Hilpoltstein
Professionell im eigenen Saft

"Jetzt red i" in der Hilpoltsteiner Stadthalle fehlen Kontroversen und neue Erkenntnisse

29.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Alles, was er braucht, habe er in Roth, sagt der 17-Jährige Kasim (2.v.l.) auf die Fragen von Moderator Tilmann Schöberl. - Foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) "Jetzt red i" hat am Mittwoch in Hilpoltstein Einzug gehalten. 45 Minuten lang ging es um "Bayerns Schulen und die Flüchtlinge" - perfekt inszeniert, charmant moderiert von Tilmann Schöberl, sauber durchgetaktet und ohne neue Erkenntnisse.

Einst ein uriger Wirtshausdiskurs, ist das mittlerweile 45 Jahre alte Format heute längst ein modernes Gesprächsforum geworden. Damit auch alles sitzt, wird die Arena gleich mitgebracht, von Hilpoltstein also am Mittwochabend keine Spur, die Show könnte überall sein. Auch das Publikum ist gut verlesen, dem Thema entsprechend sind die meisten aus dem Bereich Bildung inklusive Schülern, dazu Ehrenamtliche aus den Helferkreisen und ein paar Politiker. Die einst so berüchtigten Originale, die für Auswärtige kaum verständlich kuriose Anliegen herangetragen haben, gibt es nicht mehr. Stattdessen gibt es gezielte Anweisungen für Tilmann Schöberls Ohrknopf, beispielsweise jetzt doch keinen Lehrer mehr zu befragen.

Dementsprechend bleibt bei der Runde in der Hilpoltsteiner Stadthalle auch jegliche Diskussion aus. Es fehlen schlicht die Widerworte beziehungsweise -sacher. Es ist eine Bestandsaufnahme - von dem, was der Landkreis mit seinem konsequenten Weg der dezentralen Unterbringung geleistet hat bis zu dem, was die Schule jetzt leisten muss, um so viele Flüchtlinge wie möglich "sauber zu integrieren", wie Schöberl einleitend sagt. Von vornherein habe man gesagt, "da kommen Menschen", lässt Landrat Herbert Eckstein (SPD) das Fernsehvolk wissen. Dazu habe er die Bürgermeister ins Gebet genommen und gesagt, dass es nicht "genügt, am Sonntag mit Heiligenschein in die Kirche zu gehen". 150 Flüchtlinge seien es am Anfang gewesen für 16 Gemeinden, da seien bereits Netzwerke entstanden.

Der Löwenanteil, die jungen Flüchtlinge an die hiesige Gesellschaft heranzuführen, bleibt den Schulen. Was diesen auch durchaus gelingt, wie Kasim aus Afghanistan, der seit einem Jahr in Deutschland ist, und Alisia aus Syrien, die mittlerweile die Realschule in Roth besucht, dem Publikum mitteilen.

Doch sind die Schulen längst auf Kante genäht. "Wenn Schule gelingen soll, dann müssen die Lehrer vorbereitet sein", sagt Roths Berufsschulleiter Michael Greiner. Es brauche eine intensive Weiterbildung für Deutsch als Zweitsprache. Und: Er habe heute gerade noch genügend Lehrer. Allerdings ist eine Rekrutierung von weiteren Lehrkräften kaum möglich. "Der Markt ist abgegrast", wie man von Vertreterinnen des Kolping-Bildungswerkes erfährt. Der Bildungsträger ist der Partner der Berufsschulen bei den Berufsintegrationsklassen, von denen es 1100 in Bayern gibt - zum Vergleich: 2013 waren es nur 100 solcher Klassen.

Der Großteil der Beiträge geht in die gleiche Richtung, ob es nun positive Beispiele über gelungene Integrationen, Klassenbildungen, überwundene Elternsorgen oder schlichte Zahlenbeispiele sind, die die Zunahmen der Klassen dokumentieren: Wenn es gelingen soll, müssen viele mitmachen, und es braucht vor allem mehr Lehrer und Weiterbildung. Adressat ist die Bayerische Staatsregierung, die in Hilpoltstein von Staatssekretär Georg Eisenreich (CSU) vertreten wird, der wie SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen auf einem Podium vor den Zuschauern sitzt.

Leider bleibt er ziemlich unverbindlich und ergeht sich in Dankesworten und der Aufzählung dessen, was der Freistaat bisher gemacht hat. Allerdings gesteht Eisenreich ein, dass es im Grund- und Mittelschulbereich zur Zeit "Volleinstellung gibt". Was die Regierung aber gegen den Lehrermangel unternehmen will, verrät er nicht. Natascha Kohnen führt dazu die generelle Lehrerausbildung ins Feld, die sie für "etwas verfehlt hält". Wer die falsche Fächerkombination habe, sei außen vor. Aber müsse das sein? Vielleicht sei man ja trotzdem woanders einsetzbar. Die Not macht es vielleicht möglich, denn laut Eisenreich können die aktuellen Quereinsteiger in den Mittelschuldienst sofort anfangen und hätten sogar die Chance auf Verbeamtung.

Neben den Gästen in der Arena kommen auch Fernsehzuschauer zu Wort, ihre online gestellten Fragen werden vorgelesen. Wobei da viele Ängste zur Sprache kommen: Fallen künftig noch mehr Stunden aus? Sinkt bei 50 Prozent Ausländeranteil nicht das Niveau der Bildung? Gelinge die Integration nicht eher schlecht als recht? Sorgen, die man laut Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband ernst nehmen solle. "Wir müssen aufpassen, dass die unguten Strömungen in der Gesellschaft nicht in die Schulen kommen." Für Natascha Kohnen ist deshalb die "Begrifflichkeit in der Debatte wichtig". Die Flüchtlinge bekämen die wertenden Aussagen mit. Dass man "nicht so an den Worten hängt", möchte dagegen Georg Eisenreich. Allerdings meint er damit die Ausfälle seines Generalsekretärs Andreas Scheuer, die natürlich auch zur Sprache kommen.

Exakt auf den Punkt ist die Sendung um 21 Uhr zu Ende und lässt einen Fernsehzuschauer zurück, der nun weiß, dass der Landkreis Roth mit seinem dezentralen Weg nicht schlecht fährt, dass für die Integration der vielen Flüchtlinge große Anstrengungen notwendig sind, dass es zu wenig Lehrer gibt und die, die es gibt, zu Recht mehr Weiterbildung fordern - und dass "Jetzt red i" früher zünftiger war.