Hilpoltstein
Jungen schnuppern in soziale Berufe

Am Boys’ Day wirbt die Pflegeschule der Kreisklinik Roth um männlichen Nachwuchs

23.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:23 Uhr

Mit Feuereifer üben die Jungen am Boys' Day in der Rother Pflegeschule das Eingipsen von Armen. - Foto: Schmitt

Hilpoltstein (HK) Beim Boys' Day soll der männliche Nachwuchs an soziale, erzieherische und pflegerische Berufe herangeführt werden. Über 50 Teilnehmer haben gestern in 28 Einrichtungen des Landkreises in typische Frauenberufe hineingeschnuppert. 18 davon hatten die Pflegeschule der Kreisklinik Roth gewählt.

Der Gipsraum gehört zu einem Krankenhaus wie das Schloss Ratibor zu Roth. Doch gestern hat Pflegepädagoge Heinz Hofer in der Berufsfachschule für Pflege den Jungs gezeigt, wie man einen Arm eingipst. An der „Spritzenstation“ durften sie mit echten Nadeln hantieren. Der „Alterssimulator“ machte Einschränkungen durch Handicaps erlebbar. Und zwei Pflegeschülerinnen erklärten den 12- bis 14-Jährigen, wie man Blutdruck und Puls misst.

Lediglich 13 Prozent der Männer arbeiten als Altenpfleger oder Erzieher. Das deckt sich mit den Zahlen der Berufsfachschule. Jährlich sind es dort im Schnitt zwischen 10 und 20 Prozent der zwei Dutzend Berufseinsteiger, die männlich sind. Für Regina Frank hat das vor allem geschichtliche Gründe. „Außerdem werden Eigenschaften wie Fürsorge und Zuwendungsbereitschaft eher Frauen zugeschrieben“, meint die gelernte Krankenschwester und Pflegepädagogin.

Es fehle aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz für Männer in diesen Berufen, fügt sie hinzu. Beim Boys' Day sollen die Kinder und Jugendlichen aber ihre individuellen Stärken kennenlernen können. Geschlechterklischees treten eher in den Hintergrund.

Mehr Männer in ihrem Beruf würde Regina Frank außerordentlich begrüßen. Zum einen wollen kranke oder pflegebedürftige Männer „auch ganz gerne mal eine Bezugsperson ihresgleichen sehen“. Ferner, und das sei ihre eigene Erfahrung, betont sie, werde das Arbeitsklima dadurch besser.

Den Boys’ Day sieht sie als guten Einstieg, Jungen Aufgaben und Perspektiven in einem sozialen Beruf nahe zu bringen. Zum vierten Mal schon beteiligt sich die Rother Pflegeschule daran. Bislang mit ausschließlich positiven Erfahrungen. „Die Jungen sind immer motiviert, diszipliniert und höflich“, schildert Frank. Neben den Aktionsangeboten in den Räumen der Pflegeschule findet nach dem Mittagessen noch eine Krankenhausführung statt. „Dürfen wir auch die Sterbestation sehen“, will einer wissen. Das gibt es natürlich nicht im Krankenhaus Roth. Die Palliativstation aber, die Schwerstkranken eine schmerzfreie letzte Zeit garantiert, die gehört zum Programm.

Die 18 Jungen sind überall mit Feuereifer und großem Interesse bei der Sache. Alle haben sich aus eigenem Antrieb für die Teilnahme am Boys’ Day in der Pflegefachschule entschlossen. „Das ist toll hier“, sagt der zwölfjährige Etienne aus Georgensgmünd. „Mich interessiert das sehr.“

Nicht alle sind mit einem exakten Berufswunsch für die Pflege gekommen. „Ich will Schreiner werden“, sagt Thomas aus Allersberg. „Was mit Sport“ will Lukas aus Wendelstein machen. „Ich weiß noch nicht, was ich machen will“, ist auch zu hören. Einige aber haben sich schon festgelegt. „Ich will Arzt werden“, sagt Jürgen. Für Julian aus Röttenbach ist die eigene Mutter das große Vorbild. „Sie arbeitet als Krankenschwester hier, deshalb weiß ich, wie wichtig Berufe für Gesundheit sind.“

Auch für den zwölfjährigen Daniel aus Georgensgmünd gibt es bald keinen Zweifel mehr. „Ich will Krankenpfleger werden“, sagt er entschlossen. „Das macht Spaß“, hat er erkannt: „Weil man mit Menschen zu tun hat.“

Claudia Gäbelein-Stadler ist die Gleichstellungsbeauftragte beim Landratsamt und vertritt den Landkreis Roth in jenem Arbeitskreis, der den Boys’ Day organisiert. Die Agentur für Arbeit und der Kreisjugendring sind dort die Partner. Sie hält den Boys’ Day noch unter allgemeineren Gesichtspunkten als der Geschlechterfrage für sinnvoll. „Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege müssen die Arbeitgeber aktiv werden“, sagt sie. Auch mit Blick auf Lohngerechtigkeit sieht sie das Aufbrechen von Frauendomänen als vielversprechend. „Dann steigen vielleicht auch die Gehälter dort für alle“, hofft sie.

Heinz Hofer muss im provisorischen Gipsraum nicht nur Arme einpacken. Mit dem geeigneten Werkzeug befreit er die Sechs- bis Achtklässler auch wieder von der Gipsschale. Für einige kommt das jedoch überhaupt nicht infrage. Sie wechseln mit Gipsarm nicht nur zur nächsten Station. Sie wollen damit sogar am nächsten Tag in die Schule gehen. Typisch Jungs: Nur mit Trophäe war es ein echter Boys’ Day.