Hilpoltstein
Ihr bester Auftritt beim Burgfest

14.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Das Geheimnis ist gelüftet: Gudrun Reichard ist Hilpoltsteins neue Pfalzgräfin. - Foto: Münch

Die Zeit für ihre größte Rolle ist gekommen: Gudrun Reichard aus dem Ensemble der Hilpoltsteiner Burgspieler ist die neue Pfalzgräfin. Nach ihrer Mutter Marianne Koch und ihrer Schwester Liselotte Bittner ist sie bereits die dritte Frau in ihrer Familie, die das prominenteste Amt der Stadt übertragen bekommt. Bevor sie an diesem Sonntag erstmals als "Frau Schätzle" auf der Bühne beim Burgspiel steht, wurde die 50-Jährige am Freitagabend beim Burgfestkränzchen als neue Gräfin ausgerufen.

Als passionierte Theaterspielerin weiß Gudrun Reichard ganz genau: Auf den richtigen Moment kommt es an. Egal, ob es um den Texteinsatz geht, eine Kunstpause während des Satzes oder um eine Bewegung auf der Bühne. Nur mit dem richtigen Timing wird es ein perfekter Auftritt.

Was die neueste Rolle von Gudrun Reichard betrifft, ist jetzt wohl genau der richtige Moment gekommen. So wie es scheint, ist es heuer einfach ihre Bestimmung gewesen, das Amt der Pfalzgräfin zu übernehmen. Auch wenn es in Hilpoltstein nicht wenige Menschen gibt, die bereits im vergangenen Jahr fest mit Gudrun Reichard in der Rolle der Dorothea Maria gerechnet haben.

Schließlich feierten die Burgspieler, bei denen die heute 50-Jährige bereits seit 33 Jahren mitspielt, im vergangenen Jahr ein Jubiläum. Ebenso wie der Obst- und Gartenbauverein, bei dem Gudrun Reichard von ihrem Vater das Amt des Kassiers erbte. Bei dieser Konstellation rechnete vor allem Liselotte Bittner, die Gräfin aus dem Jahr 2003, schon fest damit, dass ihre Schwester jetzt an die Reihe käme. "Die war wirklich felsenfest überzeugt", erzählt Gudrun Reichard.

Die Kameras der Familienmitglieder lagen deshalb schon schussbereit auf den Tischen in der Stadthalle, als Barbara Billmaier, die Vorsitzende des Hilpoltsteiner Burgfestausschusses, beim Burgfestkränzchen im vergangenen Jahr durch die Reihen schlenderte. Doch stehen blieb sie am Ende nicht bei Gudrun Reichard, sondern bei Pia Liebald.

Umso mehr gespannt war Gudrun Reichard in den vergangenen Wochen, wie ihre Familie reagieren würde, als Barbara Billmaier an diesem Freitagabend das Geheimnis lüftete und tatsächlich an ihrem Tisch stehen blieb. Freuen konnte sie sich auf diesen Moment bereits seit Mai, als sie den entscheidenden Anruf der Vorsitzenden des Burgfestausschusses bekam. "Sie hat mich erst mal ganz harmlos wegen meines Kostüms für den Festzug gefragt." Kurz darauf war klar, dass sie heuer die Bettlerkluft mit dem Gräfinnenkleid tauschen darf.

Dass es heuer der perfekte Zeitpunkt ist, um die Rolle der Dorothea Maria zu übernehmen, spürt Gudrun Reichard. Denn seit dem Anruf von Barbara Billmaier passiert ihr so manche kuriose Situation. Zum Beispiel vor wenigen Wochen, als sie ihr Geburtstagsgeschenk zum Fünfzigsten einlöste, nämlich eine Ballonfahrt mit ihrer Familie. Nach dem Start bei Schwabach trieb der Ballon herrlich über den Rothsee in Richtung Allersberg. Gelandet ist der Ballon dann ausgerechnet in derjenigen Pferdekoppel in Seligenporten, in der die gebürtige Hilpoltsteinerin in wenigen Tagen ihre erste Reitstunde als neue Gräfin nehmen wird. "Ich hab mir insgeheim nur gedacht, das ist irgendwie ein Zeichen."

Ein weiteres Zeichen folgte kurz darauf in einem zufälligen Gespräch mit Ferdinand Kühnlein, dem Pferdeführer beim Burgfest, mit dem eine Cousine von Gudrun Reichard verheiratet ist. Offensichtlich gehört auch Kühnlein zu denjenigen Hilpoltsteinern, der längst mit Reichard als Gräfin rechneten. "Da hat er mich dann tatsächlich gefragt: Darf ich dich heuer dann vom Pferd heben"

Genau so wird es heuer beim Burgfest kommen, das dann zu einer Art Familienangelegenheit wird. Schließlich ist Gudrun Reichard auch eine Cousine von Burgfestmotor Dieter Popp. "Und überhaupt kommt unsere Gräfin aus einer ausgesprochenen Burgfestfamilie", wie Barbara Billmaier im Gespräch mit unserer Zeitung sagte. Nicht nur, dass Reichards Schwester Liselotte Bittner schon im Jahr 2003 als Dorothea Maria in die Stadt einritt. Auch ihr Vater Wilhelm Koch war jahrzehntelang als Ratsherr dabei. Und ihre Mutter Marianne Koch war im Jahr 1970 bereits die Pfalzgräfin.

Erinnerungen an dieses Fest hat Gudrun Reichard allerdings nicht. "Da war ich ja erst Drei", sagt sie. Deshalb war sie damals auch nicht als eine der drei Töchter der Gräfin beim Burgspiel und beim Festzug dabei. Ihre eigenen Töchter Stefanie (17) und Julia (15) dürfen dagegen das einmalige Erlebnis für ihre Mutter hautnah begleiten. "Die flippen beim Burgfestkränzchen bestimmt aus", sagt Gudrun Reichard. Noch offen ist, wer die Rolle der dritten Tochter von Dorothea Maria übernimmt. "Das muss ich mit meinen Mädels nach dem Kränzchen besprechen." Wahrscheinlich bekommt eine Freundin einer der beiden Töchter die Ehre.

Dass Gudrun Reichard die Ehre der Hauptrolle verdient hat, daran gibt es für Barbara Billmaier keinen Zweifel. "Wer seit 33 Jahren quasi seinen Zweitwohnsitz bei den Burgspielern hat und damit dem Burgfest so treu dient, hat die Aufgabe mehr als verdient", sagte die Vorsitzende des Burgfestausschusses. Die einzige Frage war bei der Auswahl nur: Wie schafft es Gudrun Reichard, ihre Rolle beim Burgspiel mit der Rolle der Pfalzgräfin in Einklang zu bringen?

"Dafür hab ich eine Verbündete gebraucht", sagt Gudrun Reichard lächelnd. Fündig wurde sie schließlich bei ihrer Theaterkollegin Anette Ehrenfried. Denn während Reichard ihre Auftritte im diesjährigen Stück "Die Heldenreise" am Anfang und am Ende hat, ist Ehrenfried in der Mitte dran - und schon war die Theaterkollegin gefunden, die aushelfen kann. Schließlich kann die neue Pfalzgräfin nicht bei allen sieben Aufführungen dabei sein. Bei der Premiere an diesem Sonntag ist sie allerdings in ihrer Rolle als "Frau Schätzle" zu sehen.

Bei der letzten Aufführung am Burgfestsonntag wird Gudrun Reichard dagegen fehlen. "Da darf ich endlich mal auf dem Keller bleiben." Normalerweise sind die Burgspieler beziehungsweise die Bettler nämlich immer die Ersten, die wegen ihrer Aufführung am Abend das gesellige Treffen nach dem Festzug verlassen müssen. Für die Gräfin herrscht laut Burgfest-Protokoll dagegen absolute Anwesenheitspflicht. Es ist ein Drehbuch, das Gudrun Reichard gefällt.