Hilpoltstein
"Die Entwicklung ist verschlafen worden"

Große Untersuchung zur Digitalisierung der Unternehmen im Landkreis Firmen wünschen Anlaufstelle

20.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Dank an die Studentinnen der Fachhochschule Nürnberg für ihre Studie zur Digitalisierung im Landkreis Roth. Landrat Herbert Eckstein überreicht die Zertifikate. - Foto: Kofer

Hilpoltstein/Roth (rok) Die Unternehmen im Landkreis Roth wünschen sich mit großer Mehrheit beim Thema Digitalisierung eine zentrale Anlaufstelle. Bei einer umfangreichen Befragung sprachen sich 74 Prozent von 435 Firmen dafür aus, eine solche Stelle bei der Unternehmerfabrik des Landkreises anzusiedeln.

Das ist das prägnanteste Ergebnis einer groß angelegten Studie von Studentinnen der Technischen Hochschule Nürnberg. Zudem waren die Studentinnen verwundert, dass fast alle Firmen bei der Digitalisierung auf staatliche Zuschüsse verzichten, ob aus Unkenntnis oder Abneigung gegen komplizierte Förderanträge. Ebenfalls überrascht waren sie davon, dass viele Unternehmen das Fehlen eines schnellen Internetanschlusses beklagten. 44 Prozent sahen darin das größte Hemmnis. "Wir dachten nicht, dass das langsame Internet so ein Problem ist", sagte eine der Studentinnen. Spalts Bürgermeister und CSU-Kreisrat Udo Weingart konnte das Problem gut erklären: "Aufwendige Förderanträge, zu wenige Unternehmen zur Umsetzung. Die Erwartung auf einen schnellen Ausbau des Breitbandnetzes habe ich leider aufgegeben", sagte Weingart resigniert." Die Entwicklung ist verschlafen worden", assistierte Landrat Herbert Eckstein (SPD). Bayern liege bei der Digitalisierung im hinteren Mittelfeld. Daran ändere auch ein Förderbescheid nichts.

Rund drei Monate dauerte das Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule und der Unternehmerfabrik. Am Montagabend präsentierten die Studentinnen die Ergebnisse zum Thema "Digitalisierung im Landkreis Roth" im Kreistagssaal vor Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Vor allem kleinere Betriebe mit bis zu 19 Mitarbeitern schickten den umfangreichen Fragebogen zurück, insgesamt 194 oder 60,4 Prozent. Aber nur 10,9 Prozent der Firmen mit mehr als 100 Mitarbeitern antworteten. Viele Betriebe setzen die Digitalisierung bereits um oder planen den Einstieg.

Auswirkungen auf die Zahl der Mitarbeiter erwarten sie nicht, doch einen positiven Einfluss auf ihr Unternehmen vor allem in den Bereichen Service und Effizienz. Bei höheren Investitionen bleibe der Umsatz gleich, erwarten die Befragten. Den größten Unterstützungsbedarf sahen sie im Bereich Datenschutz und Sicherheit. Viele wünschten sich eine Bildungsakademie. Mehr als 200 Firmen planen derzeit konkrete Projekte im Bereich Digitalisierung. Trotzdem verfolgten die wenigsten beim Einstieg in das Thema eine konkrete Strategie. Das ergab die Auswertung von Interviews mit 14 Firmen, die die Unternehmerfabrik als besonders innovativ einstufte. Darunter waren Leoni mit 82 000 Mitarbeitern an Standorten auf der ganzen Welt ebenso wie die Firma CTK IT-Lösungen aus Greding mit 15 Mitarbeitern. Die beklagte vor allem, dass ein angehender Fachinformatiker aus Greding zum Unterricht in die Berufsschule nach Fürth fahren muss. Als falsch stellte sich die Befürchtung von Michael Kreichauf, CSU-Kreisrat aus Thalmässing und Chef einer kleinen Baufirma, heraus, der meinte, dass gerade kleine Handwerksbetriebe erst an die Digitalisierung herangeführt werden müssten. Es gebe keine signifikanten Unterschiede, ergab die Studie. Deren komplette Ergebnisse erhalten die beteiligten Unternehmen und Unterstützer noch zugesendet.

Wie es nun weitergeht, ist unklar. "Wir sind selbst noch in der Findungsphase", sagte Felix Lehnhoff von der Unternehmerfabrik. Professor Werner Fees, Leiter der Studie, möchte die Kooperation gerne fortsetzen. Er regte an, eventuell eine Studentin mit einer Masterarbeit zum Thema Digitalisierung im Landkreis Roth zu betrauen. "Digitalisierung ist ein Prozess, der noch Jahre dauern kann", sagte Lehnhoff. "Es wird auf jeden Fall große Umbrüche geben", vermutete Landrat Eckstein, aber man müsse sich nicht davor fürchten. Jürgen Mangelberger, Chef der gleichnamigen Elektrotechnikfirma in Roth, brachte im Interview sein Fazit zum Thema Digitalisierung so auf den Punkt: "Ich möchte auch in Zukunft mit einem echten Menschen einen Kaffee trinken können." Auch das ist ein Ergebnis der Studie.