Hilpoltstein
Fleißiger Hoffnungsträger auf Achse

Sven Erhardt, mit 25 Jahren der jüngste Landtagskandidat der SPD in Bayern, setzt auf Praktika und Hausbesuche

18.07.2013 | Stand 02.12.2020, 23:53 Uhr

 

Hilpoltstein/Kraftsbuch (HK) Sven Erhardt, 25, Student aus Roth und Langläufer nimmt den Wahlkampf sportlich. Der junge SPD-Kandidat will das Direktmandat holen. Dafür scheut er keine Mühen: Er arbeitet als Müllmann, in der Kita, im Pflegeheim, auf dem Bauernhof. Und er geht von Haus zu Haus.

Den roten Blaumann hat sich Erhardt im SPD-Büro geliehen, die Arbeitsschuhe mit Stahlkappe sind ein Geschenk von seinem letzten Praktikumstag als Müllmann. So steht er morgens um sechs Uhr im Stall von Thomas Schmidt in Kraftsbuch und verteilt mit der Heugabel das frische Grünfutter an die ungeduldigen Milchkühe. Acht Tonnen fressen sie pro Tag, alle halbe Stunde muss Erhardt per Hand für neues Gras sorgen. Als er eine Kuh streicheln will, zuckt die zurück. Am roten Anzug liegt das nicht. „Kühe sind farbenblind“, versichert Thomas Schmidt. Und er sei es auch – zumindest politisch. Als Ortsobmann des Bauernverbandes sucht er den Kontakt zur Politik und Erhardts Praktikum auf seinem Hof gehört für ihn zur Lobbyarbeit, auch wenn er selbst für die CSU im Stadtrat sitzt. „Ich möchte, dass er erst zum Telefonhörer greift, bevor er im Landtag schlau daher redet“, sagt Schmidt. „Dazu ist es wichtig, dass er etwas mitkriegt.“

Also mistet der SPD-Kandidat den Stall aus, gibt den neugeborenen Kälbern mit einem Sauger Milch aus dem Eimer, schlichtet Meterstücke Brennholz vom Traktor, schaut sich den Papierkram im Büro an und redet mit Thomas Schmidt über Gott und die Welt – und natürlich über Politik. Man duzt sich.

„Ich werde nicht in einem Tag zum Landwirtschaftsexperten werden“, sagt Erhardt. Aber es bringe doch nichts, sich ein paar Stunden durch einen Betrieb führen zu lassen. Lieber arbeitet er mit. Anpacken, das passe besser zu ihm, sagt Sven Erhardt. „Die SPD hat die Landwirtschaft ein Stück weit vernachlässigt“, räumt der Kandidat ein. Auch weil die Landwirte nicht gerade das große Wählerpotenzial der bayerischen Sozialdemokraten sind. Für Erhardt noch lange kein Grund, sich nicht auf dem Land zu zeigen. „Ich will ja den ganzen Landkreis vertreten, wenn ich in den Landtag komme.“

Vielleicht auch Kraftsbuch, das 121-Seelen-Dorf auf der abgelegenen Jurahochebene über Greding. „Manchmal kommt ihr über die Fünf-Prozent-Hürde“, erklärt Thomas Schmidt dem SPD-Kandidaten die örtlichen Machtverhältnisse, „hinter der ÖDP und den Grünen.“ Erhardt lacht: „Eine unserer letzten Hochburgen. Da stelle ich persönlich das Wahlplakat auf.“ Das muss er wohl, große SPD-Unterstützer gibt es hier nicht.

Dabei hat Thomas Schmidts Onkel 1972 auf den Familien-Mercedes einen „Willy wählen“-Aufkleber gepappt, sehr zum Leidwesen von Thomas Schmidts Vater, einem CSU-Mann. Der las damals die SPD-Parteizeitung „Vorwärts“, um über den Gegner informiert zu sein. „Wenn ihr wieder ein ,Vorwärts’-Abo braucht, kann ich eins besorgen“, hakt Sven Erhardt im Scherz nach. Schmidt lehnt freundlich ab. Auf die Frage, wem er denn bei der Landtagswahl seine Stimme geben werde, zögert Thomas Schmidt aber. Nach kurzer Bedenkzeit sagt er: „Ich weiß noch nicht, wen ich wähle.“

Um 15 Uhr ist Schluss für Praktikant Ehrhardt. Er muss weiter. Hausbesuche. Persönliche Vorstellung beim potenziellen Wähler. Auch die nimmt Erhardt sportlich. 100 Besuche hat er sich bis 15. September vorgenommen. Im März hat er mit seiner Tour begonnen, am Freitagnachmittag Anfang Juni in Hilpoltstein scheint die Sonne, als der Kandidat mit Lokalmatador Josef Lerzer Klinken putzen geht.

„Ich bin dabei, damit er sich nicht verläuft“, scherzt Lerzer. Erste Station ist das AWO-Altenheim, ein Heimspiel. Mit Leiter Frank Krebel kommt Erhardt sofort ins Gespräch. „Wie viele Betten? Wie viele Patienten? Gibt es Personalprobleme“ Erhardt will alles wissen. Aber nach einer Viertelstunde drängt er auf den Aufbruch. Er will durchs Haus. „Sind Sie der Rennfahrer“, fragt ein Bewohner, als er den Namen Erhardt hört. „Nein, der kommt aus Röttenbach“, sagt Namensvetter Sven. Er sei Politiker und wolle in den Landtag. Da staunen die vier Senioren über so einen jungen Mann. Einer erinnert sich aber gleich, dass er mit 14 Jahren schon in den Krieg geschickt wurde. Eine Frau erzählt vom Pferdegulasch auf dem Flüchtlingstreck.

Weiter geht es ins angrenzende Wohngebiet. „Geht’s halt rei“, fordert ein Mann in Badehose das Politgespann auf. „Der Hoffnungsträger der SPD für die nächste Landtagswahl“, stellt Lerzer seinen Begleiter vor und legt nach: „Der jüngste Kandidat der SPD in Bayern.“ Der Mann nickt und muntert Erhardt auf: „Musst Dir keine Sorgen machen.“ „Das geht runter wie Öl“, freut sich Erhardt.

„Auweh, SPD!“, winkt ein Mittvierziger schroff ab, der mit Leiter und Astschere am Werk ist. „Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse.“ Lerzer kontert geistesgegenwärtig: „Wie sind Sie denn mit der Astschere zufrieden“ Die feindselige Stimmung ist verflogen. Als Erhardt erzählt, dass er vier Mal pro Woche Hausbesuche machen werde, zollt ihm der Hobbygärtner Respekt: „Mutig, mutig.“

Ein Mittdreißiger ist erstaunt über den Besuch am Gartentor. „Ich bin ja jetzt auch schon ein paar Tage alt, aber bei mir hat sich noch keiner persönlich vorgestellt.“ Nur eine Frau schlägt dem SPD-Duo die Tür vor der Nase zu. „Einmal Schröder und nie wieder“, ruft sie hinter der zufallenden Tür.

Rund 40 potenzielle Wähler hat Erhardt nach zwei Stunden erreicht, bei über 9700 Wahlberechtigten. „Das nächste Mal gehen wir lieber in Betriebe“, schlägt Josef Lerzer vor. Erhardt willigt ein, trotzdem beharrt er aus Hausbesuchen. „Man kann mir ja viel vorwerfen, aber nicht, dass ich mich nicht engagiere“, sagt Erhardt. Für ihn eine Selbstverständlichkeit. „Zurzeit haben wir ja nur einen halben Abgeordneten im Landkreis“, sagt er mit einem Seitenhieb auf den scheidenden Manfred Weiß (CSU). Jetzt werde es Zeit für einen, der sich richtig engagiert. Keine Frage, wen er damit meint.