Hilpoltstein
IG BAU warnt vor Fachkräftemangel

Zahl der Gesellenprüfungen geht im Verlauf von zehn Jahren um 29 Prozent zurück

01.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:34 Uhr

Handwerksberufe wie der Eisenflechter könnten bald echte Nachwuchsprobleme bekommen, warnt die Gewerkschaft. - Foto: IG BAU

Hilpoltstein/Nürnberg (HK) Das Handwerk hat goldenen Boden, heißt es immer. Aber gilt das auch noch in Zukunft? Angesichts einer zunehmenden Akademisierung hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) vor einer Fachkräftekrise für Handwerksbetriebe im Landkreis Roth gewarnt.

Die Zahl der Gesellenprüfungen ging laut IG BAU in den vergangenen zehn Jahren um 29 Prozent zurück. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Zahlen der Handwerkskammer für Mittelfranken. In deren Bereich legten im vorletzten Jahr lediglich rund 2550 Auszubildende eine Abschlussprüfung ab - zehn Jahre zuvor waren es noch etwa 3590. Der Gesellenschwund ist dabei ein landesweites Phänomen: Zwischen 2010 und 2015 sank die Zahl der Gesellenprüfungen in Bayern um 19 Prozent.

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt Mittelfranken spricht von einem "besorgniserregenden Trend". Immer mehr Schulabgänger "gehen lieber an die Uni statt in einen Handwerksbetrieb", sagt Bezirkschef Christoph Frank. Dabei biete etwa die Baubranche im Kreis Roth gute Verdienstmöglichkeiten und eine lange Karriereleiter. Per Aufstiegsfortbildung könne man es bis zum geprüften Polier oder Bauleiter bringen - und dann sogar mehr verdienen als viele Architekten. "Sei schlau, geh zum Bau - dieser Tipp gilt nach wie vor", so Frank.

Nach Angaben der Sozialkassen der Bauwirtschaft (Soka-Bau) waren im vergangenen Oktober 94 Bau-Azubis im Landkreis gemeldet. "Damit steht der Bau besser da als viele andere Handwerksbereiche. Trotzdem: Jeder zusätzliche Azubi wird gebraucht", sagt der Gewerkschafter - "besonders in Zeiten einer deutlich anziehenden Baukonjunktur." Zudem werde der Fachkräftebedarf angesichts geburtenschwacher Jahrgänge in den 90er-Jahren steigen.

Ein wichtiges Argument, eine Bauausbildung zu machen, sei nach wie vor die Bezahlung, so Frank. Die Verdienste der Auszubildenden lägen meist sogar über denen der Industrie. Im ersten Lehrjahr geht ein angehender Maurer oder Straßenbauer mit 755 Euro pro Monat nach Hause. Im dritten Ausbildungsjahr sind es sogar 1400 Euro. Damit sind Bau-Azubis laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Schnitt die Bestverdiener unter allen Auszubildenden. "Wer aber Fachkräfte in der Branche halten will, muss auch im Anschluss an die Ausbildung etwas tun. Der Einkommensabstand zwischen Industrie und Handwerk vergrößert sich seit Jahrzehnten", betont Frank. Die Rahmenbedingungen am Bau müssten darum entsprechend denen in der Industrie angeglichen werden.

Mehr Schulabgänger werde man nur gewinnen, wenn sich neben dem Einkommen auch die Arbeitsbedingungen und das Image der Branche verbesserten, ist die IG BAU überzeugt. Hier seien vor allem die Arbeitgeber gefordert. "Beim Bau denken viele an extremes Malochen. Doch hier hat sich in den letzten Jahren viel getan. Maschinen und digitale Technik erleichtern das Arbeiten." Und wer auf dem Bau arbeite, komme auch herum und lerne das Land kennen. Bei der Arbeit auf auswärtigen Baustellen müsse der Chef mittlerweile auch die Unterkunft stellen und bezahlen, erklärt Christoph Frank. "Dennoch bleibt viel zu tun, um die Bauwirtschaft noch attraktiver zu machen. Höhere Arbeitsstandards sind eine Investition in die Zukunft."

Für die IG Bauen-Agrar-Umwelt in Mittelfranken steht deshalb fest: "Je besser die Perspektiven am Bau sind, desto eher werden wir die Leute halten. Das Handwerk hat - nach wie vor - goldenen Boden", so Frank. "Wenn wir irgendwann eine Bachelorschwemme und einen Handwerkermangel haben, dann ist damit keinem geholfen."

Die Folgen der Fachkräftekrise würden laut Gewerkschaft letztlich vor allem die einzelnen Bürger spüren - durch höhere Preise beim Bauen und Renovieren.