Hilpoltstein
Mehr Flüchtlingswohnungen müssen her

Dem Landratsamt drohen bald die Unterkünfte für Asylbewerber auszugehen – "Rother Weg in Gefahr"

04.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:50 Uhr

Hilpoltstein (HK) Die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis Roth hat sich innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht. Allein 40 bis 50 Asylbewerber pro Woche bekommt der Landkreis derzeit zugeteilt. Trotzdem liegt der Anteil der Asylbewerber in allen Kommunen unter einem Prozent. Wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms wächst im Landratsamt aber die Sorge, dass der Verwaltung bald die bevorzugten Unterkünfte ausgehen.

 

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hat in dieser Woche öffentlich vorgerechnet, dass über den Erfolg oder den Misserfolg bei der Bewältigung des aktuellen Flüchtlingsansturms vor allem die Kunst der Verteilung entscheide. „Wenn Sie 400 000 oder 500 000 Flüchtlinge haben, die nach Europa kommen, und Sie verteilen die unter 507 Millionen Menschen, die in den 28 Mitgliedstaaten der EU leben, dann ist das kein Problem“, sagte Schulz. Aber wenn Sie 500 000 auf ganz wenige Länder konzentrieren, dann ist das ein Problem.“

So betrachtet, hat das Rother Landratsamt im Umgang mit den Asylbewerbern, die von der Regierung von Mittelfranken auf den ganzen Bezirk verteilt werden, in letzter Zeit wohl vieles richtig gemacht. Getreu der Devise, die Flüchtlinge möglichst gerecht auf die 16 Städte und Gemeinden zu verteilen, gibt es aktuell keine einzige Kommune, in der der Anteil der dezentral untergebrachten Asylbewerber bei über einem Prozent der jeweiligen Einwohnerzahl liegt. Die anteilsmäßig meisten Asylbewerber leben derzeit in Heideck (40 bei 4610 Einwohnern; das entspricht 0,87 Prozent). Die relativ gesehen wenigsten Asylbewerber hat derzeit Büchenbach (7 bei 5271 Einwohner, das sind 0,13 Prozent.

„Wir haben wenig Probleme mit den Asylbewerbern im Landkreis, es gibt so viele ehrenamtliche Helfer wie nirgendwo sonst in Mittelfranken und und mit wenigen Ausnahmen haben wir auch eine hohe Akzeptanz bei den Bürgern“, sagt Landrat Herbert Eckstein. Dass die Aufnahme von Flüchtlingen im Landkreis Roth – im Gegensatz zu manch anderer Gegend in Mittelfranken – bislang so gut gelungen sei, sieht Eckstein als „große Bestätigung für den Rother Weg“. So bezeichnet er das Vorgehen, die Asylbewerber lieber in sogenannten dezentralen Unterkünften unterzubringen. „Das war bis jetzt erfolgreich – und das soll es auch bleiben.“

„Was wir machen, ist wirklich außergewöhnlich“, sagt auch Ottilie Tubel-Wesemeyer, Sozialamtsleite-rin am Landratsamt. Während die Unterbringung der Flüchtlinge in größeren Gemeinschaftsunterkünften fast überall in Bayern der Standard ist, setzt der Landkreis Roth auf die dezentrale Unterbringung, weil diese die Situation sowohl für die Asylbewerber als auch für die Einheimischen so konfliktfrei wie möglich mache. Mit diesem Vorgehen stehe man aber fast allein auf weiter Flur. „Denn das ist eigentlich eher die Kür“, so Tubel-Wesemeyer. Lediglich die drei Gemeinschaftsunterkünfte, die der Landkreis und die Regierung von Mittelfranken gemeinsam im Rother Sieh-Dich-Für-Weg im Rother Kiefernweg und in Roth-Pfaffenhofen betreiben, seien eine Ausnahme im Landkreis, der aktuell 69 Wohnobjekte für Flüchtlinge betreut.

„Der Rother Weg ist aber in Gefahr“, sagt Landrat Herbert Eckstein. Denn angesichts von 40 bis 50 Flüchtlingen, die der Landkreis derzeit pro Woche von der Regierung von Mittelfranken zugewiesen bekommt, stelle sich immer mehr die Frage, ob und wie lange sich das bisherige Vorgehen aufrecht erhalten lasse. Zumal es sich bei den aktuellen Flüchtlingen vor allem um Menschen aus Syrien, Irak oder Äthiopien handelt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit anerkannt werden und wohl auch länger im Landkreis bleiben, erklärt Ottilie Tubel-Wesemeyer.

Obwohl das Landratsamt vorausschauend gearbeitet und schon zu einem frühen Zeitpunkt der Flüchtlingsbewegung mit der Akquise von Wohnraum für die Asylbewerber begonnen habe, seien die Reserven bei den bevorzugten Unterkünften bald ausgereizt, so Eckstein. „Dauerhaft werden wir diesen Ansturm jedenfalls nicht so auffangen können.“ Doch wie schwierig günstiger Wohnraum derzeit in unserer Gegend zu bekommen ist, weiß auch Ottilie Tubel-Wesemeyer als Sozialamtsleiterin nur zu gut. „Wir bekommen zwar täglich Angebote.“ Doch dabei handele es sich oft um leerstehende Häuser in kleineren Orten. Was man ja eigentlich nicht wolle, so Eckstein, der sich noch gut an den Herbst 2012 erinnern kann, als der 400-Einwohner-Ort Offenbau lautstark protestierte gegen das Vorhaben des Landkreises, ohne vorherige Information 27 Asylbewerber dort einzuquartieren.

In der aktuellen Lage weiß der Landrat aber auch, dass die Verwaltung vielleicht schon bald nicht mehr wählerisch sein kann. Dann müsse man eben auch Unterkünfte in kleineren, abgelegenen Orten ohne vernünftige öffentliche Verkehrsanbindung nehmen, um die Flüchtlinge überhaupt noch unterzubringen. „Das ist jedenfalls noch besser, als zum Schuljahresbeginn irgendwo eine Turnhalle zu beanspruchen“, so Eckstein.

Einen ernsten Appell richtet der Landrat in der aktuellen Situation an diejenigen Städte und Gemeinden, die derzeit vergleichsweise wenige Asylbewerber unterbringen (siehe Grafik). Das sind laut Eckstein neben Büchenbach auch Röttenbach, Allersberg und Hilpoltstein. „Wenn diese Gemeinden jetzt mithelfen, ist leicht die eine oder andere Woche als Puffer gewonnen.“