Hilpoltstein
Schlüsselproblem ungleiche Löhne

Wohlfahrtsverbände sehen sich im Vergleich zu privaten Trägern im Nachteil – Diskussion in Hilpoltstein

08.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Für den Nürnberger CSU-Landtagsabgeordneten Hermann Imhof muss die stationäre Arbeit „wieder an Wertschätzung gewinnen“. - Foto: Schmitt

Hilpoltstein (HK) Die stationäre Pflege steht unter Druck. Laut Arbeiterwohlfahrt (AWO) wird das neue Pflegestärkungsgesetz die Pflege im Heim gegenüber der in den eigenen vier Wänden „massiv schlechter stellen“, so Rainer Mosandl. „Das ist ein politischer Angriff auf die professionelle Arbeit in unseren Heimen.“

Bei einer Podiumsdiskussion in Hilpoltstein hat der AWO-Kreisverband die Politik für stationäre Pflege in München und Berlin beleuchtet. Dazu waren mit dem Nürnberger Landtagsabgeordneten Hermann Imhof (CSU) der Pflegebeauftragte der Staatsregierung und mit Thomas Beyer (SPD) der AWO-Landesvorsitzende nach Hilpoltstein gekommen.

Die Wohlfahrtsverbände seien im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Häusern ohnehin im Nachteil, sagte Mosandl einleitend. Dort gebe es keine Tarifverträge. „Die Pflegekräfte verdienen bis zu 800 Euro brutto weniger, dieser Kostenvorteil sorgt für einen Wettbewerb, den wir nicht gewinnen können“, sagte er. Schließlich bezahlten die gemeinnützigen Träger aber nicht nur besser. Die AWO nütze auch jede gesetzliche Möglichkeit, für eine bessere Personalausstattung in ihren Häusern. „Das bezahlen aber ausschließlich unsere Bewohner, weil die Pflegeversicherung davon keinen Cent übernimmt.“

Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Beyer und der aktive CSU-Politiker Imhof zeigten sich an vielen Stellen im Schulterschluss. „Ich stehe an ihrer Seite“, erklärte Imhof in Richtung der Gäste, zu denen zahlreiche Fachleute sowie Leiter und Mitarbeiter stationärer Pflegeeinrichtungen gehörten. Insbesondere befürworteten beide eine weitere große Koalition in Berlin. Sie habe für die Pflege mehr gebracht als alle Konstellationen zuvor seit 2000, sagte Imhof. „Pflege ist ein Thema“, fügte Beyer hinzu, „das eine große Koalition rechtfertigt und deshalb könnte dann sogar ich damit leben.“ Insbesondere solle der ehemalige Caritas-Direktor Imhof dann Staatssekretär werden, wünschte sich Beyer.

Beide traten vor allem für eine Verlagerung der Pflegekosten auf mehr Schultern ein. „Bürgerversicherung“ nannte Beyer dieses Konzept. Imhof sprach von „einer gesellschaftlichen Lösung des Problems“. Beyer sah darin eine Unterstützung der Bürgerversicherung und baute Imhof eine Brücke „zu diesem linken Begriff“: „Nennen Sie es Gesellschaftsversicherung“, sagte er.

Der bayerische AWO-Chef forderte ferner einen einheitlichen Tarifvertrag für die Beschäftigten aller Heimträger: „Denn dann kann der Wettbewerb über die Qualität und nicht den Preis stattfinden.“ Imhof sah den Personalschlüssel und die Löhne ebenfalls als „Schlüsselproblem der stationären Pflege“ an. Die gegenwärtige Lage hat seiner Ansicht nach „absolut nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun“. Es müsse Druck gegenüber den Privaten geben. Imhofs Darstellung zufolge wird hier zumindest 2016 eine gewisse Verbesserung eintreten. „Dann kommt die Ausbildungsumlage, damit Ausbildung kein Nachteil für Heime bleibt.“ Für ihn muss die stationäre Arbeit wieder an Wertschätzung gewinnen, wenngleich „wir aufgrund der Demografie gar nicht so viele Häuser bauen können, wie nötig wären“.

Beyer rief dazu auf, die ambulante Pflege angesichts der demografischen Entwicklung nicht gegen die stationäre Pflege auszuspielen. „Es gibt Fälle, die ambulant nicht schaffbar sind“, sagte Imhof und Rainer Mosandl wies auf die Belastung von Angehörigen in der häuslichen Pflege hin. „Sie sind oft am Ende.“

In der kurzen Diskussion mit den Gästen wurden Probleme bei den zunehmenden baulichen Anforderungen an Heime, die wachsende Dokumentationspflicht und die künftige Finanzierung der stationären Einrichtungen angesprochen. Sie werde insbesondere infolge der neuen Pflegegrade sicher schwieriger werden, hieß es. Zwei Heimleiterinnen nahmen sich angesichts des Kurses von München und Berlin bei der Pflege kein Blatt vor den Mund: „Ich bin wütend auf die Politik“, sagte die eine. „Ich fühle mich von der Politik verlassen“, stellte die andere fest.