Hilpoltstein
Die Welt unter der Lupe

Gespräch mit Gerd Berghofer über sein neues Buch "Versprechen gehalten", Kurzgeschichten und die Reife von Texten

19.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:10 Uhr

Gerd Berghofer hat sein "Versprechen gehalten". - Foto: Unterburger

Hilpoltstein (HK) Der Georgensgmünder Autor Gerd Berghofer hat ein neues Buch mit Kurzgeschichten veröffentlicht. "Versprechen gehalten" heißt die Sammlung von 16 Geschichten aus 20 Jahren. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät er, warum er keine Gedichte mehr schreibt.

Herr Berghofer, Ihr letzter Gedichtband "Entdeckte Räume" erschien im Jahr 2006, Ihre letzte Erzählung "Der Tod der Feigenverkäuferin" erschien im Jahr 2007. Warum schreiben Sie keine Lyrik mehr und weshalb haben Sie überhaupt so lange keine Belletristik veröffentlicht?

Berghofer: Berechtigte Fragen. Ursprünglich war ich ja in der Lyrik zu Hause. Gedichte mag ich noch heute, nur schreibe ich selbst keine mehr. Die hatten ihre Zeit. Aber dass ich keine belletristischen Texte veröffentlichte, heißt nicht, dass ich keine geschrieben habe, allerdings lasse ich mir Zeit mit dem Veröffentlichen. Wenn ich einen Text nach längerer Zeit nochmals lese und ihn noch immer gut finde, dann hat er die Reife zur Veröffentlichung. Und wenn man eine ansehnliche Anzahl von Texten, mit denen man zufrieden ist, beisammen hat, ist irgendwann der Zeitpunkt für ein Buch da. Deshalb ist die älteste Geschichte des Buches tatsächlich schon vor 20 Jahren entstanden.

 

Warum gerade Kurzgeschichten?

Berghofer: Ich mag die Form. Deshalb stand mir Hemingway auch immer näher als Thomas Mann. Für "Der alte Mann und das Meer" hätte der vermutlich 500 Seiten gebraucht und davon auf 20 Seiten den Fisch beschrieben. Im Ernst: Mein erster Erzählband "Beziehungen und andere Feindschaften" bestand letztendlich aus einer Rahmenhandlung mit vielen Kurzgeschichten. Das liegt mir.

 

Der renommierte Autor Helmut Haberkamm aus Erlangen bezeichnet Ihre neuen Kurzgeschichten im Vorwort als "Schlaglichter auf eine uns vertraute Wirklichkeit."

Berghofer: Helmut Haberkamm hat das auf den Punkt gebracht. Die Geschichten zeigen unsere Welt und unsere Zeit, aber dennoch sind sie anders, so, als würde man eine Lupe darüber halten und ganz genau hinsehen. Es sind die Details! Nehmen Sie zum Beispiel "Das Reh". Da geschieht etwas auf dem Land ganz alltägliches, aber für die Protagonistin ist das im Detail so schockierend, dass sie ihr ganzes Leben anders ausrichten wird. Es geht darum, etwas so zu erzählen, dass man sagt: So habe ich das noch nicht gelesen. Wenn man nur das schreibt, was schon oft beschrieben wurde, kann man sich das sparen. Oder nehmen Sie die Eskalation in "Der letzte Tropfen". Da geht keine Beziehung in die Brüche, die ist schon lange kaputt. Das Schlaglicht fällt hier auf den Augenblick der Eskalation. Ich glaube, dass die Geschichten eine andere Perspektive ermöglichen. Oder auch Anstöße liefern können.

 

Apropos Anstöße liefern: In der Geschichte "Zorn gesteht" schildern Sie, wie ein Mann einen Brandanschlag beobachtet. Stellen Sie damit einen Bezug zu der immer aggressiver werdenden Fremdenfeindlichkeit in unserem Land her?

Berghofer: Tatsächlich befindet sich der Protagonist Zorn in einer Gesellschaft, in der die Aufmüpfigkeit und der kritische Geist Ablehnung finden. Jemand wie Zorn lässt sich nur schwer kontrollieren, er ist unbequem, weil er selbst denkt. Die Kernaussage der Geschichte ist ja die, dass Zorn nicht weggesehen hat wie seine Nachbarn. Im Gegenteil, er lieferte eine Täterbeschreibung. Und dafür wird er kritisiert. Dass das Gebäude brannte, ist dabei gar nicht der Punkt. Sondern nur sein Fehlverhalten. Ich habe den moralischen Dreh- und Angelpunkt versetzt, sozusagen. Die ein wenig kafkaeske Geschichte könnte in jedem totalitären System angesiedelt sein. Aber die Basis für so etwas, da gebe ich Ihnen recht, wird heute gelegt, wenn es Agitatoren gelingt, die Dummheit der Menschen zu mobilisieren.

 

In Ihrer düsteren Story "Die Beerdigung des Totengräbers" erzählen Sie von einem Totengräber, der sein eigenes Grab aushebt, weil er am nächsten Tag sterben wird. Das ist ein beklemmender Gedanke.

Berghofer: Finden Sie? Dass sich jemand in der Gewissheit zur Ruhe bettet, zu sterben, ist zwar nicht alltäglich, aber auch nicht neu. Das gibt es. Ich finde das eher tröstlich als beklemmend. Aber in dieser Geschichte geht es nur scheinbar um dieses Ereignis. Der Totengräber war ein einsamer Mann, der nie jemandem zur Last fallen wollte. Dem gegenüber steht die Gesellschaft, in der er lebte, und über diese Wechselbeziehung sagt die Geschichte eine ganze Menge aus.

 

Der Titel Ihres Buches heißt "Versprechen gehalten". So heißt auch die Titelgeschichte. Welche Bewandtnis hat es mit diesem Versprechen?

Berghofer: Das gab es wirklich, aber nur so ähnlich. Tatsächlich ist mir mal eine Postkarte aus einem Buch geflattert mit einer entsprechenden Notiz darauf. Das war der Auslöser für die Story. Geschichten basieren doch häufig auf der Frage "Was wäre wenn"

 

Traurig macht den Leser die Geschichte "Ein Hopfengarten". Sie ist ein Abgesang auf eine stolze Tradition in der Region. Wie beurteilen Sie es, dass immer mehr Hopfengärten im Landkreis verschwinden?

Berghofer: Wenn man den Hopfenanbau über hundertfünfzig Jahre hinweg betrachtet, ist das dramatisch. Mittelfranken lieferte damals viel, viel mehr Hopfen als Oberbayern! Aber die meisten mittelfränkischen Anbaugebiete sind heute verschwunden. Das Spalter Anbaugebiet hingegen ist noch immer da. Und bleibt das hoffentlich auch noch lange so, weil es zu Kultur und Landschaft gehört und die Menschen geprägt hat. Letztendlich sind es aber eben auch wirtschaftliche Aspekte, die hier eine Rolle spielen. Davon handelt die Geschichte - eine Herzensangelegenheit, wenn Sie so wollen.

 

Sie schenken dem Leser oft neue, schöne Wörter wie "Bleigewölbe" für den Himmel, "Gebäum", "Nachtniesel" oder "Laubgesang". Macht sich hier der Lyriker Berghofer bemerkbar?

Berghofer: Jeder Autor sucht nach dem einen Wort, das die Sache exakt trifft. Unsere Sprache bietet nicht umsonst Feinheiten wie keine zweite auf der Welt. Aber ich suche nicht krampfhaft nach neuen Bezeichnungen. Sowas ergibt sich, wenn überhaupt, aus dem Stimmungsbild der Geschichte heraus. Sicher hat das auch was mit Lyrik zu tun, der Verdichtung von Sprache. Und schließlich darf der Leser auch mal stutzen, Texte brauchen Überraschungen.

 

Es sind nicht nur packende und ausdrucksstark geschriebene Geschichten, das Buch ist auch hübsch gestaltet. Das Motiv auf dem Umschlag scheint wie gemacht für die Titelgeschichte. Wie kam das?

Berghofer: Mein Freund Martin Lind hat dieses Foto schon vor vielen Jahren gemacht. Martin ist Apotheker in Nürnberg, aber ein begnadeter Hobbyfotograf. Er hat schon für andere meiner Bücher die Motive geliefert. Es ist doch so: Wie beim Menschen ist auch der erste Eindruck eines Buches wichtig, und hier ist es unaufdringlich schön gelungen, meine ich.

 

Zuletzt haben Sie heimatkundliche Veröffentlichungen vorgelegt. Ich denke an die Biografie über Friedrich Merkenschlager und das Buch über die jüdische Geschichte Georgensgmünds "Die Anderen". Bleiben Sie der Heimatkunde treu?

Berghofer: Unbedingt. Im nächsten Jahr wird die Vorgeschichte zu "Die Anderen" erscheinen, darin spanne ich einen Bogen von der ersten urkundlichen Erwähnung Gmünds bis 1918. Seit 2014 sitze ich daran und ich denke, das Ergebnis wird sich sehen lassen können.

 

Das Interview führte Robert Unterburger