Hilpoltstein
Komfortable Situation für Azubis

Zum Start des Ausbildungsjahrs 300 offene Stellen im Landkreis Roth – 154 Jugendliche suchen aber noch

31.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

Bei der Nacht der Ausbildung haben sich viele Firmen und auch das Rother Krankenhaus präsentiert, um bei den jugendlichen Schulabgängern für die unterschiedlichsten Ausbildungen zu werben. Arch - foto: Tschapka

Hilpoltstein (HK) Ein neuer Lebensabschnitt fängt am heutigen Montag für alle Jugendlichen an, die ihre erste Lehrstelle antreten. Allerdings sind laut der Arbeitsagentur noch 154 Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Roth auf der Suche. Sie haben noch keinen Ausbildungsplatz gefunden.

Rein rechnerisch stünden jedem dieser jungen Menschen zwei Ausbildungsplätze zur Verfügung. Denn die Zahl der offenen Lehrstellen beläuft sich auf über 300, verrät Claudia Suttner, Pressesprecherin der Arbeitsagentur Ansbach-Weißenburg. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine ganze Reihe von Unternehmen auch auf der Suche sind: nach dem geeigneten Lehrling.

Allerdings passen Angebot und Nachfrage oft nicht zueinander. Auf der Wunschliste der jungen Leute stehen Berufe wie Industriekaufmann/-frau sowie alles rund ums Büromanagement ganz oben. Diese Stellen sind aber längst alle besetzt, vor allem die großen Industriebetriebe suchen ihre Bewerber schon gut ein Jahr vor dem jeweiligen Ausbildungsbeginn aus.

Und so führt die derzeitige Rangliste der offenen Lehrstellen ganz andere Berufe an, die bei den jungen Leuten nicht so hoch im Kurs stehen: Verkäufer, Einzelhandelskaufleute, Koch, Hotelfachpersonal sowie Tischler, Friseur, Maurer und Fleischer.

Manchmal liege es aber gar nicht am Angebot, erklärt Suttner. Gerade im ländlichen Raum hätten Jugendliche schlicht und einfach Schwierigkeiten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln an ihren künftigen Arbeitsplatz zu gelangen. Wenn zum Beispiel in Rohr eine Stelle zu besetzen ist, sei es für einen Gredinger schier unmöglich, den Weg dorthin mit Bus oder Bahn zurückzulegen.

„Wir versuchen deshalb, den Bewerbern Alternativen aufzuzeigen“, betont Suttner. In Beratungsgesprächen begebe man sich gemeinsam auf die Suche nach den Talenten der künftigen Azubis, um herauszufinden, welche Berufe für sie in Frage kommen könnten.

„Manche Berufe sind vom Image her für die Jugendlichen einfach negativ besetzt“, weiß Sutter. Wer das Wort „Maurer“ höre, denke nur an schwere körperliche Arbeit. „Aber der Beruf ist gut bezahlt und es gibt gute Aussichten auf einen Aufstieg, sei es als Vorarbeiter oder Meister.“ Man zeige den Jugendlichen Perspektiven auf und könne sie so überzeugen, sich auch neuen Ideen zu öffnen.

Manchmal liege es auch einer schlechten Note in Mathematik oder Physik, die eine zu große Hürde beispielsweise für eine Ausbildung als Mechatroniker darstellt. In diesem Fall bietet die Arbeitsagentur über Partner wie das Kolping-Bildungswerk konkrete Nachhilfe an. Mit diesen so genannten ausbildungsbegleitenden Maßnahmen sollen Schülerinnen und Schüler fit gemacht werden für ihren Wunschjob. Die Arbeitsagentur appelliert auch an die Firmen, schwächeren Schülern eine Chance zu geben mit dem gleichzeitigen Angebot: „Wir helfen dabei.“

Für die Schülerinnen und Schüler, die partout keinen Ausbildungsplatz finden, gibt es noch andere Alternativen: die sogenannte Einstiegsqualifizierung. Das ist ein neunmonatiges von der Agentur bezuschusstes Praktikum, das im besten Fall in eine Ausbildung münden soll. „Für viele ist das der letzte Rettungsanker“, berichtet Claudia Suttner.

Zwar stehen theoretisch noch 150 der ursprünglich über 1000 Lehrstellensuchenden auf der Straße, aber bis Ende September kläre sich noch viel, betont Suttner. Bis dahin sei jedem Bewerber ein Angebot gemacht worden, sei es besagtes Einstiegspraktikum oder eine andere Qualifizierungsmaßnahme. Es gebe auch noch die Möglichkeit, die Fachoberschule zu besuchen, sich für den Bundesfreiwilligendienst zu bewerben oder das Berufsgrundschuljahr zu besuchen. Im vergangenen Jahr, erinnert sich Suttner, seien am Ende nur noch 25 Jugendliche übrig geblieben. „Das ist eine gute Zahl.“

Die Ausbildungsplatzsituation sei noch nie so gut gewesen wie jetzt, betont Karl Scheuerlein von der Rother Unternehmerfabrik. „Aber die Bewerber müssen sich auch selbst bemühen und aktiv werden“, mahnt er. Eine sehr gute Anlaufstelle im Internet sei die Jobbörse der Arbeitsagentur, die alle Ausbildungsplätze, geordnet nach Regionen, auflistet. Ein sehr guter Überblick findet sich auch auf der Seite der Unternehmerfabrik, die eine umfangreiche Liste mit Praktikums- und Ausbildungsplätzen sowie Angeboten für das Duale Studium veröffentlicht hat (zu finden unter dem Button Arbeitskreis Schule-Wirtschaft).

Die Unternehmen selbst legen sich mittlerweile ins Zeug, um die besten Absolventen für sich zu gewinnen, zuletzt mit der Nacht der Ausbildung im Juni, als in Roth viele Firmen ihr Profil und ihre Ausbildungsplätze vorstellten. „Eine sehr innovative Sache“, lobt Suttner. Kleinere Handwerksbetriebe könnten da zwar kaum mithalten, da die Kosten für solch eine Imagewerbung sehr hoch seien, aber sie könnten sich trotzdem zum Beispiel bei Ausbildungsbörsen präsentieren. Und wenn es nur mit einem kleinen Stand sei.

Bei dieser Aktion dabei war auch die Hilpoltsteiner Glaserei Grimm, die aktuell händeringend nach einem Lehrling sucht. Bei der Börse versuchte die Glaserei, die Jugendlichen für das Handwerk zu begeistern. Allerdings nur mit sehr mäßigem Erfolg. „Wir hatten nur zwei Bewerber, die sich dann aber anderweitig orientiert haben“, sagt Viola Nowak, die bei der Glaserei für die Ausbildung zuständig ist. In den vergangenen Jahren hatte sich allerdings überhaupt niemand für die offene Stelle interessiert. „Unter Glaser kann sich eben kaum jemand etwas vorstellen“, bedauert Nowak. Sie hat beobachtet, dass es die Jugendlichen eher ins Büro zieht. „Das ist für die ganze Handwerksbranche ein Problem.“ Die Auszubildenden, die sich aber doch für den Glaserberuf entschieden hätten, „waren hochzufrieden“.