Hilpoltstein
"Es braucht Beharrlichkeit"

Überwältigende Resonanz auf Fachtag am Auhof – Verhaltensauffälligkeit bei geistig Behinderten als heikles Thema

21.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:05 Uhr

Eine Lobby für die Schwachen schaffen, die nur noch mit Verhaltensauffälligkeiten auf ihre innere Verzweiflung aufmerksam machen können - so das Ziel des Fachtags am Auhof - Foto: Leykamm

Hilpoltstein (lkm) Der Ansturm war überwältigend. Zumindest gab es wesentlich mehr Anmeldungen als Teilnehmerplätze bei einer in dieser Form noch nie dagewesenen Fachtagung am Auhof, die sich mit Verhaltensauffälligkeiten bei Menschen mit geistiger Behinderung auseinandersetzte.

Ein Indiz für beides: den großen Handlungsbedarf wie das große Engagement in diesem schwierigen Themenfeld.

Besucht haben die Veranstaltung letztlich gut 340 Leiter und Mitarbeiter jener rund 100 Schulen in Bayern, die auf den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ausgerichtet sind. An Impulsen mangelte es wahrlich nicht: Neben zwei Hauptvorträgen standen 23 Workshops auf dem Programm. Sie konnten freilich nicht alle durchlaufen werden. In Kurzform gab es deswegen am Ende der Veranstaltung die jeweilige Quintessenz der Arbeitskreise als Kurzreferat – bevor die Infos an eine große Wand gepinnt wurden, die einen Läufer zeigte, der direkt auf eine Mauer zusteuert.

„An den Grenzen“ war auch das Motto des Fachtags. Wenn es schon nicht gelänge, sie einzureißen, könnten sie doch betrachtet und vielleicht überwunden werden, so Christoph Ratz von der Julius-Maximilian-Universität Würzburg. Er führte gemeinsam mit Wolfgang Dworschak von der Ludwig-Maximilians-Universität München durch den Tag. Und Grenzen gibt es leider viele: jene der Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler – oder solche der Finanzierung für eine ausreichende Versorgungsstruktur. Vor diesem Hintergrund könnte die aufgestellte Wand vielleicht sogar Assoziationen mit einer Klagemauer wecken, gab Ratz zu verstehen.

„Es braucht Beharrlichkeit.“ So war es des Öfteren bei den Statements der Workshop-Referenten zu hören. Sie sei vonnöten, um entsprechende Netzwerke aufzubauen, Konzepte für die Einrichtungen zu entwickeln, Fördergelder zu bekommen, „Hardcoreschüler“ in einer „Kuschelschule“ zu integrieren oder die Familie in die pädagogische Arbeit einzubeziehen. Und nicht zuletzt brauche es Beharrlichkeit, um eine Lobby fürs eigene Klientel aufzubauen. Und dabei nicht nur die Betreuten, sondern auch die Betreuer ins Visier zu nehmen, die oft der Gefahr der Traumatisierung ausgesetzt seien. Nicht zuletzt gelte es vor allem, den Schüler verstehen zu lernen und ihn zu achten. Ihm zugleich aber deutlich zu machen: „Dein Verhalten lässt dich nicht erfolgreich sein“, wie es in einem Workshop hieß. Zugleich sollten alternative Handlungsmuster eingeübt werden. Auch müsse man sich die Frage stellen, inwieweit Verhaltensauffälligkeiten bei Schülern durch falsche Herangehensweisen der Lehrer erst ausgelöst würden, klang es auch ganz selbstkritisch an.

Ein Zeichen dafür, „mit welch großer Ernsthaftigkeit“ hier gearbeitet wurde, so Renate Merk-Neunhoeffer, Leiterin der Comeniusschule am Auhof. Letztlich sei beides da: großer Handlungsbedarf, aber auch große Bereitschaft, sich in dem heiklen Themenfeld zu engagieren und zu kooperieren. Freilich stoße man dabei noch an die eine oder andere Grenze ganz im Sinne des Mottos. Und wenn es die Baustelle auf dem Weg zum Auhof war, die so manche Teilnehmer zu einem kleinen Umweg zwang. Doch sie ließen sich nicht entmutigen.

Denn „der Schwung des Tages soll mitgenommen werden“, so Dworschak. Bald trifft sich das Organisationsteam, arbeitet die Rückmeldungen aus und überlegt sich weitere Schritte. Ein erstes Stück Grenze ist also überwunden. Symbolisch dafür durfte für viele Teilnehmer auf der Heimfahrt der Regenbogen dienen, der sich vor dem Auhof spannte.