Hilpoltstein
"Alles in Hilpoltstein ist mir todfeind"

Pfalzgraf Johann Friedrich und Ottheinrichs Witwe Dorothea Maria leisteten der Gegenreformation erbitterten Widerstand

12.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:48 Uhr

Den Einzug der Pfalzgräfin Dorothea Maria feiern die Hilpoltsteiner jedes Jahr beim Burgfest. Was die wenigsten wissen: Dorothea Maria kämpfte während der Gegenreformation hartnäckig für ihren protestantischen Glauben - allerdings vergeblich. ‹ŒArch - foto: Münch

Hilpoltstein (HK) Im November 1627 ist die Gegenreformation in Hilpoltstein offiziell beendet. Protestantische Gottesdienste dürfen nur noch im Kornkasten, dem heutigen Haus des Gastes, abgehalten werden. Trotzdem setzt sich der katholische Glaube nur mühsam durch, auch weil Hilpoltsteins Fürst Johann Friedrich und Pfalzgräfin Dorothea Maria an der lutherischen Konfession festhalten.

 

Als Simon von Labrique, der Kommissar des katholischen Pfalzgrafen und Landesherren Wolfgang Wilhelm, im Jahr 1628 deswegen erneut nach Hilpoltstein reist, gibt es dort genau acht katholische Gläubige. Labrique verkündet jetzt kategorisch: Wer nicht katholisch werden will, muss innerhalb von drei Wochen das Land verlassen. Es beginnt eine von mehreren Flüchtlingswellen.

Johann Friedrich findet einen Ausweg. Im März 1629 erwirkt er einen kaiserlichen Befehl, wonach jeder, der zu seinem Hof gehört, evangelisch bleiben darf. Es gibt jetzt einen Hofwirt, einen Hofbräuer, Hofbäcker, Hofmetzger, Hofschmied, Hofsattler, Hofkoch, Hofbader, Hofschneider, Hofschuster und Hofmesserschmied.

Wieder schickt Wolfgang Wilhelm seinen Kommissar in die Stadt. Am 8. November 1629 hält Labrique vor dem Rathaus eine Bürgerversammlung ab. Die - wohl katholischen - Einwohner beschweren sich bei Labrique und seinem Steuereintreiber Lorenz Rümele, dass der Hofstaat keine Steuern zahle und Emigranten alles außer Landes verkaufen würden. Katholische Gläubige würden von den Protestanten verlacht und verspottet.

Wieder verkündet Labrique drastische Maßnahmen. "Wenn die sich in den Hofstaat mischenden Bürger nicht parieren, gibt es eine Exekution. Jeder bekommt einen, zwei, drei Soldaten eingelegt. Wenn die Weiber, Dienstboten und Kinder nicht konvertieren, wird entweder ein Cornet, Reiter oder ein Fähnlein Fußvolk geschickt, bis sie gehorchen", verkündet er. Die einquartierten Soldaten müssen von den unbeugsamen Protestanten auf deren Kosten versorgt werden. Und Soldaten gibt es zur Genüge, denn es tobt der Dreißigjährige Krieg.

Doch die Soldaten belästigen auch die katholischen Einwohner. Deren Einstellung zum Glauben scheint auch nicht immer die beste zu sein, wie sich Stadtpfarrer Jakob Wanderer am 9. September 1631 beim Rat und dem evangelischen Pfleger Johann von Pelkoven beklagt: "Sie kommen zu spät zum Amt, sie machen kein Kreuz, sie knieen nicht, wenn sie sollen, sondern stehen wie die Wollsäck." Doch Leute, die den Gottesdienst nicht besuchen, würden vom Rat nicht bestraft, schimpft Wanderer, der aber verspricht, bei seinem Landesherren um die Abberufung der Soldaten zu bitten.

1632 wendet sich plötzlich das Blatt. Sah zuvor alles nach einem raschen Sieg der Katholischen Liga aus, eilt der protestantische Schwedenkönig Gustav Adolf nun in Bayern von Sieg zu Sieg. Im Sommer 1632 steht er mit seinem modernen Heer vor Nürnberg. Pfalzgraf Johann Friedrich ist einige Male im Feldlager des Schwedenkönigs. "Gustav Adolf war ein enger Verwandter von Johann Friedrich, ihre Großmütter waren Geschwister", erklärt Manfred Seitz, Hilpoltsteins katholischer Pfarrarchivar.

Nach dem Tod des Schwedenkönigs bleiben die Protestanten auf dem Schlachtfeld noch einige Zeit erfolgreich. Wohl auch deshalb lässt der Druck der Gegenreformation in Hilpoltstein nach. "Bis 1635 konnten die Evangelischen gut ihr Gemeindeleben führen", sagt Manfred Seitz. Auch Hanns Eucharie Sturm ist 1635 noch am Hof Johann Friedrichs angestellt. Später flieht er mit seiner Familie nach Weißenburg, darunter der berühmteste Sohn der Stadt, der Mathematiker und Theologe Christoph Sturm, der nie mehr nach Hilpoltstein kommt. Im Juli 1635 sind außer den beiden Hofstäben von Johann Friedrich und Pfalzgräfin Dorothea Maria noch 34 Familien, 7 Ehefrauen, 15 Söhne und 10 Töchter evangelisch, die beiden Hofstaaten umfassen eine Liste mit 38 Namen. 91 Familien sind katholisch.

Dann wütet die Pest in der Stadt. Allein im September 1636 sterben 200 Menschen. Insgesamt fallen 509 Hilpoltsteiner der Seuche zum Opfer, das ist ein Drittel der Bevölkerung. Auch der katholische Stadtpfarrer Jakob Wanderer, der in seinem Haus Pestkranke pflegt, ist unter den Opfern. Aus Dankbarkeit wird er unter dem Altar der Stadtpfarrkirche beigesetzt. Am 13. März 1639 stirbt mit Pfalzgräfin Dorothea Maria eine Verfechterin des lutherischen Bekenntnisses. Sie wird in Lauingen bestattet, weil die Stadtpfarrkirche ja katholisch ist. Evangelische Predigten sind jetzt nur noch im Dachboden der Residenz erlaubt.

Lorenz Rümele führt ein strenges Regiment in Hilpoltstein. Er kontrolliert die Einhaltung der katholischen Feiertage, inspiziert an Fastentagen die Häuser nach Fleischspeisen. Denunziationen sind an der Tagesordnung. "Die untere Totwartin hat noch nicht gebeichtet und kommuniziert", schreibt im April 1641 zum Beispiel Nikolaus Gottran an Rümele. Die Antwort: "Habe sie mittels der Exekution bekehrt." Solcher Übereifer macht Rümele zu einem der verhasstesten Personen in der Stadt. Er selbst bemerkt mit Stolz: "Alles in Hilpoltstein ist mir todfeind, man liebt mich wie der Türk die Christen."

Im Oktober 1644 stirbt Johann Friedrich. Auch er wird im evangelischen Lauingen beigesetzt. Zwei Jahre später verstirbt auch seine Frau Sophie Agnes, der letzte evangelische Hofgeistliche verlässt die Stadt. Da die Ehe des Pfalzgrafen kinderlos bleibt, fallen Hilpoltstein, Heideck und Allersberg an Wolfgang Wilhelm. Jetzt ist das Gebiet endgültig katholisch. Evangelische Bürger siedeln sich erst nach dem bayerisch-preußischen Krieg 1866 wieder in Hilpoltstein an. Die Gemeinde wächst aber vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mächtig an, als viele Heimatvertriebene aus den preußischen Ostgebieten hier Zuflucht finden.