfahrstreifen seien die unterschiedlichen Nutzergruppen wie etwa Kinder, Senioren oder auch Rennradfahrer zu berücksichtigen. Für jedes am Abend der Bürgerwerkstatt erfasste Problem gebe es ein Maßnahmenblatt. Eine Musterlösung liefere das beauftragte Planungsbüro.

Bei den Rückmeldungen wurde dann schnell deutlich, wie verschieden die Ansätze sein können. Einerseits wurde gewünscht, für die flotten Triathleten die Radwege ausreichend zu dimensionieren. Andererseits wurde die generelle Begrenzung des Tempos in der Stadt auf 30 Kilometer pro Stunde vorgeschlagen, was die besagten Sportler locker übertreffen. Als einhelliger Wunsch von Bürgern und Planern zeigte sich, Einbahnstraßen in der Gegenrichtung für die Radfahrer freizugeben. Das sei sowohl sicherer und erspare zugleich Umwege. "Deshalb werden wir das auch möglichst umfassend vorschlagen", sagte Bendias.

Insgesamt müsse man aber auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behalten. Die Pflaster der Innenstadt herauszureißen, damit Radfahrer besser vorwärts kommen, sei deshalb keine sinnvolle Forderung. Generell aber stehe fest: "Hilpoltstein hat Nachholbedarf."

Das wurde auch in den drei Arbeitskreisen deutlich, die sich anschließend mit Stiften über die Straßenkarten hermachten. Die Pläne füllten sich schnell mit roten und schwarzen Markerlinien. In den dazugehörigen Gesprächen klang die Sorge über die verschiedenen Probleme im Stadtgebiet durch. "Die ganze Allersberger Straße ist ein Problem", sagte etwa die stellvertretende Bürgermeisterin Ulla Dietzel. Auch zu schmale Radwege wurden mehrfach moniert. Und selbst die vielen Abstellplätze würden nichts helfen, wenn sie dazu geeignet seien, Räder zu beschädigen oder zu stehlen. "Uns ist das Problem der Felgenknacker am Freibad durchaus bewusst", sagte Bürgermeister Markus Mahl.

In den kommenden Wochen sollten ruhig noch weiter Mängel und Vorschläge zum Radwegenetz gesammelt werden. Diese können dann an die Stadtverwaltung geschickt werden (E-Mail: sandra.waldmueller@hilpoltstein.de). Bis Weihnachten sollte diese Phase abgeschlossen sein. Im Frühjahr 2018 werde dann das Maßnahmenkonzept ausgearbeitet, so Bendias.