Hilpoltstein
Dokumentation eines Zeitzeugen

Dieter Heller präsentiert sein Buch über das Schwabacher Flüchtlingslager Vogelherd

19.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr
Präsentieren gemeinsam das Buch über das Flüchtlingslager Vogelherd: Annett Haberlah-Pohl, Willi Rubick, Matthias Thürauf, Hannelore Heller, Dieter Heller, Walter Schnell, Eva Schultheiß, Steffen Hörtler. −Foto: Schmitt

Hilpoltstein/Schwabach (HK) Dieter Heller, 1946 als Kind selbst aus dem Sudetenland vertrieben, hat jetzt sein Buch über das Schwabacher Auffanglager Vogelherd im Goldenen Saal in Schwabach vorgestellt. Es soll auch eine Mahnung für die Nachkommen sein.

Dieter Heller ist 79 und stammt aus dem Sudetenland. Er war acht Jahre alt, als er von dort vertrieben worden ist und nach Bayern kam. Seine erste Anlaufstation war im April 1946 das Flüchtlingslager im Schwabacher Stadtteil Vogelherd. Fünf Tage hat er dort verbracht, ehe seine Familie nach Eichstätt und Arnsberg weiterverfrachtet worden ist. Seit 1947 wohnt er in Roth und ist dort bereits 35 Jahre lang Chef der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Nun hat Heller im Goldenen Saal sein Buch über die Geschichte des Flüchtlingslagers Vogelherd erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Auf 175 Seiten hat er „Das Flüchtlingslager Vogelherd/Schwabach“ als „Station auf dem Weg der Vertreibung“ beschrieben. Besonders beeindruckend sind dabei zahlreiche Zeitzeugenberichte. Über 50 000 Flüchtlinge aus dem Osten ist es nach Ende des Zweiten Weltkriegs ebenso wie ihm ergangen. Bis Dezember 1946 sind sie am Schwabacher Bahnhof offenen Viehwaggons entstiegen und vor die Stadt marschiert. Im Vogelherd hat sie die Flüchtlingsverwaltung registriert und erstversorgt. Diese Zeit zu dokumentieren, das war das Ziel Hellers und seiner Helfer. „Das Buch soll an das Schicksal der Vertriebenen erinnern und den Nachkommen zur stetigen Mahnung sein“, sagte Heller, der mit dem Buch den Ursachen der Vertreibung und den Verhältnissen im Lager ebenso nachspürt wie dem Neustart der Sudetendeutschen in Bayern. Prominentester Gast im überfüllten Goldenen Saal des Schwabacher Rathauses war mit Steffen Hörtler der bayerische Landesobmann und stellvertretende Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft aus Bad Kissingen.

Hörtler lobte die Initiative Hellers außerordentlich und bezeichnete das Geschichtswerk als „wichtigen Beitrag für die Aufarbeitung dieser Zeit“, für die er sowohl bei den Sudetendeutschen als auch bei den Tschechen Bedarf und Bereitschaft sah. „Sie alle brauchen Ansprechpartner“, war Hörtler überzeugt und sah dafür insbesondere in der Tschechischen Republik „große Nachfrage“. Schließlich sei die Geschichte Böhmens und Mährens ohne Sudetendeutsche überhaupt nicht zu behandeln. „Denn sie haben dort 900 Jahre gelebt“, so Hörtler. 1910 habe es in Eger, dem heutigen Cheb, 20 000 Deutsche und sechs Tschechen gegeben. Im ersten Tschechischen Staat nach dem Ersten Weltkrieg seien sechs Millionen Tschechen, 3,5 Millionen Deutsche und zwei Millionen Slowaken vereint gewesen.

Zugleich erinnerte Hörtler zwar einerseits an die Grausamkeiten der Vertreibung. Andererseits machte er aber auch auf Bewegung in Richtung auf eine echte Aussöhnung in der Tschechischen Republik aufmerksam. Den Freistaat nannte er einen Motor in diesem Prozess. „Als der Ministerpräsident Tschechen nach Bayern eingeladen hat, kam es zu historischen Begegnungen“, sagte Hörtler. Ebenso wichtig war für ihn, die Leistung der Sudetendeutschen beim Aufbau Bayerns hervorzuheben. „Mit Kopf und Arbeit haben sie erheblich mitgeholfen, dass der Freistaat heute ein Hightech-Land ist“, sagte Hörtler.

„Vielen Dank dafür, diese Dokumentation ist wichtig“, sagte der stellvertretende Landrat und Bezirksrat Walter Schnell. Auch Schwabachs Oberbürgermeister Matthias Thürauf würdigte die Arbeit Hellers ausdrücklich und erklärte, sie passe gut zum diesjährigen Jubiläum der Stadt, denn Sudetendeutsche prägen sie seit 1946 bis heute mit. „Es gibt keine Gemeinde, die nicht Vertriebene aufgenommen hat“, erklärte Schnell. Er sah Hellers Buch auch als Plädoyer für Menschlichkeit. „Flucht und Vertreibung sind Themen der Weltgeschichte und unserer heutigen Welt“, sagte Schnell. Dennoch, fügte er hinzu, erlebe nicht jeder Menschlichkeit, der in Deutschland Schutz suche.

Matthias Thürauf dankte ausdrücklich dem kleinen Team Hellers für die etwa einjährige Arbeit an dem regionalen Geschichtsklassiker. Dafür hatte der 79-Jährige nämlich eigens einen kleinen Arbeitskreis gegründet. Ihm gehörten mit Ursula Kaiser-Biburger, Annett Haberlah-Pohl und Eva Schultheiß die Heimatpflegerinnen der Stadt und des Landkreises ebenso an wie der Stellvertreter im Landsmannschaftsvorsitz, Wilhelm Rubick aus Thalmässing und Hellers Ehefrau Hannelore.

Den Impuls für sein Buch hatte Heller von der Gedenkveranstaltung der Sudetendeutschen-Kreisgruppe Roth-Schwabach im April 2016 mitgenommen. Damals waren etwa 300 Besucher in den Vogelherd gekommen, um sich gemeinsam an das Flüchtlingslager dort zu erinnern. Auf ein ähnlich großes Interesse stieß nun auch das Buch. Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung konnte Heller bereits gut 100 Exemplare verkaufen.

 

DAS BUCH

Dieter Heller: „Das Flüchtlingslager Vogelherd/Schwabach“, 174 Seiten. Eigenverlag. ISBN 978-3-00-057215-9. Preis: 7,95 Euro. Erhältlich bei Dieter Heller, Johann-Strauß-Str. 4, 91154 Roth oder bei der Buchhandlung Kreutzer in Schwabach. | rsc